Institut für die Kulturen des Alten Orients

Urbane Dynamiken der Bronzezeit an der nördlichen Peripherie Mesopotamiens: Ausgrabungen in Bassetki

Das Projekt, das auf sechs Jahre angelegt ist (2018-2024), untersucht die Dynamiken der städtischen Entwicklung Nordmesopotamiens von der Frühen bis zur Späten Bronzezeit. Dazu dient eine archäologische Ausgrabung in Bassetki (Region Dohuk, Irak-Kurdistan). Es handelt sich um eine bronzezeitliche Stadtanlage von 50 ha Größe, bestehend aus Ober- und Unterstadt. Wie durch mittelassyrische Textfunde am Ort festgestellt werden konnte, handelt es sich um die Stadt Mardama(n), die eine Provinzhauptstadt des mittelassyrischen Reichs war. Die Stadt ist aber bereits in altassyrischer Zeit, der Ur III-Zeit sowie in der Akkad-Zeit belegt. Diese lange Stadtgeschichte ist durch die erarbeitete archäologische Stratigrafie durchgehend belegbar. Es wurde darüber hinaus festgestellt, dass die Stadt sogar bis an den Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. zurückreicht, in die Frühe Ninive V-Periode.

Im Rahmen der übergeordneten urbanistischen Fragestellung wurden für das Projekt fünf Ziele definiert, die zusammengenommen das Wissen über die langfristige urbane Entwicklung Nordmesopotamiens vom frühen 3. bis zum späten 2. Jtsd. v. Chr. erweitern sollen. Diese sind: 1.) die Klärung der frühen Urbanisierung Bassetkis in der Ninive V-Periode (3000–2650 v. Chr.), in der die Siedlung durch eine Stadtmauer bereits urbane Züge aufweist; 2.) die Klärung der Rolle Akkads im Norden Mesopotamiens (2350–2200 v. Chr.), die auf die Frage fokussiert ist, ob und wie sich akkadische Herrschaft in dieser Stadt äußert. Dabei spielt insbesondere die kontextuelle Rekonstruktion der kupfernen Statuenbasis mit Inschrift des akkadischen Königs Naram Sin, die 1975 zufällig am Ort gefunden wurde, eine große Rolle; 3.) die Klärung der Abläufe und Folgen der urbanen Krise des späten 3. Jtsds. v. Chr. (2200–2000 v. Chr.), die sich um die Fragen dreht, ob die Stadtanlage oder ein Teil von ihr in dieser Zeit vorübergehend aufgelassen wurde und ob ein Wandel der Subsistenzwirtschaft in dieser Zeit stattgefunden hat; 4.) die Klärung der ökonomischen Rolle der mittelbronzezeitlichen Stadt (2000 – 1600 v. Chr.), die ihr Prosperieren möglicherweise einer Teilhabe am altassyrischen Handelssystem verdankt; und 5.) die Klärung der Rolle der Stadt im mittelassyrischen Reich (1300–1100 v. Chr.), in der der Ort einen assyrischen Statthaltersitz aufwies, dessen architektonische und funktionale Gestaltung zu klären ist.

Diese Fragen sollen in vier Grabungsstellen beantwortet werden, von denen zwei in der Oberstadt und zwei in der Unterstadt lokalisiert sind. Der Fundort Bassetki bietet ideale Voraussetzungen, die wechselvolle Entwicklung eines urbanen Zentrums der Bronzezeit vor dem Hintergrund wechselnder ökonomischer, politischer, sozialer und ökologischer Rahmenbedingungen zu erforschen.

Die Urbanisierung Bassetkis in der Ninive V-Periode (3000-2650 v. Chr.)

Im Süden des Hangschnitts in Grabungsbereich A wurde in der Grabungskampagne 2023 der gewachsene Felsen erreicht. Unmittelbar auf dem Felsen zeugen Befunde der frühen Ninive V-Periode (Early Middle-Tigridian I) von einer Urbanisierung Bassetkis zu Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. Diese beinhalten eine direkt auf dem Fels errichtete Stadtmauer, die im Laufe der Zeit mehrfache Umbaumaßnahmen erfuhr und u.a. mit einem Zangentor versehen wurde (Abb. 2). In den verschiedenen Bauphasen der Ninive V-Periode schließen sich unterschiedliche Gebäude an die Stadtmauer an, darunter das Gebäude A-XV mit einem großen Ofen, in dem eine bemerkenswerte Menge an Holzkohle und verbrannten Getreidekörnern gefunden wurde (Abb. 3). Ein weiteres, älteres Gebäude A-XXI besaß große Räume mit breiten Mauern und Fußböden aus Schilfrohrmatten, die ursprünglich wahrscheinlich zur Lagerung von Lebensmitteln dienten (Abb. 4). Auch in diesem älteren Gebäude wurden große Mengen an Asche, Getreidekörnern und Holzkohle zusammen mit Keramikgefäßen in einem vorgelagerten Hof abgelagert (Abb. 5).
Diese Befunde zeigen, dass Bassetki bereits zu Beginn der Ninive V-Periode eine mit einer massiven Stadtmauer befestigte Stadt war. Im unmittelbaren Anschluss an die Stadtmauer waren Gebäude errichtet worden, die offenbar u.a. der gemeinschaftlichen Lagerung von Lebensmitteln und der Lebensmittelproduktion dienten.

Die Rolle Akkads im Norden Mesopotamiens (2350–2200 v. Chr.)

Sowohl in Grabungsbereich A als auch in Grabungsbereich E konnte jeweils ein großes akkadzeitliches Gebäude freigelegt werden, das die massive Bebauung der aus den Akkad-Texten bekannten Stadt „Maridaban“ sowohl in der Unterstadt als auch in der Oberstadt in dieser Periode belegt.
Ein großes Gebäude in Grabungsbereich A, Gebäude A-II, besaß vermutlich eine repräsentative Funktion. Um dieses Gebäude herum führt eine mehrere Meter breite Straße, die wahrscheinlich die Hauptverbindungsstraße zwischen der Unter- und der Oberstadt darstellte (Abb. 6).
Auch in der Unterstadt konnte im Grabungsbereich E ein monumentales Gebäude, Gebäude E-I, freigelegt werden, dass offenbar in der Early Middle-Tigridian III-Periode (2650–2300 v. Chr.) errichtet und bis in die Akkadzeit genutzt wurde. Dieses Gebäude, dessen massive Mauern aus großen Steinblöcken errichtet wurden, besitzt einen großen mit Steinen gepflasterten Hof, dessen Südseite durch riesige Steinplatten flankiert wird (Abb. 7). Die Ausmaße und die Bauweise dieses Gebäudes legen eine Interpretation als Tempel nahe. Berücksichtigt man, dass nach Angaben der Dorfbewohner die berühmte Bassetki-Statue nur wenige Meter von diesem Gebäude entfernt, bei der Fertigung einer Straße 1975 gefunden wurde, ist der freigelegte, postulierte Tempel als ehemaliger Aufstellungsort der Statue in Betracht zu ziehen.
Die Befunde belegen sehr deutlich, dass Bassetki in der Akkadzeit ein bedeutendes Zentrum war. Wie groß die politische Einflussnahme der akkadischen Herrscher, deren Sitz mehrere hundert Kilometer weiter südlich lag, tatsächlich war, lässt sich nicht ermessen, aber zumindest zeitweise scheint Bassetki so bedeutend gewesen zu sein, dass sich der Herrscher Naram-Sin (um 2250 v. Chr.) dazu entschloss an diesem Ort eine Statue von sich zu errichten.

Die Abläufe und Folgen der urbanen Krise des späten 3. Jtsds. v. Chr. (2200–2000 v. Chr.)

Obwohl Bassetki als „Mardaman“ in Ur III-zeitlichen Texten auftaucht und vermutlich als zweitrangiges Zentrum zu verstehen ist,  konnten interessanterweise nur relative wenige archäologische Befunde der Ur III-Zeit aufgedeckt werden. In Grabungsbereich A findet sich eine Schicht dieser Periode mit Flächen und Installationen, die die Existenz der Siedlung zumindest auf der Oberstadt belegt.  Somit ist eine durchgehende Besiedlung des Ortes vom 3. bis ins 2. Jahrtausend v. Chr. nachgewiesen, allerdings konnte bislang nicht geklärt werden, welche Ausdehnung Bassekti in dieser Zeit besaß.

 

Die ökonomische Rolle der mittelbronzezeitlichen Stadt (2000 – 1600 v. Chr.)

Das aufgehende Mauerwerk von mehreren mittelbronzezeitlichen Gebäuden, bestehend aus Steinmauern im Sockelbereich und – in wenigen Fällen erhaltenen – darauf gemauerten Lehmziegeln, bezeugt eine umfangreiche Besiedlung von Bassetki in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. Während im Grabungsbereich A lediglich eine breite Steinmauer und mehrere angrenzende Fußböden erfasst wurden, konnten in der Unterstadt im Grabungsbereich E vier mittelbronzezeitliche Gebäude umfassend freigelegt werden, bei denen es sich vermutlich vorrangig um Wohnhäuser handelt, die eng miteinander verbunden waren. Aber auch eine Keramikproduktion, die über den häuslichen Gebrauch hinaus geht, ist durch einen großen Keramikofen belegt. Bemerkenswert an den Häusern in der Unterstadt ist, dass sie der chronologischen Sequenz zufolge, die anhand der Keramikfunde ermittelt werden konnte, in der frühesten Mittleren Bronzezeit errichtet wurden und bis in die späte Mittlere Bronzezeit genutzt wurden.

Die Rolle der Stadt im mittelassyrischen Reich (1300–1100 v. Chr.)

Die mittelassyrische Periode ist in Bassetki hauptsächlich in Grabungsbereich C durch ein sehr umfangreiches Gebäude belegt, das als Gouverneursresidenz des Assur-nasir zu verstehen ist und der Phase C 9 zugewiesen wird (Abb. 10). Insgesamt besitzt dieses Gebäude 15 Räume und einen gepflasterten Hof, der sich vor dem Gebäude anschließt. Besonders bemerkenswert ist das umfangreiche Tontafelarchiv des Gouverneurs, das 2017 in Raum I des Hauses entdeckt wurde (Abb. 11-12) und dem die gesicherte Identifizierung des modernen Ortes Bassetki mit der antiken Stadt Mardama zu verdanken ist. Bis zum Ende der Grabungskampagne 2023 konnten etwas mehr als 600 Tontafeln und Tontafelfragmente aus dem Gebäude geborgen werden. Auf mehreren Fußböden, die sich übereinander in den Räumen akkumuliert hatten, wurden zahlreiche Objekte gefunden. So ist Raum I aufgrund der Tontafeln und der Objekte sowohl als Archivraum als auch als Werkstatt ausgewiesen, in der Metallgegenstände und vermutlich auch Fritteobjekte hergestellt wurden. Außerdem wurde hier ein Kalbskopf aus Elfenbein gefunden (Abb. 13), der möglicherweise ebenfalls mit den handwerklichen Tätigkeiten in diesem Raum in Verbindung stand.
In einem anderen Raum, Raum CV, fanden offenbar rituelle Handlungen statt, die sich wahrscheinlich durch eine Bestattung unter dem Fußboden des Raumes begründen (Abb. 14).

Die Besiedlung in Bassetki in neuassyrischer Zeit (900-600 v. Chr.)

Zwar ist die Erforschung der neuassyrischen Besiedlung von Bassetki nicht Teil des DFG Forschungsvorhabens, dennoch sind einige Befunde erwähnenswert, die im Zuge der Ausgrabungen zu Tage traten. Neben drei neuassyrischen Phasen, die anhand der architektonischen Befunde in Grabungsbereich C erfasst wurden, konnte in der Unterstadt in Grabungsbereich D ein großes neuassyrisches Gebäude freigelegt werden. Dieses Gebäude hatte sich zuvor in der Geomagnetik deutlich abgezeichnet, allerdings wurde zunächst, aufgrund der Oberflächenkeramik eine Datierung in die Mittlere Bronzezeit angenommen. Dieses große, im Zuge der Ausgrabungen anhand der Keramik als neuassyrisch identifizierte Gebäude D-XXII besitzt einen für diese Periode typischen Grundriss, weist aber unübliche Bautechniken auf. Die Steinmauern des Hauses stehen bis zu einer beträchtlichen Höhe an, oberhalb derer Lehmziegelmauern errichtet worden waren.

 

Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Aktenzeichen: PF 275/30-1

Veröffentlichungen:
P. Pfälzner – H.A. Qasim (2017), The first and second season of German-Kurdish excavations at Bassetki in 2015 and 2016, ZOrA 10, 10-43.

P. Pfälzner – H.A. Qasim – P. Sconzo – I. Puljiz (2017), Report on the first season of German-Kurdish excavations at Muqable in 2015, ZOrA 10, 44-96.

Pfälzner, P. – Qasim, H. A., (2018), Urban Developments in Northeastern Mesopotamia from the Ninevite V to the Neo-Assyrian Periods. Excavations at Bassetki 2017, Zeitschrift für Orient-Archäologie 11, 42–87.

Pfälzner, P. – Qasim, H. A. (2020), From Akkadian Maridaban to Middle Assyrian Mardama. Excavations at Bassetki in 2018 and 2019, Zeitschrift für Orient-Archäologie 13, 12-73.
Pfälzner, P. – Faist, B. (2020), Eine Geschichte der Stadt Mardama(n) , in J. Baldwin – J. Matuszak: mu-zu an-za3-še3 kur-ur2- še3 ḫe2-gal2 Altorientalistische Studien zu Ehren von Konrad Volk, dubsar 17, Münster, 347-389.