Allzu lang ist es noch nicht her, dass man aus dem Urlaub oder zum Geburtstag eine Postkarte schrieb, bevor man heute eher zum Smartphone greift. Doch auch die Postkarte hat eine Erfolgsstory, die im 19. Jahrhundert begann - denn vor der Postkarte waren geschlossene Briefe üblich, die überwiegend von „gebildeten“ Personen geschrieben wurden.
Nach anfänglicher Sorge um das Briefgeheimnis wurde im Jahr 1869 die erste „Correspondenzkarte“ der Welt in Österreich-Ungarn herausgegeben und mit einer Zwei-Kreuzer-Marke frankiert. Das Porto für einen Brief kostete damals 15 bis 20 Kreuzer. Eine kurze Nachricht war plötzlich „für alle“ erschwinglich und formulierbar. Im Zuge der Industrialisierung, den Arbeitsplätzen fern von zu Hause und der neuen Reisemöglichkeit mit der Eisenbahn bestand ein enormes Bedürfnis, den Daheimgebliebenen ein paar Zeilen zu schicken. Die Zahl der von deutschen Soldaten während des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) portofrei verschickten Feldpostkarten stieg in kurzer Zeit in die Millionen.
Die äußere Erscheinung der „Postkarte“, wie sie ab 1872 offiziell genannt wurde, war zuerst ohne Bebilderung. Die bereits vorhandenen Drucktechniken ließen nicht lange auf lithographierte Karten und Lichtdrucke warten, in den 1890er Jahren kamen echte Fotografien hinzu. Üblicherweise war die komplette Rückseite der Karte für die Adresse vorgesehen. Die Nachricht selbst wurde vorne um das Bild herum geschrieben. Erst 1905 wurde die Rückseite zweigeteilt, und das Motiv nahm die ganze Vorderseite ein. Noch im selben Jahrhundert explodierte der Bildpostkartenmarkt förmlich und ein neues Hobby war geboren: das Postkarten sammeln. Die kleine Sammlung von 514 Postkarten der UB Tübingen stammt überwiegend aus der Zeit um 1895-1935, denn auch in Tübingen sprangen mehrere Inhaber von Schreibwarengeschäften auf den Postkartenboom an. Im Zugangsverzeichnis der UB aus dem Jahr 1904 ist zu lesen, daß es sich dabei um Geschenke der Verleger handelte.
Allen voran sollen die Gebrüder Metz genannt werden, die nach der Übernahme des väterlichen Buchbinder- und Schreibwarenladens im Jahr 1896 anfingen, eigene Postkarten mit Ansichten von Südwestdeutschland herzustellen. Sie beschäftigten dafür einige Fotografen, die im ganzen Land unterwegs waren. Der Verlag von Heinrich und Gustav Metz existierte fast 90 Jahre und hatte seinen Sitz in der „Villa Metz“ in der Hechinger Straße. Das riesige Archiv des Postkartenverlags mit dem Kartenaufdruck „Gebr. Metz“ wurde 1991 vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart käuflich erworben.
Der Verleger Heinrich Sting hatte sein 1892 gegründetes Geschäft in der Mühlstraße 6 und verkaufte dort Papier- und Schreibwaren. Außerdem konnte man bei ihm „Reise-Artikel, feine Lederwaren, Linoleum und Teppiche…“ und „Ansichtspostkarten in großer gediegener Auswahl“ bekommen.
Fritz Schuler betrieb sein Papier- und Tapetengeschäft seit 1880 in dem Eckhaus Hafengasse 11. Hinzu kam die Gründung seines Postkartenverlags kurz vor der Jahrhundertwende. Sein Geschäft verkaufte er aber 1902 an seinen Neffen Fritz Schimpf senior, der wiederum im Jahr 1904 dieses Geschäft in die noch heute bekannte Adresse Am Lustnauer Tor 1 umzog.
Unter den Kartenmotiven gibt es außer den Gesamtansichten Tübingens viele Karten mit Detailansichten und bunt verzierte Collagen aus der Altstadt, Universitätsgebäuden, Blicke in Gassen und auf Häuser, die es längst nicht mehr gibt. Nicht zu vergessen die Ansichten vom Neckar und die Postkarten der studentischen Verbindungshäuser mit ihren Wappen.
Die 514 Postkarten in vier Postkartenalben und einer Mappe sind alle digitalisiert und online.
Quellen: