Erfahrungsbericht eines Kollegiaten
Nach einem kurzen und vorsichtigen "Abtasten" und Kennenlernen derjenigen Gruppe, der ich für ein gutes Jahr angehören würde, ging es in der Woche vor Semesterbeginn gleich zur Sache: Kosmologie - Evolution - Geschichte, daran sollten wir arbeiten. Bezüglich Vorkenntnissen sah es bei mir - zumindest was Kosmologie und Evolution anging - eigentlich recht mau aus. Würde ich mitreden können?
Doch fehlende Grundlagenkenntnisse wurden schnell vermittelt; und in was für einem Tempo: In einer Stunde ging es mitunter durch das gesamte Universum und zurück. Vom Kleinsten bis ins Größte.
Natürlich verstand ich vieles nicht, aber beeindruckend war es trotzdem. Mir wurde eine Lektion im Staunen erteilt, um dann das Recht aufs Staunen als einer der Physik fremden Kategorie abgesprochen zu bekommen. Und jeder Versuch einer Rechtfertigung des Staunens stand sogleich unter dem Verdikt, den mir so ideal, ja gar wunderbar erscheinenden Ordnungsgefügen und Gesetzmäßigkeiten des Kosmos eine der physikalischen Fachdisziplin unangemessene, vielleicht sogar falsche Sinndeutung abgewinnen zu wollen.
Doch mit dieser Kontroverse war man schon mitten im Thema. Und der letzte Zweifel, ob ich als Fachfremder überhaupt etwas Qualifiziertes sagen könnte, wich spätestens, als ich feststellte, dass sich die Gruppendiskussionen interessanterweise weniger um explizit kosmologische oder evolutionäre Themen als vielmehr um deren implizite Voraussetzungen, um deren Geltungsansprüche und Interpretationen drehten
An Widerspruch mangelte es in unserer Gruppe selten. Doch das scheint mir der Reiz des Studienkollegs zu sein: Die eigene Fachdisziplin, deren Inhalte, Modelle und Methoden, auf den Prüfstand anderer Fachbereiche zu stellen und dabei - den Dunstkreis der eigenen Fachspezifik übersteigend - interdisziplinär sprachfähig zu werden.
Matthias Baum