Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2022

Vorlesungen

Vorlesung: Ökologische Sozialethik

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Seit den 1970er Jahren und mit wachsender Intensität wird gesellschaftlich bewusst, dass durch Art und Umfang des Wirtschaftens die natürlichen Ressourcen aufgezehrt werden, auf die aber die Menschen nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft angewiesen sind. Wie in den Gegenwartsgesellschaften der Wohlstand produziert, wie er verteilt und »genossen« wird, das untergräbt die Voraussetzungen dafür, dass Menschen in der Gegenwart, erst recht aber in der Zukunft überhaupt in Wohlstand leben können. Dementsprechend sah der Erste Senats des Bundesverfassungsgerichtes in seinem Urteil vom 24. März des vergangenen Jahres den Staat verpflichtet, »Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.« (1. Leitsatz)

Ein nachhaltiger Umgang mit den natürlichen Ressourcen ist aber nur zu haben, wenn die technische Naturbeherrschung und die wirtschaftliche Naturnutzung drastisch eingeschränkt, wenn die Lebensformen der Menschen und die Weise des Wirtschaftens, der Produktion und des Konsums, deutlich verändert werden. Diese ökologische Frage ist zugleich eine soziale Frage – und kann deshalb weder richtig gestellt, geschweige denn: überzeugend beantwortet werden, wenn der nachhaltige Umgang mit der »Natur« nicht als eine Forderung der Gerechtigkeit zwischen Menschen begründet und entsprechend orientiert wird. Die dazu notwendige Vermessung der »Umweltfrage« als einer »sozialen Frage« ist Aufgabe einer »Ökologischen Sozialethik«.

Literatur: Ekardt, Felix (2005): Das Prinzip Nachhaltigkeit. Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit. München: Beck; Höhn, Hans-Joachim (2001): Ökologische Sozialethik. Grundlagen und Perspektiven. Paderborn: Schöningh; Ott, Konrad / Dierks, Jan / Voget-Kleschin, Lieske (Hg.) (2016): Handbuch Umweltethik, Stuttgart: J. B. Metzler; Vogt, Markus (2010): Prinzip Nachhaltigkeit. Ein Entwurf aus theologisch-ethischer Perspektive (Hochschulschriften zur Nachhaltigkeit Bd. 39), 2. Aufl., München: Oekom-Verlag. Auf weitere Literatur wird im Verlauf der Vorlesung hingewiesen.

Vorlesung: Grundbegriffe der Sozialethik

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Als ein wissenschaftliches Unterfangen arbeitet die theologische Sozialethik mit besonderen Begriffen, um ihrem Gegenstand, die richtige Ordnung gesellschaftlicher Verhältnisse, zu »begreifen«. Ihre zentralen muss die Sozialethik erstens mit anderen, vor allem mit den sozialwissenschaftlichen Wissenschaftsfächern teilen; zweitens muss sie als Ethik den Anschluss an die Erstnutzung ihrer Begriffe in den politischen Auseinandersetzungen halten. Mit einer doppelten Aufmerksamkeit auf die Begriffswelten »außerhalb« der Sozialethik sollen in der Vorlesung deren zentrale Begriffe, wie Gesellschaft und Gerechtigkeit, Inklusion und Solidarität, vorgestellt werden.

Literatur: Anzenbacher, Arno (1998): Christliche Sozialethik. Paderborn: Schöningh 1998. Hübenthal, Christoph/Wils. Jean-Pierre (Hg.) (2006): Lexikon der Ethik, Paderborn: Schöningh. Schwietring, Thomas (2011): Was ist Gesellschaft? Einführung in soziologische Grundbegriffe, Konstanz: UVK-Verlagsgesellschaft.

Seminare

Hauptseminar: Revolution – Parlament, soziales Milieu – soziale Bewegung. Formen politischer Präsenz des (katholischen) Christentums

Prof. Dr. Möhring-Hesse und Prof. Dr. Holzem (MNKG)

Prof. Dr. Möhring-Hesse und Prof. Dr. Holzem (MNKG)

In der Neuzeit wird (zunächst) in den europäischen Gesellschaften eine antike Idee wieder aufgenommen: Die gemeinsamen Angelegenheiten regeln die Bürger:innen einer Gesellschaft der Gleichen im deliberativen Streit untereinander. Dazu eröffnen sie Arenen der Politik, in denen sie als Bürger:innen Politik treiben und mit- und gegeneinander in Auseinandersetzungen treten. Im Streit der Meinungen und Argumente regeln sie das, was sie gemeinsam betrifft, und vergeben Macht, ihre Gemeinsamkeit durchzusetzen. Dadurch, dass Gesellschaft über Politik »gemacht« und Herrschaft über Politik kontrolliert wird, verändert sich der Einfluss der Kirche auf die Gesellschaft. Sie muss nunmehr in die Arenen der Politik treten, wird dort zur Partei neben anderen Parteien und muss sich dort durchsetzen, um Einfluss zu haben. Für die Christ:innen besteht hingegen die Möglichkeit, ihren Glauben in diesen Arenen selbst zu vertreten und aus eigenem Glauben heraus die mit anderen bevölkerte Gesellschaft zu gestalten. Wie und mit welchen Inhalten Christ:innen und Kirche Politik treiben und wie sie darin ihren Glauben in den politischen Arenen präsent machen, das ist über die Zeit hinweg recht unterschiedlich. In dem interdisziplinären Seminar sollen typische Modelle von »Politik aus dem Glauben« (Erst Michel) im Laufe der Zeit seit Beginn des 19. Jahrhunderts untersucht werden.

Nach der Französischen Revolution und mit dem Anbruch der Moderne erweiterten sich schlagartig die Chancen, an politischen Prozessen teilzuhaben. Mit dem Verlauf der Französischen Revolution hatten sich gleichzeitig im Verhältnis von Christentum und Politik enorme Spannungen aufgebaut. Diese Konstellation sollte in der Revolution von 1848 unbedingt vermieden werden, tauchte aber in der Grundrechtsdebatte der Paulskirche zwangsläufig prominent wieder auf.

Christen, zum größten Teil Männer in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, sahen sich also herausgefordert, Politik von ihrem Verständnis des Christentums her zu gestalten. Katholiken, auch hier zunächst vorwiegend Männer, definierten ihre politische Aufgabe pointiert im Gegensatz zur politischen Moderne, weil sie die Französische Revolution und ihre Folgen als einen generellen Angriff auf Christentum und Kirche deuteten.

Um 1900 jedoch hatte sich gerade durch diese Kontroversen ein Politikstil entwickelt, der mit den Möglichkeiten des neuzeitlichen Parlamentarismus aktiv rechnete und der auch Frauen zunehmend einen öffentlichen Raum zugestand. Die katholische Partei des Zentrums war für Katholik:innen bis zum gewaltsamen Ende der Weimarer Republik der Ort politischen Handelns schlechthin.

Der konfessionelle bias blieb jedoch bestimmend für jedwedes Verständnis christlicher Politik – mindestens bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Den ›Kulturkampf‹, den Reichskanzler Bismarck nach 1870 gegen den ›politischen Katholizismus‹ führte, deuteten die Liberalen als Kampf gegen das ›finstere Mittelalter‹, das sie mit einem unfehlbaren Papst unfehlbar wieder heraufziehen sahen. Hier formte sich der Katholizismus erstmals als soziale Bewegung aus, der sich als Ideologie organisierte und seine Organisationen ideologisierte: das ›katholische Milieu‹.

Erst nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich im Gedanken der Christlich-Demokratischen bzw. Christlich-Sozialen Union ein Zugang zum Parlamentarismus, der sich als die Konfessionsgrenzen übergreifender Konservatismus verstand, der dem Katholizismus als sozialer Bewegung einen politischen Arm lieh. Er gab in der westlichen Teilrepublik Deutschlands lange den Ton an, bis die Student:innen-Revolte der 1968er Jahre der Nachkriegs- und Wiederaufbau-Generation drastisch den Spiegel vorhielt: ein Parlamentarismus und ein Milieu, das Hitler und den Holocaust nicht verhindert hatte. Eine junge Generation von Christ:innen nahm den Atomkrieg als eklatante Bedrohung wahr, bekämpfte die extreme soziale Ungleichheit des reichen Westens und des bitterarmen Südens und reklamierte mit dem »Club-of-Rome«-Bericht erstmals die »Grenzen des Wachstums«. Christsein als ›Bewegung‹ formierte sich völlig neu.

Revolution und Parlament – Milieu und Bewegung: Die Begriffe markieren Politikauffassungen und Politikstrategien von Christ:innen, denen die Teilnehmenden mit sozialwissenschaftlichen, sozialethischen und historischen Methoden nachgehen werden. Wir bieten dieses Seminar an in einer politischen Lage, in der christliches Engagement in der Politik ebenso wichtig wie ungewiss ist.

Vorbereitende Literatur: Burleigh, Michael: Irdische Mächte – Göttliches Heil. Die Geschichte des Kampfes zwischen Politik und Religion von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart, München 2008.

Workload der Studienleistung: aktive Teilnahme und Vorbereitung einer Seminarsitzung (2 SWS). Darüber hinaus gehende Studienleistung können vereinbart werden. Prüfungsleistungen, i.d.R. Hausarbeiten, können vereinbart werden.

Hauptseminar: »If you're white, it's alright«: Die Unsichtbarkeit des Weißseins als sozialethische Frage

Prof. Dr. Ammicht Quinn

 Prof. Dr. Ammicht Quinn

Die »Black Lives Matter«-Bewegung (gegründet 2013) hat als transnationale Bewegung weltweit an Bedeutung gewonnen; durch den gewaltsamen Tod von George Floyd 2020 wurden die Fragen von Rassismus auf die Tagesordnung gesetzt. Dennoch sind die Critical Whiteness Studies sind in Deutschland relativ wenig rezipiert. Dies liegt daran, dass bis vor kurzem anscheinend keine Notwendigkeit dafür bestand, weil Weiße ihr Weißsein nicht als entscheidende Kategorie empfinden. Auch Integrations- und Diversitätsansätze fokussieren immer wieder auf die »Anderen«, ohne die eigene Positionierung in den Blick zu nehmen. 

 »Weiß« ist dabei keine biologische oder persönliche Eigenschaft. Sie ist eine historisch gewachsene sozial bedeutsame Konstruktion. Eine so entstandene Gruppe hat Privilegien, Deutungsmuster und Verhaltensweisen, die machtvoll und zugleich unsichtbar sind. Das größte Privileg ist, nicht gezwungen zu sein, sich mit Rassismus zu befassen.                                                                                                                                                                                                              

Das Seminar analysiert 

  • Weißsein im Kontext europäischer Aufklärung, die Gleichheit und Brüderlichkeit, zugleich aber die Bedeutung unterschiedlicher Rassen betont hat; 
  • kulturelle Modelle, die Weißsein als (implizite) Norm setzen;
  • kritisches Weißsein als Intersektionalität; Kritik der Critical Whiteness Studies; Fragen der »Farbenblindheit«;
  • Weißsein als Norm in unterschiedlichen Bereichen (Erziehung und Bildung, Religion, Medien, Technik, »white charity« usw.).

Damit befasst sich das Seminar auf unterschiedlichen Ebenen mit der Problematik, dass »Weiße« nicht einfach »Menschen« sind, sondern »weiße Menschen«. Denn es gibt, so Grada Kilomba (Berlin), »keine machtvollere Position, als sich nur als Mensch zu sehen und die Norm zu bestimmen«.

Leistungsnachweis: Essays und eine Präsentation

Voraussetzung: Bereitschaft und Fähigkeit, auch englische Texte zu lesen

Grundkurs: Sozialethik global – Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit

Michael Brugger

Michael Brugger

Globale Krisen bestimmen aktuelle politische Diskurse. Ob Covid19-Pandemie, Klimawandel, Welthandel oder die Regulierung der Finanzmärkte – eine Vielzahl »politischer Angelegenheiten« überschreiten die Grenzen von Nationalstaaten und Staatenverbunden und betreffen Menschen weltweit mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen. Christinnen und Christen engagieren sich dabei über Kirchenzugehörigkeiten und Staatengrenzen hinweg für Lösungen solcher globalen Probleme. Dies geschieht innerhalb der Strukturen der Weltkirche, wie auch in zivilgesellschaftlichen oder politischen Organisationen.

Sozialethik reflektiert als theologische Disziplin auf dieses Engagement und trägt zu dessen Orientierung bei. Sie bewegt sich dafür innerhalb politisch-philosophischer Diskurse, denn sie fragt normativ-theoretisch nach der »gerechten« oder »richtigen« Ordnung sozialer Beziehungen und gesellschaftlicher Verhältnisse.

Im Grundkurs wollen wir zunächst nach dem Verhältnis von christlichem Glauben und politischem Engagement fragen. Darauf aufbauend lernen wir anhand der Begriffe Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit beispielhaft globale Konfliktfelder und anknüpfende politisch-philosophische Argumentationen kennen und üben den Umgang mit solchen Begriffen.

Wir arbeiten mit Texten und sind im Gespräch mit kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren.

Arbeitsform: Textlektüre, Gruppenarbeit und Seminardiskussion

Studienleistung: Regelmäßige vorbereitende Lektüre der Texte, Argumentationsskizze, Exzerpt

Leistungsnachweis (sofern notwendig): gemäß der Prüfungsmodalitäten des jeweiligen Studiengangs

Oberseminar: Aktuelle Fragen der theologischen Sozialethik

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Diskussion aktueller Theorie- und Forschungsarbeiten in der theologischen Sozialethik sowie Besprechung laufender Promotionsprojekte, vermutlich wieder in Kooperation mit den Lehrstühlen der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/Main und der Universität Mainz.

Anmeldung, möglichst in der Sprechstunde des Dozenten, ist erforderlich.

Lektüre / Kolloquien

Interdisziplinäres Kolloquium: Schöpfungstheologie / Anthropologie

Lehrende des Moduls MGP 1

Lehrende des Moduls MGP 1

Besprechung übergreifender Themen aus den Vorlesungen des Moduls MGP 1 (Schöpfungstheologie / Anthropologie) und Prüfungsvorbereitung.