Institut für islamisch-religionspädagogische Forschung (IIRF)

Das Institut für islamisch-religionspädagogische Forschung (IIRF) ist ein Institut, das am Zentrum für Islamische Theologie der Universität Tübingen angesiedelt ist und analog zu den Forschungsinstituten EIBOR und KIBOR (Evangelisches und Katholisches Institut für Berufsorientierte Religionspädagogik) konzipiert ist. Im deutschsprachigen Raum stellt ein solches Forschungsinstitut mit seiner kooperativen Verankerung ein Alleinstellungsmerkmal dar, das durch die bereits strukturell und institutionell etablierte Zusammenarbeit der drei Religionspädagogiken eine hohe inhaltliche und methodische Kompetenz und Reichweite besitzt.

Die Leitung des Forschungsinstituts liegt bei Prof. Dr. Fahimah Ulfat, Professur für Islamische Religionspädagogik am Zentrum für Islamische Theologie. Die operative Tätigkeit und ihre Koordination wird durch Mitarbeiter*innen der Professur sowie des Forschungsinstituts wahrgenommen.

Das Forschungsinstitut widmet sich folgenden Aufgabenschwerpunkten:

  1. Wissenschaftliche Begleitung, Erforschung und Weiterentwicklung des Islamischen Religionsunterrichts aus den Perspektiven der Theologie, Psychologie, Pädagogik und Erziehungswissenschaft in allen Schulformen in Baden-Württemberg. Vorbereitende Arbeiten zur Einführung des Islamischen Religionsunterrichts an Beruflichen Schulen,
  2. Stärkung des bereits existierenden kooperativen Tübinger Modells der drei Religionspädagogiken durch interdisziplinäre fachliche Veranstaltungen, gemeinsame Forschungsvorhaben und die Erstellung und Erprobung von interkulturellen und interreligiösen Unterrichtsmodellen und -materialien,
  3. Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte, Erzieher*innen, Studierende, Multiplikator*innen und wissenschaftlich Arbeitende,
  4. Beratung und Begleitung von Tätigen in religionsbezogenen sozialpädagogischen Handlungsfeldern (Erzieher*innen, Seelsorger*innen, Mitarbeiter*innen in der Jugendhilfe, (Schul-)Sozialarbeiter*innen, etc.),
  5. Veröffentlichungen zu den genannten Schwerpunkten.

Die Arbeit in allen Aufgabenbereichen zielt auf eine enge Vernetzung zwischen Theorie und Praxis. Das Forschungsinstitut soll in der Lage sein, schnell und wissenschaftlich fundiert auf gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren. Ergebnisse und Erkenntnisse werden durch Veranstaltungen, Publikationen, Fortbildungen und Internetpräsenz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in die Zivilgesellschaft hineingetragen. Diese Aufgaben und Ziele des Forschungsinstituts entsprechen den Zielen des Zukunftskonzepts der Universität Tübingen „Research – Relevance – Responsibility“.


Kooperationen

Das Forschungsinstitut ist eingebunden in einem inneruniversitären interreligiös-kooperativen Forschungsverbund für religiöse Bildung mit dem Evangelischen und Katholischen Institut für Berufsorientierte Religionspädagogik und den Lehrstühlen bzw. religionspädagogischen Abteilungen der Evangelisch-theologischen und der Katholisch-theologischen Fakultäten der Universität Tübingen. Darüber hinaus ist das Forschungsinstitut in eine inneruniversitäre Kooperation mit der empirischen Bildungsforschung eingebunden. In diesem Rahmen wird überdies auch mit anderen Fachdidaktiken im Hinblick auf Forschungsprojekte kooperiert.


Internationalisierung

Ein besonderes Potenzial der Islamischen Religionspädagogik liegt im Bereich der Internationalisierung. Die islamische Religionspädagogik steht vor der Herausforderung, sich als Forschungsdisziplin so zu etablieren, dass die theoretischen und empirischen Ergebnisse, die sie hervorbringt, sowie ihre Anwendbarkeit in der Praxis von internationaler Bedeutung sind. Das Forschungsinstitut wird im Rahmen der Internationalisierungsstrategie der Universität Tübingen den internationalen Wissenstransfer im Bereich der Islamischen Religionspädagogik aktiv fördern, indem internationale Forschungs- und Verbundprojekte initiiert und durchgeführt werden.


Aufgabenfelder

Die Aufgabenfelder umfassen die Bereiche Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit.

Unterrichtsforschung, -evaluation und -entwicklung

Der Islamische Religionsunterricht, der seit 1999 als Modell- oder Schulversuch in einigen Bundesländern eingeführt wurde, ist im Begriff, sich als reguläres Fach zu etablieren. In diesem Entwicklungsprozess spielen die Fragen der Qualitätssicherung und der Bestimmung von Qualitätskriterien die entscheidende Rolle für die Weiterentwicklung des Faches. Bislang stand im Rahmen von wissenschaftlichen Evaluationen des Islamischen Religionsunterrichts die bedeutsame Frage nach der Akzeptanz und Integrationswirksamkeit im Fokus.

Der Islamische Religionsunterricht als relativ junges Fach steht vor der Herausforderung, die Qualität des Unterrichts, die Curricula, die Eignung der Lehrmittel und Unterrichtsmaterialien, die theologische und pädagogische Professionalität der Lehrkräfte, die Auswirkungen des Unterrichts auf die Fähigkeiten, Fertigkeiten, Haltungen und Einstellungen der Schüler*innen sowie sonstige Effekte des Unterrichts empirisch zu erheben, um sicherzustellen, dass sie einen Beitrag zur Bildung leisten und der Lebenssituation junger Muslim*innen in Deutschland gerecht werden. Aufgabe des Forschungsinstituts ist es, diesen Prozess kontinuierlich wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren, um damit einen entscheidenden Beitrag zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Unterrichtsfachs zu leisten.

Im zweiten Schritt müssen die Ergebnisse der empirischen Unterrichtsforschung Eingang in die Aus-, Fort- und Weiterbildung der muslimischen Religionslehrer*innen finden. Für die Qualität des Islamischen Religionsunterrichts ist die Qualität der Ausbildung von Religionslehrkräften entscheidend. Dabei geht es um die Frage, welche konkreten Kompetenzen in der Zeit der ersten Phase (Studium) über die zweite Phase (Referendariat) bis hin zur dritten Phase (Fort- und Weiterbildung) erworben, entwickelt und gefestigt werden sollen. Im Unterschied zu den Standards für die Lehrer*innenausbildung, die die beiden großen Kirchen auf religionspädagogischer Grundlage verfasst haben und die in die Vorgaben der Kultusministerkonferenz eingegangen sind, gibt es auf muslimischer Seite noch keine entsprechenden Standards. Die muslimische Religionslehrer*innenbildung muss eine Qualität erreichen, die mit der Lehre*innenbildung aller anderen Fächer auf Augenhöhe steht. Für dieses Ziel sind Standards für die Ausbildung und die Professionalität von muslimischen Religionslehrkräften in besonderem Maße notwendig. Das Forschungsinstitut setzt sich zum Ziel, auf der Grundlage von empirischen Forschungen und bildungstheoretischen Überlegungen, die die gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen einer stark pluralisierten Gesellschaft in den Blick nehmen, solche Standards zu entwickeln und in die Ausbildung einzuspeisen.

Interreligiöse Kooperation

Die drei Tübinger Religionspädagogiken (evangelisch, katholisch, islamisch) kooperieren bereits seit geraumer Zeit sowohl in der Forschung als auch in der Lehre. Im Bereich der Lehre wird jedes Wintersemester ein gemeinsames Seminar angeboten, das sich verschiedenen religionspädagogischen Themen widmet, die aus den drei unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Die Studierenden erhalten die Chance, in einen intensiven Austausch mit ihren Kommiliton*innen einzutreten und dabei Religionsunterricht zu planen und zu gestalten. Zudem können sie entweder interreligiöse Unterrichtseinheiten an einem Gymnasium in Tübingen beobachten und auswerten oder selbst eine interreligiöse Unterrichtseinheit an der Schule durchführen und analysieren. Von den interreligiösen Seminaren und Unterrichtseinheiten profitieren die Studierenden enorm für ihre zukünftige praktische Tätigkeit in einer Gesellschaft, die durch kulturelle und religiöse Vielfalt geprägt ist. Allerdings steckt die interreligiöse Kooperation im Religionsunterricht noch in den Kinderschuhen. Seine wissenschaftliche Begleitung und Weiterentwicklung wird Aufgabe dieses Forschungsinstituts in Kooperation mit den Schwesterinstituten EIBOR und KIBOR sein. Im Bereich der Forschung werden gemeinsame empirische Projekte geplant und durchgeführt, die für die interreligiöse Bildung und Verständigung grundlegend sind. Ein Bereich, in dem aktueller Forschungsbedarf besteht, wäre beispielsweise die Herausforderung durch Intoleranz und Antisemitismus an Schulen.

Fort- und Weiterbildung

In Abstimmung und ggf. Kooperation mit den Schwesterinstituten EIBOR und KIBOR sowie den pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg werden Fort- und Weiterbildungen in unterschiedlichen Formaten durchgeführt. Studientage, Symposien, Fachtagungen und Kongresse wenden sich an Lehrkräfte, Erzieher*innen, Studierende, Multiplikator*innen und wissenschaftlich Arbeitende in diesem Bereich.

Beratung, Begleitung

Viele aktuelle Probleme der Schüler*innen reichen weit über den schulischen Bereich im engeren Sinne hinaus in das soziale und familiäre Umfeld und allgemein in ihre alltägliche Lebenswirklichkeit. Daher sind auch in religionsbezogenen sozialpädagogischen Handlungsfeldern die empirischen Erkenntnisse und theoretischen Überlegungen des Forschungsinstituts von großem Nutzen. Das Institut bietet deshalb unterschiedliche Formen der Beratung, Begleitung und Fortbildung auch über den engeren schulischen Kontext hinaus für alle Personenkreise an, die in diesen Feldern betreuend und beratend tätig sind, also beispielsweise Erzieher*innen, Seelsorger*innen, Mitarbeiter*innen in der Jugendhilfe, (Schul-)Sozialarbeiter*innen, etc.

Thematische Veröffentlichungen und Vorarbeiten

  • Ulfat, Fahimah (2022): Forms of Muslim Children’s Spirituality: A Critical Contribution to the Didactics of Islamic Religious Education Studies. Leiden: Brill. (= Studies in Critical Pedagogy, Theology, and Spirituality).
  • Ulfat, Fahimah (2022): Was „Christ:innen“ in den Augen muslimischer Jugendlicher ausmacht. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft.
  • Ulfat, Fahimah (2022): Muslimische Jugendliche und ihr Verhältnis zu religiösen Normen. In: Ulfat, Fahimah/Khalfaoui, Mouez/Nekroumi, Mohammed (Hg.): Normativität des Korans im Zeichen gesellschaftlichen Wandels - Theologische und religionspädagogische Perspektiven. Baden-Baden: Nomos. S. 117–136.
  • Ulfat, Fahimah (2022): Intersektionale Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit von jungen Muslim:innen in Deutschland und ihr Potenzial für das interreligiöse Lernen. In: inrev - Inklusive Religionspädagogik der Vielfalt. Online unter: https://inrev.de/religioese-diversitaet/.
  • Ulfat, Fahimah (2022): Einstellungen, muslimische Religionslehrkräfte. In: Das wissenschaftlich-religionspädagogische Lexikon im Internet.
  • Schweitzer, Friedrich/Boschki, Reinhold/Ulfat, Fahimah (2022): Kooperative Formate im Religionsunterricht über das Christentum hinaus. In: Religionspädagogische Beiträge 45, S. 121–133.
  • Ulfat, Fahimah/Ghandour, Ali (Hg.) (2021): Sexualität, Gender und Religion in gegenwärtigen Diskursen: Theologie, Gesellschaft und Bildung. Wiesbaden: Springer VS.
  • Schweitzer, Friedrich/Ulfat, Fahimah (2021): Dialogisch – kooperativ – elementarisiert. Interreligiöse Einführung in die Religionsdidaktik aus christlicher und islamischer Sicht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.