Deutsches Seminar

Gottfried von Straßburg: Tristan

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dô die Tristan sô schœne sach,
ez vrischet ime sîn ungemach:
sîn altiu herzeriuwe
diu wart aber dô niuwe.
si mantin ie genôte
der andern Îsôte,
der lûtern von Îrlant;
und wan si Îsôt was genant,
swenne er sîn ouge an si verlie,
sô warder von dem namen ie
sô riuwec und sô vröudelôs,
daz man im under ougen kôs
den smerzen sînes herzen.
doch liebeter den smerzen
und truog im inneclîchen muot:
er dûhtin süeze unde guot.
er minnete diz ungemach
durch daz, wan er si gerne sach;
sô sach er si gerne umbe daz:
im tet diu triure verre baz,
dier nâch der blunden hæte,
dan im ander vröude tæte.
Îsôt was sîn liep und sîn leit,
jâ Îsôt, sîn beworrenheit,
diu tet im wol, diu tet im wê:
sô ime Îsôt sîn herze ie mê
in dem namen Îsôte brach,
sô er Îsôte ie gerner sach.
Vil dicke sprach er wider sich:
'â dê benîe, wie bin ich
von disem namen verirret!
er irret unde wirret
die wârheit und daz lougen
mîner sinne und mîner ougen.
er birt mir wunderlîche nôt:
mir lachet unde spilt Îsôt
in mînen ôren alle vrist
und enweiz iedoch, wâ Îsôt ist:
mîn ouge, daz Îsôte siht,
daz selbe ensiht Îsôte niht:
mirst Îsôt verre und ist mir bî:
ich vürhte, ich aber gîsôtet sî
zem anderen mâle.
'ich wæne, ûz Curnewâle
ist worden Arundêle,
Karke ûz Tintajêle
und Îsôt ûz Îsôte.
mich dunket ie genôte,
als ieman iht von dirre maget
in Îsôte namen saget,
daz ich Îsôte vunden habe.
hie bin ouch ich verirret abe.
wie wunderlîche ist mir geschehen:
daz ich Îsôte müeze sehen,
des gere ich nu vil lange vrist;
nu bin ich komen, dâ Îsôt ist,
und enbin Îsôte niender bî,
swie nâhen ich Îsôte sî.
Îsôte sihe ich alle tage
und sihe ir niht: daz ist mîn clage.
ich hân Îsôte vunden
und iedoch niht die blunden,
diu mir sô sanfte unsanfte tuot.
ez ist Îsôt, diu mir den muot
in dise gedanke hât brâht,
von der mîn herze als ist verdâht:
ez ist diu von Arundêle
und niht Îsôt la bêle;
dern siht mîn ouge leider niht.
swaz aber mîn ouge iemer gesiht,
daz mit ir namen versigelt ist,
dem allem sol ich alle vrist
liebe unde holdez herze tragen,
dem lieben namen genâde sagen,
der mir sô dicke hât gegeben
wunne unde wunneclîchez leben.'

Sprecherin: PD Dr. Nicola Kaminski.
Text: Gottfried von Straßburg, Tristan, ed. Ranke (Längenkennzeichen: Paul Sappler), V. 4301-4398.