Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2019/20

Vorlesungen
Vorlesung: Aktuell und relevant. Sozialethik, die aus der Zeitung kommt (Vertiefungslehrveranstaltung)
Prof. Dr. Möhring-Hesse

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Um Sozialethik nicht im akademischen Elfenbeinturm, sondern nahe an den öffentlich verhandelten Themen und »auf der Höhe der Zeit« zu betreiben, wird man Zeitungen lesen müssen - und so die Analysen und Deutungen von JournalistInnen aufgreifen. Dies gilt zumal dann, wenn man mit Sozialethik in nicht-akademischen Zusammenhängen, etwa im Rahmen der Verkündigung oder der kirchlichen Bildung arbeitet. Im Rahmen der Vertiefungslehrveranstaltung wird es erstens darum gehen, die Bedeutung von Medien für die demokratische Gesellschaft und für die theologische Sozialethik zu klären. Zweitens wird über das Semester hinweg die in klassischen und neuen Medien hergestellte Aktualität beobachtet – und aus dieser Arbeit heraus, theologische Sozialethik an aktuellen, in den Medien verhandelten Themen betrieben.

Seminare
Hauptseminar: Identitätspolitik. Kritik der sortierenden Gesellschaft und des identitären Christentums (EPG 2/Ethicum)
Prof. Dr. Möhring-Hesse

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Weltweit hat man es mit einer Renaissance von Identitätspolitiken gesellschaftlicher Mehrheiten zu tun, zumeist in einem rechtspopulistischen Gewand. Die Identitätspolitik von rechts zeigt Wirkung – auch in der Bundesrepublik. Sie nimmt politische Debatten ein und bestimmt Themen sowie Stimmungen. Darüber gerinnt sie in der kulturellen, aber auch in der strukturellen Ordnung; die rechtspopulistische Identitätspolitik erschafft damit Stück für Stück die sortierte und exkludierende Gesellschaft, auf sie die zielt. Für das Christentum, auch für die christlichen Kirchen ist diese Form der Identitätspolitik eine Versuchung, wenn es denn gelingt, sich in die von rechts behauptete kollektive Identität »einzuschreiben« und so für die identitär formierte Mehrheit unverzichtbar zu machen.

Wenn Mehrheiten ihre kollektive Identität gegen Minderheiten behaupten und ihre Rechte und Privilegien im Namen ihrer Identität verteidigen, dann wird auf dem Wege kollektiver Identitätskonstruktionen Exklusionen und Diskriminierungen betrieben. Diese Form der Politik ist destruktiv für demokratische Auseinandersetzungen. Zugleich drücken sich in dieser Art Politik gesellschaftliche Problemlagen und Verwerfungen aus, nicht zuletzt das Scheitern der neoliberalen, auf »Eigenverantwortung« und Wettbewerb setzende Gesellschaftsreform.

In dem Seminar geht es erstens darum, die von rechts betriebene Identitätspolitik zu verstehen. Zweitens soll diese Identitätspolitik in ihrer Pragmatik und in ihrem Ziel, aber auch von ihren Wirkungen her kritisiert werden. Schließlich soll drittens gefragt werden, wie aus dem Christentum heraus der Versuchung zur identitären Vereinnahmung widerstanden werden kann.

Hauptseminar: Gottes Heil in der Welt – und die Praxis der Menschen
Prof. Dr. Möhring-Hesse

Prof. Dr. Möhring-Hesse

In Kontexten des Christentums traut man dem geglaubten Gott zu, in der Welt der Menschen als deren Heil wirkmächtig und anwesend zu sein. Was bedeutet es aber, Gottes heilsame Anwesenheit inmitten der Welt der Menschen zu behaupten, - für den geglaubten Gott, für die Glaubenden und für deren Welten. In der Diskussion unterschiedlicher theologischer Theorien soll in dem Seminar an einer pragmatistischen Theologie von Gottes Heilwirken gearbeitet werden.

Seminar: Kritik der Ethik und Ethik als Kritik
Prof. Dr. Möhring-Hesse

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Es gab Zeiten, da hat man es als vornehmste Aufgabe der Ethik betrachtet, vor den Gefahren der Moral und des Moralisierens von sozialen Problemen zu warnen. Moral verschärfe nämlich, so hieß es damals, soziale Konflikte, heize sie mit Fragen der Wertschätzung auf und verhindere die Lösung von sozialen Problemen und die Befriedung von Konflikten. Von einer solchen Sorge um die destruktive Wirkmacht der Moral ist gegenwärtig wenig bis gar nichts zu spüren: Nicht nur in der Stadt und in der Universität Tübingen wird in Fragen der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz gerne und häufig die Ethik ins Spiel gebracht, um soziale Konflikte zu entschärfen und Problemlösungen „in die Zukunft zu verschieben“. Welche Erwartungen werden dabei an die Ethik gerichtet? Und: Wie reagiert man in der Ethik, also in den so betitelten wissenschaftlichen Diskursen und Institutionen, auf diese Erwartungen? Wie sucht man ihnen zu entsprechen oder zu widersprechen? Mit diesen und ähnlichen Fragen wird sich das Seminar beschäftigen. In einem zweiten Teil wird es aber auch darum gehen, wie Ethik ausdrücklich aus der Kritik an jeweils bestehenden Beurteilungsschemata und den darin begründeten Erwartungen an Ethik betrieben werden kann.

Zuordnung zu Einrichtungen: Weltethos-Institut.

Grundkurs: Theologische Ethik im Gerechtigkeitsdiskurs (EPG 1)
Michael Brugger

Michael Brugger

Christinnen und Christen wissen sich durch ihren Glauben zu einem Engagement für ihre Mitmenschen, die ihnen zu ihren Nächsten werden, herausgefordert und engagieren sich deswegen für eine gerechtere Ordnung ihrer sozialen Verhältnisse. Sie nehmen an den politischen Auseinandersetzungen teil, in denen die Ordnungen ihrer sozialen Verhältnisse ausgehandelt werden. Die theologische Sozialethik ist Reflex dieses Engagements. In dem Grundkurs wird das theologische Fach Sozialethik aus der Arbeit der Katholischen Betriebsseelsorge heraus vorgestellt, auf die sich das Fach traditionell bezieht und die sich – ebenso traditionell – die Theoriearbeit der theologischen Sozialethik in ihrer Arbeit berücksichtigt.

Oberseminar: Aktuelle Fragen der Theologischen Sozialethik
Prof. Dr. Möhring-Hesse

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Diskussion aktueller Theorie- und Forschungsarbeiten in der theologischen Sozialethik sowie Besprechung laufender Promotionsprojekte.

Anmeldung, möglichst in der Sprechstunde des Dozenten, ist erforderlich.

 

Lektüre / Kolloquien
Lektürekurs: Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne (Andreas Reckwitz, 2017)
Prof. Dr. Möhring-Hesse

Prof. Dr. Möhring-Hesse

In unterschiedlichen theologischen Disziplinen, auch in der Sozialethik, und zu unterschiedlichen Themen wird auf die kultursoziologische Analyse von Andreas Reckwitz „Die Gesellschaft der Singularitäten” Bezug genommen. Im Unterschied zur klassischen Moderne sind die Gegenwartsgesellschaften – so die Behauptung von Reckwitz - nicht mehr von einer sozialen Logik des Allgemeinen, sondern durch die systematische Hervorbringung von Besonderem und Einzigartigkeiten gekennzeichnet.