Bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Japan kein sprachliches Mittel, um den modernen Begriff von „Religion“ zum Ausdruck zu bringen, wie sich deutlich zeigte, als Japan beim Abschluss der Handelsverträge mit den Westmächten in den 1850er Jahren dazu gezwungen war, Vertragsklauseln, die dieses Wort enthielten, zu übersetzen. Im Zuge der 1870er Jahre setzte sich als Übersetzungswort „shūkyō“ durch. Zugleich mit dem neuen Begriff hielt auch eine neue Wissensordnung um den Begriff „Religion“ herum Einzug: Einheimische Phänomene wurden diesem Begriff untergeordnet oder aus dessen Sphäre ausgeschlossen, mit zum Teil erheblichen Konsequenzen, wie die Erfahrung des Staats-Shintō deutlich macht.
Doch die neuerdings, prominent etwa von dem japanischen Religionswissenschaftler Isomae Jun’ichi, vertretene Meinung, erst der vom Protestantismus geprägte moderne Religionsbegriff mit seiner Trennung in einen innerlichen Glauben, der der Privatsphäre angehöre, und einer Moral, die öffentlich oder Angelegenheit des Staates sei, habe die Entstehung des Staats-Shintō ermöglicht, wird problematisch im Lichte der Religionspolitik der Edo-Zeit. Auch diese beruhte nämlich teils schon auf einer Trennung zwischen privatem Glauben, in den sich das bakufu und die han nicht eingemischt haben, und einer Sphäre öffentlicher Religionsausübung, die stark reglementiert wurde.
Tatsächlich lässt sich feststellen, dass schon die erste Begegnung mit dem Christentum im 16. und 17. Jahrhundert zu einer begrifflichen Weiterentwicklung führte, in deren Zuge insbesondere hō und shū sowie diese Zeichen beinhaltende Komposita zunehmend benutzt wurden, um Religionen in einem übergreifenden und vergleichenden Sinne zu bezeichnen, nämlich v.a. Buddhismus und Christentum. Interessanterweise wurden beide Begriffe fast nie für den Konfuzianismus benutzt und für den Shintō nur in Zusammenhängen, in denen dessen Kommensurabilität mit dem Buddhismus herausgestellt werden sollte.
An diese terminologische Tradition nun konnte in der frühen Meiji-Zeit angeknüpft werden, wie sich besonders deutlich am Beispiel mehrerer reformorientierter buddhistischer Priester der Jōdo Shinshū zeigen lässt. Es scheint demnach kein Zufall gewesen zu sein, dass ausgerechnet shūkyō sich unter zahlreichen möglichen Kandidaten durchsetzen konnte, war shū doch für die religiösen Experten zur Mitte des 19. Jahrhunderts klar mit dieser komparatistischen terminologischen Tradition verbunden. So kann zusammenfassend argumentiert werden, dass ein allgemeiner Begriff von Religion im Sinne eines im Singular zu gebrauchenden kategorialen Allgemeinbegriffs sich in Japan zwar erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausbildete, dieser aber Vorläufer hatte in der Edo-Zeit in Gestalt mehrerer Begriffe, die im Sinne eines Oberbegriffs für Religionsgruppen („Religionen“ im Plural) gebraucht worden waren. Zur logischen oder historischen Verbindung zwischen diesen beiden zu unterscheidenden Allgemeinbegriffen von Religion ist auch für Europa wenig gearbeitet worden, so dass sich hier eine interessante Forschungsperspektive auftut.