Was lesen Katholik:innen? Was dürfen sie lesen? Nach dem Zweiten Vatikanum veränderte sich die Funktion von Instanzen der Lektüresteuerung und -vermittlung grundlegend. Nicht mehr die Abschottung gegen schädliche Einflüsse stand im Vordergrund, sondern ein „mündiges Christsein“ in offener Begegnung und Auseinandersetzung mit den „Zeichen der Zeit“. Durch die Abschaffung des Index der verbotenen Bücher und die „Bildungsrevolution“ vergrößert sich die Zahl der potentiellen Leserinnen und Leser theologischer Werke. Deren Kenntnis wird bei engagierten Mitgliedern der Laienräte erwartet und wird zur Voraussetzung des Strukturwandels durch Partizipation. Der neuen Diskussionskultur in den theologischen Teildisziplinen und ihrer Vermittlung in die kirchliche und gesellschaftliche Öffentlichkeit korrespondiert eine Zunahme der innerkirchlichen Kritik und Gegenkritik. Dieser Denk- und Lebenshorizont bezieht immer selbstverständlicher die konfessionelle Pluralität der Bundesrepublik mit ein, was sich etwa an der Rezeption der historisch-kritischen Exegese und den „Bestsellern“ theologischer Literatur wie Ratzinger, Küng oder Drewermann zeigt.
Ein zentraler Ort dieser Auseinandersetzung mit theologischen und gesellschaftlichen Strömungen sind die Rezensionen entsprechender Publikationen in den Fachzeitschriften. Rezensionen bringen Zustimmung, Kritik und Ablehnung zum Ausdruck. Über sie können die intellektuellen Netzwerke des bundesdeutschen Katholizismus und ihre Protagonisten in den Blick genommen werden: Autorinnen und Autoren, Rezensentinnen und Rezensenten, Strukturen und Phasen der Rezeption.
Das Projekt untersucht die theologische Lektürelandschaft durch die inhaltliche Erschließung von Besprechungs- und Rezensionsmedien in Form einer Datenbank, die auch den übrigen Teilprojekten zur Verfügung steht. Grundfragen des Projekts sind: Wie verläuft die Entwicklung dessen, was nach dem Konzil gelesen wird? Wie wird ihnen diese Lektüre nahegebracht? Was verrät die Auseinandersetzung über das ‚Katholisch lesen‘ über Perspektiven auf das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft? Wie verändert sich die theologische Sprache? Wie werden theologische Konflikte in den Rezensionen ausgetragen? Welche Emotionen werden angesprochen?
Die Studien der ersten Phase der FOR 2973 konzentrieren sich auf zwei zentrale Themenbereiche: auf Ehe, Familie und Sexualität einerseits und auf den Strukturwandel der Kirche andererseits.
(Externer) Link zum Teilprojekt: https://www.katholischsein-for2973.de/projekte