Prof. Dr. Möhring-Hesse
Weltweit hat man es mit einer Renaissance von Identitätspolitiken gesellschaftlicher Mehrheiten zu tun, zumeist in einem rechtspopulistischen Gewand. Die Identitätspolitik von rechts zeigt Wirkung – auch in der Bundesrepublik. Sie nimmt politische Debatten ein und bestimmt Themen sowie Stimmungen. Darüber gerinnt sie in der kulturellen, aber auch in der strukturellen Ordnung; die rechtspopulistische Identitätspolitik erschafft damit Stück für Stück die sortierte und exkludierende Gesellschaft, auf sie die zielt. Für das Christentum, auch für die christlichen Kirchen ist diese Form der Identitätspolitik eine Versuchung, wenn es denn gelingt, sich in die von rechts behauptete kollektive Identität »einzuschreiben« und so für die identitär formierte Mehrheit unverzichtbar zu machen.
Wenn Mehrheiten ihre kollektive Identität gegen Minderheiten behaupten und ihre Rechte und Privilegien im Namen ihrer Identität verteidigen, dann wird auf dem Wege kollektiver Identitätskonstruktionen Exklusionen und Diskriminierungen betrieben. Diese Form der Politik ist destruktiv für demokratische Auseinandersetzungen. Zugleich drücken sich in dieser Art Politik gesellschaftliche Problemlagen und Verwerfungen aus, nicht zuletzt das Scheitern der neoliberalen, auf »Eigenverantwortung« und Wettbewerb setzende Gesellschaftsreform.
In dem Seminar geht es erstens darum, die von rechts betriebene Identitätspolitik zu verstehen. Zweitens soll diese Identitätspolitik in ihrer Pragmatik und in ihrem Ziel, aber auch von ihren Wirkungen her kritisiert werden. Schließlich soll drittens gefragt werden, wie aus dem Christentum heraus der Versuchung zur identitären Vereinnahmung widerstanden werden kann.