Religion und Weltanschauung im wissenschaftlichen Zeitalter
Die Beziehung von Wissenschaft und Religion wird in aller Regel als konträr beschrieben. Historisch beginnt dieses Gegensatzbewusstsein mit dem Umbruch des Spätmittelalters zur Neuzeit. Im Zuge der Säkularisierung, so die Annahme, habe die Wissenschaft der Religion die Deutungshoheit endgültig entrissen. Werden in der Öffentlichkeit aber existenziell relevante Fragen verhandelt, dann prallen wissenschaftliche und religiöse Weltanschauungen derart aufeinander, dass diese Annahme zumindest fraglich erscheint. Die Religion im Zeitalter von Säkularisierung und Modernisierung nur auf dem Rückzug zu sehen, scheint eine vorschnelle Diagnose zu sein, ist doch das Angebot an metaphysischen Deutungsangeboten in der Moderne eher gestiegen. Klassische Religionen werden um alternative Weltanschauungen ergänzt. Letztere positionieren sich zum Teil bewusst in Abgrenzung zu Wissenschaft, bis hin zu Verschwörungstheorien, die gänzlich inkompatible Interpretationen der Wirklichkeit bieten.
Im Studienkolleg wollen wir dem Verhältnis von Wissenschaft und Religion auf den Grund gehen und fragen, wie und ob sich ihre Welt- und Menschenbilder grundsätzlich voneinander unterscheiden und in welcher Hinsicht sie kompatibel sind.
Welche Geltungsansprüche gehen mit Wissenschaft und Religion einher? Welchen Unterschied macht es, ob wir (nur) auf die subjektive Bedeutung, die Religion im Leben einer Person spielt, verweisen oder aber enger und begrifflich genauer Religion als Theismus verstehen?
Als Naturwesen fragen wir nach der „Rationalität“ religiöser Überzeugungen und können versuchen, Religion als evolutionäres Produkt zu verstehen. Ebenso können wir als Kulturwesen Religion als ein menschlich-kulturelles Phänomen in den Blick nehmen. Was bedeutet das für unser Thema? Muss man die Beziehung von Wissenschaft und Religion anders ausbuchstabieren, in Abhängigkeit davon welche der drei verschiedenen theistischen Religionen (Christentum, Judentum und Islam) man in den Blick nimmt? Was ändert sich, wenn wir zusätzlich auf den Buddhismus oder Hinduismus blicken?
Zentrale Fragen und Aspekte, die während des Kollegjahres behandelt werden, sind
- Was sind genau die Geltungsansprüche, die Wissenschaft und Religion erheben?
- Rationalität religiöser Überzeugungen. Wie werden diese erkenntnistheoretisch abgesichert?
- Verhältnis von Evolutionstheorie und Kosmologie zu Religion
- Religion und das Selbstverständnis des Menschen
- Rolle des Glaubens in einer säkularisierten Welt
In jedem Block wird eine Vielzahl verschiedener Disziplinen sowohl aus den Natur- wie auch aus den Sozial- und Geisteswissenschaften zu Wort kommen.
Programmablauf
Das Studienkolleg ist eine Präsenzveranstaltung. Sie sollten also hierfür in Tübingen anwesend sein. Das Studienkolleg läuft parallel zum Fachstudium und setzt sich aus Seminar- und Vortragsveranstaltungen zusammen. Im Zentrum stehen eigene Forschungsprojekte, an denen die Kollegiatinnen und Kollegiaten während der Dauer des Studienkollegs in interdisziplinär zusammengesetzten Teams arbeiten.
Die Elemente des Programms im Einzelnen:
- Auftaktakademie 11.-15. Oktober 2021
- Wöchentliche Vortragsreihe namhafter Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (voraussichtlich Mittwoch Abend , 19 Uhr)
- Wöchentliches Lektüreseminar während des Semesters (Termin nach Absprache)
- Drei Wochenendseminare (November, Januar, April)
- Projektgruppen, in denen die Teilnehmenden in interdisziplinär besetzten Gruppen das ganze Jahr über zu eigenen Themen arbeiten
- Abschlusstagung
Bewerbung
Interessierte Studierende aller Fächer laden wir herzlich dazu ein, sich zu bewerben. Die Bewerbung ist formlos. Sie umfasst:
- Einen einseitigen tabellarischen Lebenslauf
- Eine Kopie des Zwischenprüfungszeugnisses oder entsprechender Äquivalente
- Ein ein- bis zweiseitiges Motivationsschreiben
Bewerbungsfrist: 15. Juli 2021
Die Auswahl der Teilnehmenden erfolgt auf Grundlage der schriftlichen Unterlagen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!