Räume der Angst im Roman zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Wissensspiegelungen, Umbewertungen, Neukonzeptionen

Gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung (2006–2007) sowie das Exzellenzcluster 'Languages of Emotion', FU Berlin (2008–2010).

Ausgehend von dem dominanten angstlosen Helden der mittelalterlichen Erzählliteratur untersucht das Projekt, inwiefern sich die Angstdarstellungen gegen diese Voraussetzung als ebenso nachhaltiges wie subtiles Prinzip der Figurensteuerung erweisen, das einerseits die anthropologisch geprägten Angstszenarien der Zeit auffängt und neucodiert, andererseits – keineswegs im stringenten Procedere, insgesamt aber zunehmend – in den impliziten Rezeptionsanweisungen für den Hörer/Leser zu einem Medium der Einübung von Angstgefühlen, Angst-haben-dürfen, Angstbewältigung wird.


Über Untersuchungen der historischen Semantik, Funktionsanalysen auf der Ebene der Figurenzeichnung sowie über eine kulturwissenschaftlich orientierte Reflexion in Auseinandersetzung mit der theologisch-philosophischen Affektenlehre des Mittelalters ebenso wie mit den Ansätzen der modernen kognitiven Emotionstheorie werden die Voraussetzungen und narrativen Konstituenten der jeweiligen Angstsemantik und -inszenierung im literarhistorischen Prozess einer Gattung an ausgewählten deutschsprachigen Beispielen vom 12. bis zum 16. Jahrhundert verfolgt.


Ziel ist es, vom literarischen Paradigma aus die Relation zwischen sprachlicher Modifikation und Emotionstransformation in historischer Perspektive in den Blick zu rücken und damit aufzuzeigen, inwiefern durch sprachlich-literarische Modifikationen selbst starr erscheinende kulturelle Emotionsmuster aufgebrochen und 'überholt' werden können.

Nähere Informationen zum Exzellenzcluster 'Languages of Emotion' finden sich hier.

Projektleiterin:
Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter

Werkaufträge:
Franziska Hammer
Piroschka Kuhn
Dr. Claudia Lauer


Publikationen des Forschungsprojekts (Auswahl)

Herausgeberschaft

- Annette Gerok-Reiter, Sabine Obermeier (Hgg.), Angst und Schrecken im Mittelalter. Ursachen, Funktionen, Bewältigungsstrategien in interdisziplinärer Sicht, Berlin 2007 (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 12.1).

Link: Zum Buch


Aufsätze

- Annette Gerok-Reiter, Die Angst des Helden und die Angst des Hörers. Stationen einer Umbewertung in mittelhochdeutscher Epik, in: Annette Gerok-Reiter, Sabine Obermeier (Hgg.), Angst und Schrecken im Mittelalter. Ursachen, Funktionen, Bewältigungsstrategien, Berlin 2007 (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 12.1), S. 127–143.

- Annette Gerok-Reiter, Sabine Obermeier, Angst und Schrecken als kulturelle Matrix. Einleitung, in: Annette Gerok-Reiter, Sabine Obermeier (Hgg.), Angst und Schrecken im Mittelalter. Ursachen, Funktionen, Bewältigungsstrategien, Berlin 2007 (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 12.1), S. 3–6.

- Annette Gerok-Reiter, Die Rationalität der Angst: Neuansätze im Fortunatus, in: Wolfgang Haubrichs, Eckart Conrad Lutz, Klaus Ridder (Hgg.), Reflexion und Inszenierung von Rationalität in der mittelalterlichen Literatur. Blaubeurer Kolloquium 2006, Berlin 2008 (Wolfram-Studien 20), S. 273–298.

- Annette Gerok-Reiter, Kindheitstopoi in Gottfrieds Tristan. Anspielungen, Überlagerungen, Subversionen, in: Dorothee Elm, Thorsten Fitzon, Kathrin Liess, Sandra Linden (Hgg.), Alterstopoi. Das Wissen von den Lebensaltern in Literatur, Kunst und Theologie, Berlin / New York 2009, S. 113–136.

- Annette Gerok-Reiter, angest/vorhte – literarisch. Möglichkeiten und Grenzen der Emotionsforschung zwischen Text und Kontext, in: Daniela Hammer-Tugendhat, Christina Lutter (Hgg.), Emotionen, Bielefeld 2010 (Zeitschrift für Kulturwissenschaften 2), S. 15–22.

- Annette Gerok-Reiter, Angst – Macht – Ohnmacht. Emotionscrossing in Hartmanns Erec?, in: Ingrid Kasten (Hg.), Machtvolle Gefühle, Berlin / New York 2010 (Trends in Medieval Philology 24), S. 218–245.

- Annette Gerok-Reiter, Die Figur denkt – der Erzähler lenkt? Sedimente von Kontingenz in Veldekes Eneasroman, in: Cornelia Herberichs, Susanne Reichlin (Hgg.), Kein Zufall. Konzeptionen von Kontingenz in der mittelalterlichen Literatur, Göttingen 2010 (Historische Semantik 13), S. 131–153.

- Annette Gerok-Reiter, Tradition und Transformation. Polyphone Wissensfigurationen in der Historia von D. Johann Fausten, in: KulturPoetik 11.1 (2011), S. 1–20.