Die nationalsozialistische Diktatur stürzte erst ihre Gegner in Marginalisierung und Verfolgung, dann einen ganzen Kontinent in einen nie dagewesenen Krieg. Die Kirchen sahen sich hier vor ihrer wohl schwierigsten theologischen und moralischen Herausforderung. Katholizismus und Protestantismus reagierten darauf höchst unterschiedlich, und ihre Haltungen, Handlungen und Vermeidungen werden bis heute extrem kontrovers diskutiert. Grund genug, sich hier gut auszukennen!
Die katholische Kirche sah sich nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes zunächst als weltanschauliche „Siegerin in Trümmern“. Sie propagierte mit der Rechristianisierung der Gesellschaft ein Programm, das den NS als totalitäre Folge der europäischen Säkularisierung begriff. Mit der europäisch-transatlantischen und weltkirchlichen Öffnung, mit der Herausforderung, sich auch der eigenen Schuld zu stellen, schließlich mit der Globalisierung christlicher Verantwortung durch die damals sog. „Dritte Welt“ hatte der Katholizismus viel zu lernen.
Das II. Vatikanische Konzil suchte dem Rechnung zu tragen. Beflügelt von einem neuen weltkirchlichen Optimismus, getragen vom Selbstbewusstsein eines auf Communio hin angelegten Kirchenverständnisses, im Bewusstsein der Eigenverantwortung der Laien, sollten die Blickverengungen der Neuscholastik ebenso überwunden werden wie das klerikalistische und triumphalistische Modell von Kirche als einer societas perfecta. Auch das Verhältnis zu den anderen christlichen Konfessionen wie zu den nicht christlichen Religionen war neu zu bestimmen. Im Ergebnis hat das Konzil das gespannte Verhältnis von Kirche und Moderne insgesamt reformuliert.
Als Papst Johannes XXIII. (höchst skeptisch) gefragt wurde, was er vom Konzil denn eigentlich erwarte, soll er das Fenster geöffnet und geantwortet haben: „Dass es frische Luft hereinlässt…“ Vergewissern wir uns also des Konzils, bevor es wieder stickig wird!