Slavisches Seminar

Workshop Literarisches Übersetzen aus dem Norwegischen

Unter der Leitung von Christel Hildebrandt versuchten sich zwölf Übersetzerinnen und Übersetzer aus Tübingen, Freiburg, Leipzig und Tromsö an den Texten von Björn Ingvaldsen. Dabei kamen sowohl typisch norwegische Fragestellungen zur Sprache, etwa wie man den von Kindern so geliebten Brunost, einen braunen, süßen Ziegenkäse ohne falsche Konnotationen ins Deutsche überträgt oder ob sich ein Bankmanager und ein alter Gauner auf einer einsamen Insel sofort duzen können, wenn sie gemeinsam eine Leiche auf dem Kerbholz haben.

Werkstattnachmittag mit Ingvaldsen

Am zweiten Werkstatttag war Björn Ingvaldsen zu Gast. Zuerst las er einige Passagen aus seinen Büchern auf Norwegisch. Dann war für die Teilnehmer Zeit für Fragen: über die norwegische Literatur, über sein Schreiben, über die Kinderliteratur und warum sie in Skandinavien so populär ist.

Lesung mit Björn Ingvaldsen auf Schloss Hohentübingen

Am 11. Juni fand im Rahmen des Workshops auf Schloss Hohentübingen eine Lesung mit Björn Ingvaldsen aus seinem Roman "Junggesellenfestival" statt. bei sommerlichen Temperaturen hatten sich etwa 30 Zuhörer auf dem Tübinger Schloss eingefunden, um zu hören, wie die Junggesellen auf einer einsamen norwegischen Insel gemeinsam die Leiche eines Fremden wegschaffen, vergammelten Fisch im Kamin eines Freundes räuchern und versuchen, in ihre ganzen kriminellen Machenschaften den Leiter der örtlichen Bankfiliale, der auf die Insel strafversetzt worden ist, hineinzuziehen. Der vergnügliche Abend wurde von etlichen Fragen zur Situation der Schriftsteller in Norwegen und ihr Verhältnis zu Mitteleuropa abgerundet.

Berufskunde für literarische Übersetzer

Auf besonderes Interesse stießen alle Fragen zur Berufskunde, die Christel Hildebrandt zum Abschluss des Seminars erörterte. Um literarischer Übersetzer zu werden, braucht es exzellente Kenntnisse in der Muttersprache, eine hohe Frustrationstoleranz und die Akzeptanz, immer hinter dem Autor an 2. Stelle zu stehen - auch wenn das nicht ganz einfach ist. Der Vorteil ist - beim Übersetzen spielt das Alter keine Rolle, ja, es gibt sogar etliche Verlage, die besonders gern mit älteren Übersetzerinnen und Übersetzern arbeiten. Außerdem sprach Christel Hildebrandt über die Einstiegsmöglichkeiten für Nachwuchsübersetzer, über Fördermöglichkeiten und nicht zuletzt auch über die Höhe von Honoraren. Da wurde so manchem Literaturfreund klar, dass die Arbeit mit dem Buch wohl die schönste, aber weitem nicht die einzige ist, die anfällt, wenn man literarischer Übersetzer ist.

Ein Fazit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen

"Ich werde jetzt literarische Übersetzerin", sagte Sybille Bauer aus Freiburg nach dem Tübinger Seminar, "denn mit 65 habe ich jetzt genau das richtige Alter, als ehemalige Deutschlehrerin bin ich im Deutschen sattelfest und auch das Norwegische kann ich gut verstehen und erfühlen." So sicher waren sich nicht alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen in der Auswertung des dreitägigen Seminars. Christoph Strauch sagte, er wisse es noch nicht genau, wie es mit ihm als Übersetzer weiterginge, denn er stünde noch am Anfang und hätte es noch gar nicht recht ausprobiert. Laura Glawion (Tübingen) war zunächst verunsichert: "Ich dachte immer, ich hätte ein gutes Sprachgefühl. Nun sehe ich, dass es sehr schwer ist, gute Formulierungen zu finden." Felix Unger (Tübingen) fand das Seminar erfrischend und impulsgebend: "Es war eine sehr spannende Auseinandersetzung mit den Texten, angenehm anders als die sonstige Beschäftigung mit der Theorie." Auch Christel Hildebrandt nimmt einige neue Erfahrungen mit zurück nach Hamburg. "Wenn ich allein über meinen Übersetzungen sitze, habe ich nicht den Luxus, so viele Anregungen zu bekommen. Das Seminar war auch für mich eine Fortbildung, eine seltene Chance, mich mit Experten auszutauschen."

Für die freundliche Unterstützung der Werkstatt danken wir der NORLA.