Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2024/25

Seminare

Seminar: Ethische Universalisierung. Rekonstruktion, Kritik und Begründung

Prof. Dr. Möhring-Hesse

In den Konflikten dieser Zeit wäre es gut und nützlich, wenn man sich auf einen belastbaren Universalismus beziehen und – angesichts von imperialen Kriegen und Terror, autoritären Regimen und völkischen Bewegungen, aber auch angesichts klimapolitischer Ignoranz – unbedingte Verpflichtungen gegenüber Menschen und spiegelbildlich dazu unbedingte Ansprüche von Menschen in Anspruch nehmen könnte. Doch dem ist nicht so: Während im Zuge der neoliberalen Verwilderung der Universalismus der Menschen zu einem Universalismus individueller Präferenzen mutierte, wird er andernorts durch den Partikularismus von gemeinsam betroffenen Gruppen und kollektiven Identitäten oder vom völkischen oder nationalen ›Wir‹ gegen ›Die‹ unterlaufen. Zudem wird jedweder Universalismus unter Ideologieverdacht gestellt, die partikularen Interessen eines Teils der Menschheit im Globalen Norden zu vertreten, diese im Namen der Menschheit imperial durchzusetzen und Teile der Menschheit aus der Menschheit auszuschließen, die als ›die Menschheit‹ ausgegeben wird. Der Universalismus maskiert, so die Kritik, Sexismus, Rassismus und Antisemitismus, die Kolonisierung ganzer Kontinente sowie die Versklavung, wenn nicht Ermordung unzähliger Menschen – und nicht zuletzt die Zerstörung von Natur. In dem Seminar wird die Kritik am ethischen Universalismus, sofern seriös, zur Kenntnis genommen, gegenüber dieser Kritik die Anliegen rekonstruiert, die mit dem kritisierten Universalismus verfolgt wurden bzw. werden, – und nach belastbaren Konzepten gefragt, die die berechtigten Anliegen einlösen können.
Das Seminar dient auch zur Vorbereitung auf den Besuch von Omri Boehm, dem im November an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Alfons-Auer-Ethik-Preis verliehen wird. Der Philosoph Omri Boehm (z.Zt. an der New School for Social Research in New York) vertritt einen ›radikalen Universalismus‹ – und sucht unter diesem Titel eine allen Menschen aufgegebene Verpflichtung zur Menschlichkeit zu begründen. Boehm zufolge spiegelt sich in dieser Verpflichtung ein allen Menschen vorausliegendes Gesetz – und keine ideelle Konstruktion der sich selbst verpflichtenden Menschen. In diesem ›radikalen Universalismus‹ sieht er das ›Erbe‹ der hebräischen Bibel, dessen ethischer Monotheismus über die jüdische Auslegung bis in die Aufklärungsphilosophie hinein fortgeschrieben und von Kant in seiner praktischen Philosophie erstmals in eine moralische, dabei säkulare Fassung gebracht wurde. Den ›radikalen Universalismus‹ sieht Boehm gegenwärtig in Opposition zu linker und rechter Identitätspolitik, aber auch in Opposition zu der »leeren Hülse«, zu der der Universalismus in liberalen Demokratien wurde. Boehms ›radikaler Universalismus‹ wird eines der Konzepte sein, mit dem sich dieses Seminar beschäftigen wird, – und dies gleich zu Beginn des Semesters, um rechtzeitig zur Preisverleihung im November das Werk zu kennen, das mit dem Alfons-Auer-Ethik-Preis ausgezeichnet wird.

Ablauf:

Zunächst wird das Buch ›Radikaler Universalismus‹ von Omri Boehm gemeinsam gelesen und diskutiert. Die Seminarteilnehmer:innen nehmen am Festakt zur Verleihung des Alfons-Auer-Ethik-Preises (am 26.11.2024, 17:00 Uhr) teil. Dort wird Omri Boehm zum Thema ›Humanity as Praxis‹ vortragen. Ansonsten werden die Themen des Seminars auf der Grundlage von Posterpräsentationen in moderierten Seminargespräch bearbeitet.

Leistungsnachweis:

Aktive und kontinuierliche Teilnahme am Seminar, Teilnahme am Festakt zur Verleihung des Alfons-Auer-Ethik-Preises, Lektüre des Buchs ›Radikaler Universalismus‹ von Omri Boehm und Vorbereitung einer Posterpräsentation.

Literatur:

Benhabib, Seyla (2024): Für einen interaktiven Universalismus. Kosmopolitismus und die postkoloniale Kritik, in: Zeitschrift für deutsche und internationale Politik, S. 59–68.
Boehm, Omri (2023): Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität, Berlin: Ullstein.
Khader, Serene J. (2019): Decolonizing universalism: A transnational feminist ethic (Studies in Feminist Philosophy), New York: Oxford University Press.
Tönnies, Sibylle (2001): Der westliche Universalismus. Die Denkwelt der Menschenrechte, 3. überarb. Auflage, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

Seminar: Ethik und Religion(en)

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Zumal in der öffentlichen Kommunikation werden Ethik und Religion voneinander abgesetzt; sie werden miteinander verglichen oder in Verbindung gesehen – und manchmal wird die eine oder die andere in Abhängigkeit zu der anderen oder der einen gesetzt. Das Verhältnis ›Ethik und Religion‹ wird unterschiedlich bestimmt – und man befindet sich im Streit darüber. Dabei wird unter ›Ethik‹ und ›Religion‹ Unterschiedliches verstanden und beides wird verschieden konnotiert. So ist nicht nur ›Ethik und Religion‹ strittig; strittig sind auch Ethik und Religion.
In dem Seminar sollen diese beiden Gegenstände der öffentlichen Kommunikation besser verstanden werden – und dies ›jenseits‹ ihrer üblichen stereotypen Zuschreibungen. Dabei folgt das Seminar der Annahme, dass man einiges besser an Religion und Ethik verstehen kann, wenn man sie aus den Verhältnissen heraus versteht, in die man sie üblicherweise ›setzt‹. ›Ethik und Religion‹ steht mithin für eine Problemanzeige, wobei die zu lösenden Probleme nicht im Verhältnis von Ethik und Religion liegen, sondern in den Gegenständen, die in Verhältnis gesetzt werden. Indem wir ein Seminar über ›Ethik und Religion‹ halten, erforschen wir Ethik und Religion – und gehen davon aus, dass es nützlich ist, wenn wir diese beiden gleichzeitig erforschen.
Das Seminar bemüht sich um eine geringe Allgemeinheit: Mit ›Ethik‹ wird die Denkform referiert, wie sie in Deutschland und in vergleichbaren westlichen Gesellschaften auf einer langen Spur abendländischen Denkens für Gewöhnlich unter diesem Begriff betrieben wird. Ähnliche oder funktional äquivalente Denkformen in anderen Regionen dieser Welt und in anderen Kulturen bleiben unberücksichtigt. Ähnlich konkret wird mit ›Religion‹ nur auf die beiden in Deutschland – mit unterschiedlichem Gewicht – stärksten gesellschaftlich präsenten Religionen, also das Christentum und den Islam Bezug genommen. Nicht berücksichtigt werden andere Religionen – und dies selbst dann, wenn diese sich selbst unter diesem Begriff identifizieren, – und erst recht dann, wenn sie ›von außen‹ als Religionen beachtet werden. Mithin nimmt ›Ethik und Religion‹ Bezug auf empirische Tatbestände, auf die unter dem Begriff ›Ethik‹ in westlichen Gesellschaften betriebene Denkform und die in Deutschland unter dem Begriff ›Religion‹ präsenten Religionen.

Ablauf: 

Das Seminar hat Werkstattcharakter. Auf der Grundlage gemeinsam gelesener Texte zu ›Ethik und Religion‹ werden wir uns die Bedeutungsgehalte von ›Ethik‹ und ›Religion‹ erarbeiten, wie sich diese durch die Absetzung der einen von der anderen ergeben.

Leistungsnachweis: 

Lektüre der ausgegebenen Texte und aktive Teilnahme an dem Seminar.  Eine Studienleistung mit einem höheren Workload ist durch Eigenstudium und die Vorbereitung eigener Papers möglich.

Literatur
Düwell, Marcus/Hübenthal, Christoph/Werner, Micha H. (Hg.) (2011): Handbuch Ethik, 3. aktualisierte und erw. Auflage, Stuttgart: J.B. Metzler, online.
Hammer, Stefanie/Hidalgo, Oliver (Hg.) (2020): Religion, Ethik und Politik. Auf der Suche nach der guten Ordnung, Wiesbaden: Springer VS, online.

Grundkurs: Theologische Ethik: Soziologisch denken – sozialethisch urteilen // Seminar: Sozialkonstruktivismus & Sozialethik

Manuela Wannenmacher

Manuela Wannenmacher

Die theologische Sozialethik ist dasjenige Fach innerhalb der katholischen Theologie, welches sich mit gerechter Ordnung bzw. gerechten Ordnungen gesellschaftlicher bzw. sozialer Zusammenhänge auseinandersetzt. Für eine solche Auseinandersetzung ist dabei zunächst von Nöten derartige Zusammenhänge zu verstehen. Zu diesem Zwecke sollen im Grundkurs Sozialethik Ansätze soziologischen Denkens erschlossen und deren Bedeutung für eine theologische Sozialethik erkundet werden.

Leistungsnachweis

für 2 ECTS Textlektüre, Lektüreeindruck und regelmäßige Teilnahme;
für 3 ECTS Textlektüre, Lektüreeindruck und regelmäßige Teilnahme + Referat;
für 6 ECTS Textlektüre, Lektüreeindruck und regelmäßige Teilnahme + Hausarbeit [benotet]

Literatur

Berger, Peter / Luckmann, Thomas (1980 [1966]): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Fischer Frankfurt/Mainz.
Möhring-Hesse, Matthias (2019): Wissenschaftlichkeit der theologischen Sozialethik, in: Göck,Benedikt Paul / Ohler, Lukas Valentin [Hrsg.], Die Wissenschaftlichkeit der Theologie. Band 2: Katholische Disziplinen und ihre Wissenschaftstheorien, Aschendorff Verlag Münster, S. 217-243.
Rawls, John (1979 [1971]): Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Die Veranstaltung wird auch als Seminar am soziologischen Institut angeboten.

Kombinationsseminar Fachdidaktik – Systematische Theologie: Fachdidaktik und Theologische Sozialethik

Prof. Dr. Möhring-Hesse & Simone Hiller (KIBOR)

Demokratieförderung ist an den Schulen des Landes Baden-Württemberg laut Bildungsplan eine fachverbindende und fächerübergreifende Querschnittsaufgabe, also auch Aufgabe des Religionsunterrichts. Doch was kann aus dem christlichen Glauben heraus Förderliches für die Demokratie gedacht und getan werden? Um welche Idee von Demokratie geht es, die fachverbindend und fächerübergreifend gefördert werden soll, und um welche Realität von Demokratie, angesichts derer Demokratieförderung im schulischen Unterricht vorgesehen wird? Bezogen auf den Religionsunterricht: Welche Idee von Demokratie kann und soll aus dem christlichen Glauben heraus ›gefördert‹ werden; für welche Art von christlichem Glauben ist Demokratie eine Möglichkeit oder – mehr noch – eine Notwendigkeit? In fachwissenschaftlicher Hinsicht bewegt sich das Seminar mit diesen Fragen auf dem Feld der ›politischen Ethik‹ – und damit auf einem Feld, dass bis vor einigen Jahrzehnten von der Moraltheologie als eine Art Pflichtenlehre ›für den katholischen Staatsbürger‹ bestellt wurde. ›Demokratie‹ war die real-existierende Staats- und Herrschaftsform – und die Frage, wie sich Christ:innen im demokratischen Staat ›richtig‹ verhalten. Mit einem weiteren Verständnis von ›politischer Ethik‹ werden diese Fragen inzwischen in der Sozialethik bearbeitet – und so auch in diesem Seminar: ›Demokratie‹ ist selbst das ethisch-theologische Thema. Dabei setzt das Seminar mit der Arbeitshypothese ein, dass zwischen Demokratie und christlichem Glaube keineswegs die ›Harmonie‹ und Wahlverwandtschaft besteht, wie dies in zeitgenössischen kirchlichen Verlautbarungen häufig behauptet wird. Wer im Religionsunterricht Demokratieförderung betreiben soll und will, der sollte von den wechselseitigen Provokationen zwischen Demokratie und christlichem Glauben wissen. Dass der christliche Glaube für demokratische Gesellschaften sogar gefährlich werden kann, soll aktuell und d.h. im Hinblick auf die ›neue‹ extreme Rechte diskutiert werden. Schließlich soll in dem Seminar auch gefragt werden: Mit welcher Art von Demokratie sympathisiert ›die Kirche‹, wenn sie diese Demokratie zugleich für die Kirche ausschließt? Kann Kirche Demokratieförderung?
Das fachwissenschaftliche Interesse des Seminars korrespondiert mit dem fachdidaktischen. So wird gefragt, wie Demokratie im Religionsunterricht zum Thema gemacht werden kann und wie Demokratiebildung im Religionsunterricht aussehen kann. Um diese Frage zu beantworten, wird geprüft, ob und in welchem Sinn Religionsunterricht als Politische Bildung betrieben und ob die Didaktik der Politischen Bildung auch im Religionsunterricht ›angewendet‹ werden kann. Dementsprechend werden wir uns in Theorien und in die Didaktik der Politischen Bildung sowie in einschlägige religionsdidaktische Überlegungen dazu einarbeiten.

Lernziele: 

Nach aktiver Teilnahme haben die Studierenden Grundkenntnisse über Demokratietheorie. Sie sind in der Lage, ihre Vorstellung von Demokratie auszusagen und gegenüber Anfragen argumentativ zu vertreten. Mit Bezug auf den Bildungsplan »Demokratiebildung. Schule für Demokratie, Demokratie für Schule‹ können sie argumentieren, dass Religionsunterricht zur Demokratiebildung in der Schule beitragen kann und soll. Zudem sind sie in der Lage, die aktive ›Verteidigung‹ der Demokratie theologisch zu ›verstehen‹ und die Idee der Demokratie in die Überzeugungen christlichen Glaubens ›auszusagen‹. Schließlich haben die Studierende Grundkenntnisse in die Didaktik der Politischen Bildung und sind in der Lage, diese auf den Religionsunterricht zu beziehen und sinnvoll in der Planung konkreter Unterrichtssequenzen ›anzuwenden‹.

Ablauf: 

Im Seminar arbeiten wir auf der Grundlage von Texten, die von allen Teilnehmer:innen in Vorbereitung der jeweiligen Sitzungen zu lesen sind. Die Texte werden in der jeweiligen Sitzung von einer/einem der Teilnehmer:innen in Form einer Posterpräsentation vorgestellt. Die Seminarsitzung wird in Diskussion des Posters gestaltet.

Leistungsnachweis: 

Vorbereitende Lektüre aller für die Seminarsitzungen ausgegebenen Texte sowie Posterpräsentation eines dieser Texte.

Literatur:

aksb - Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.) (2009): Politische Bildung für die Demokratie, Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verlag.
Aus Politik und Zeitgeschichte 14/2009: Christen in der Demokratie, online.
Brocker, Manfred / Tine Stein (Hg.) (2006): Christentum und Demokratie. Darmstadt: Wissenschaft Buchgesellschaft.
Endreß, Martin / Nissen, Sylke / Vorbuba (2020). Aktualität der Demokratie. Strukturprobleme und Perspektiven, Weinheim / Basel: Juventa.
Gärtner, Claudia / Herbst, Jan-Hendrik (Hg.) (2020): Kritisch-emanzipatorische Religionspädagogik. Diskurse zwischen Theologie, Pädagogik und Politischer Bildung. Wiesbaden: Springer VS.
Gloe, Markus / Oeftering, Tonio (2020), Didaktik der politischen Bildung. Ein Überblick über Ziele und Grundlagen inklusiver politischer Bildung, in: Meyer, Dorothee / Hilpert, Wolfram / Lindmeier, Bettina (Hg.): Grundlagen und Praxis inklusiver politischer Bildung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 87–132, online.
Goll, Thomas (2011): Bildung für die Demokratie. Beiträge von Politikdidaktik und Demokratiepädagogik, Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verlag.
Meyer, Thomas (2009): Was ist Demokratie? Eine diskursive Einführung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, online.
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2019): Demokratiebildung. Schule für Demokratie, Demokratie für Schule, Stuttgart, online.
Minkenberg, Michael (2024): Religion und Demokratie. Eine theoretische und analytische Skizze, in: ders.: Religion und Politik in westlichen Demokratien. Politik und Religion, Wiesbaden: Springer VS, online.
Möllers, Christoph (2008): Demokratie – Zumutungen und Versprechen, Berlin: Wagenbach.
Rahden, Till van (2019): Demokratie. Eine gefährdete Lebensform, Frankfurt: Campus Verlag.
Sander, Wolfgang / Pohl, Kerstin (Hg.): Handbuch politische Bildung, 5., vollständig überarbeitete Auflage, Frankfurt am Main: Wochenschau-Verlag.
Stainer-Hämmerle, Kathrin (Hg.): Glaube – Klima – Hoffnung. Religion und Klimawandel als Herausforderungen für die politische Bildung, Frankfurt am Main: Wochenschau-Verlag.

Oberseminar: Aktuelle Fragen der theologischen Sozialethik

Prof. Dr. Möhring-Hesse

Diskussion aktueller Theorie- und Forschungsarbeiten in der theologischen Sozialethik sowie Besprechung laufender Promotionsprojekte.

Anmeldung, möglichst in der Sprechstunde des Dozenten, ist erforderlich.