»Kehrt um! Metanoeite!«
Dieser Ruf gehört zur Kernbotschaft Jesu (Mk 1,15) und geht zurück auf die Forderungen zur Umkehr –Teschuwah – der Torah. Er meint die wirkliche Umkehr im Herzen, im Denken und im Tun, ein Verlassen der bisherigen Wege, eine Erneuerung von Grund auf.
Ein solcher Prozess der Erneuerung der christlichen Haltung zum Judentum hat nach zwei Jahrtausenden der Abgrenzung, der theologischen Enterbung und Feindschaft und dem Schrecken des Holocaust mit Initiativen in kleinen, aber bedeutungsvollen Zirkeln (zum Beispiel Seelisberg) begonnen und wurde mit den großen Erklärungen des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie weiterer Kirchen weltweit weitergeführt. Das christlich-jüdische Verhältnis wird seither theologisch völlig neu gedacht.
Die in diesem Prozess der Neuorientierung entstandenen Erklärungen und Verlautbarungen sind Wegmarken auf einem schwierigen Pfad und belegen die Bemühungen um eine neue Kultur der Beziehung zwischen Christentum und Judentum, die es einer interessierten Öffentlichkeit unkompliziert und gesammelt zugänglich zu machen gilt.
Dies begann bereits in den 1980er-Jahren mit zwei umfangreichen Printdokumentationen Die Kirchen und das Judentum, die sich als wichtiges Quellenwerk für die wissenschaftliche Bearbeitung von Fragen der Beziehung der Kirchen zum jüdischen Volk und Judentum, aber auch für die Vergewisserung bei Anliegen von Schule, Bildung und Seelsorge bewährt haben. Erstmals lag mit diesen eine akribisch zusammengetragene Dokumentation der katholischen, evangelischen, ökumenischen, christlich-jüdischen und jüdischen Erklärungen in deutscher Sprache vor, die bis dato erschienen waren.
Seit 2019 arbeitet eine interreligiös zusammengesetzte Arbeitsgruppe an dem Projekt, diese und alle weiteren seit dem Jahr 2000 erschienenen Verlautbarungen zum christlich-jüdischen Verhältnis in einem open access online Archiv der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Projektgruppe folgt damit den Ansprüchen der Zeit, den Informationszugang zu demokratisieren und so einen Wissenstransfer anzustoßen mit dem Ziel, den Prozess der Neuorientierung und Festigung der christlich-jüdischen Beziehung zu dokumentieren.
Die Präsentation dieses online-Archivs mit dem Titel Dokumente Kirchen und Judentum wird voraussichtlich Ende 2022 erfolgen.
Die Zeitschrift für christlich-jüdische Begegnung im Kontext (ZfBeg) kann mit dieser Ausgabe einen ersten, exklusiven Einblick in dieses wichtige Projekt zur Verfügung zu stellen und möchte somit einen Beitrag zur konstruktiven, inhaltlichen Fortschreibung des Aufrufs Metanoeite! leisten.
Die Stiftung Stuttgarter Lehrhaus hat erfolgreich eine spannende Sondernummer der ZfBeg publiziert, die alle ZfBeg -Leser:innen erhielten. Dadurch entfällt die Rubrik »Stuttgarter Lehrhaus –Stiftung für interreligiösen Dialog« in den regulären Ausgaben. Das Thema der Sondernummer »Interreligiöser Dialog im Lichte Isaaks und Ismaels. Friedensdimensionen des jüdisch-muslimischen Gesprächs« erweitert und bereichert das Themenspektrum der ZfBeg enorm.
Das Sonderheft und die vorliegende Ausgabe wollen in schwierigen Zeiten, in denen der Krieg wieder nach Europa gerückt ist, einen positiven Kontrapunkt setzen, um Versöhnung und Verständigung zwischen Religionen und Kulturen zu fördern.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.