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Kochkunst und Medizin - Der Liebesapfel

Ein guter Koch ist ein guter Arzt.

Deutsches Sprichwort

Wer sich mit alten Kochbüchern beschäftigt, entwickelt oft schnell Freude an kuriosen Rezepten und Essgewohnheiten vergangener Zeiten. Da die Kochkunst eine der ältesten und verbreitetsten Kulturtechniken ist, enthalten Kochbücher mehr als kulinarische Informationen. Volkskunde, Mythologie, Religion, Medizin: alles fließt in die Rezepte ein. Rezepte für die Zubereitung von Speisen entwickelten sich mit der Zeit und wurden immer wieder dem individuellen Geschmack neu angepasst. Die Menschheit erwarb peu à peu ein umfangreiches Erfahrungsgut in Bezug auf Nahrungsmittelverwertung, das weitergegeben, verändert und manchmal vergessen oder wiederentdeckt wurde. Neu entdeckte Lebensmittel förderten die Experimentierfreude, Klimawandel und Kultivierung veränderten wiederum die Lebensmittel. Rezepte wurden bereits schriftlich fixiert, als Lesen und Schreiben noch einer kleiner Gruppen von Menschen vorbehalten war. Mit steigender Alphabetisierung und schließlich durch den Buchdruck wurden
Kochrezeptsammlungen immer weiter verbreitet.

Doch wieso wurden bereits so früh Rezepte niedergeschrieben und ihnen dementsprechend eine hohe Bedeutung zugemessen?
Neu erworbene Kenntnisse sollten für die Nachwelt festgehalten werden, da man ihnen bleibenden Wert und Nutzen beimaß.

„Dem „Recipe“ des Arzneirezeptes im engeren Sinn entspricht am Anfang des Kochrezeptes wohl ein schlichtes ‚Nimm‘.“

Die Verfasser von Kochbüchern waren oft Berufsköche oder Ärzte. Alte Kochbücher spiegeln somit verschiedene ärztliche Lehrmeinungen wider oder enthalten häufig Hinweise aus dem Bereich der Heilkunde. In dieser Beziehung hatte die Zubereitung von Speisen die Aufgabe, das Gleichgewicht im Körper herzustellen und ihm fehlende Kräfte zuzuführen. Daher galten in der Krankenfürsorge Nahrungsmittel als Therapeutika. Rezeptbücher unterschieden oft nicht zwischen Speisen und Heilmitteln. Zusätzlich zu ärztlichen Gesundheitstipps hatten Mode, Geschmack und geographische Entdeckungen einen großen Einfluss auf die europäische Küche. Geschäftstüchtige Menschen förderten außerdem bestimmte Genussmittel unter dem Vorwand, diese seien besonders gesundheitsfördernd.

Neue Produkte aus fernen Ländern waren zunächst teuer und exklusiv.

Die Entdeckungen Amerikas und des Seewegs nach Ostindien veränderten den Speiseplan aller Europäer:innen dennoch nachhaltig.

Ein Beispiel dafür ist der Goldapfel: die Tomate.

Nach der Entdeckung Amerikas nach Europa importiert galt sie zunächst als giftig. So erklärt sich, dass sie erst im 19. Jahrhundert in Kochbüchern auftauchte.  Im Laufe der Zeit aber wurde der Liebesapfel als Zutat immer beliebter. In manchen Kulturen galt die Tomate zwar weiterhin als Teufelskraut, in anderen Gegenden wurde sie allerdings bereits als Aphrodisiakum verwendet.
Diese kulturellen Unterschiede spiegeln sich auch in den unterschiedlichen Namen wider: "Pomme d'amour" in Frankreich und "Paradiesfrucht" – teuflische Verführerin bei Adam und Eva – im deutschsprachigen Raum.

Quellen

Literatur

  • Menzzer, Johann Philipp Bodo. Neues medicinisches Kochbuch : für Kranke, Genesende und selbst Gesunde, welche Wünschen ihr Leben verlängert zu wissen: Zum practischen Gebrauche für Aerzte und gebildete sorgsame Hausmütter. Bd. 2, Heyse, 1820. S. 178 – 179. Universitätsbibliothek Tübingen: Jc 3-2
  • Wiswe, Hans und Eva Hepp. Kulturgeschichte der Kochkunst: Kochbücher und Rezepte aus zwei Jahrtausenden. Moos, 1970