Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2020/21

Seminare

Hauptseminar: Zukunft des politischen Liberalismus

Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Die politische Kultur der Bundesrepublik ist wesentlich durch den politischen Liberalismus geprägt. Prägend wurde er nicht durch eine dafür »zuständige« Partei – und wäre durch die dafür programmatisch ausgewiesene Partei nicht prägend geworden. Vielmehr haben sich unterschiedliche Parteien, verschiedene Milieus und politischen Bewegungen »politisch liberal« gemacht – und den Liberalismus so für die politische Kultur hegemonial und für das politische System wirksam werden lassen. Inzwischen steht der Politische Liberalismus aber unter Verdacht, wenn nicht unter Beschuss: Angesichts von den desaströsen Folgen wird die neoliberale Modernisierung – und dies nicht ganz zu Unrecht – auf das Konto des Politischen Liberalismus »verbucht«. Von extrem-rechter Seite mobilisiert man gegen die liberalen Eliten und gegen den »Multikulturalismus«, für den man – vollkommen zutreffend – den Politischen Liberalismus verantwortlich macht. Durch den Politischen Liberalismus findet sich – so wird zu Recht behauptet – ein wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr repräsentiert; zudem findet das Prinzip der Repräsentation, eines der tragenden Säulen des Politischen Liberalismus, immer weniger Zustimmung. Dass der Politische Liberalismus auch gegenüber diesen Verdächtigungen und Angriffen eine zukunftsfähige und belastbare Grundorientierung geben kann, dafür stehen einige neuere Veröffentlichungen von Autor!nnen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, etwa Jan-Werner Müllers »Furcht und Freiheit« (2019), Andreas Reckwitzs »Das Ende der Illusionen« (2019) oder Dieter Thomäs »Warum Demokratien Helden brauchen« (2019). In dem Seminar werden einige dieser Veröffentlichungen gemeinsam gelesen und – in ausdrücklich sozialethischer Perspektive – ausgewertet: Was soll eine liberale Gesellschaft auszeichnen, wenn es denn nicht die im Namen des Liberalismus betriebene Ausgrenzung und Entsolidarisierung sowie nicht die »unheilige Allianz mit dem Neoliberalismus« sein soll? Wie rechtfertigt man das Projekt freier Bürger!nnen gegenüber den post-liberalen, gar anti-liberalen Verdächtigungen und Anfeindungen? Wie verteidigt man die Liberalität des Politischen in den Zeiten rechtspopulistischer Mobilisierung?

Zeit: Mittwoch, 9:30 – 10:30 Uhr. Beginn:  03.11.2020

Kombinationsseminar Fachdidaktik und Theologische Sozialethik: »... for future« und »for fashion«. Klimaethik im Religionsunterricht

Dr. Edeltraud Gaus / Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Dr. Edeltraud Gaus / Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Am 20. August 2018 verweigerte die damals 15-jährige Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg zum ersten Mal den Unterrichtsbesuch. Statt in ihrer Schule saß sie, zunächst für einen Zeitraum von drei Wochen, täglich vor dem schwedischen Reichstagsgebäude in Stockholm und zeigte ein Schild mit der Aufschrift »Skolstrejk för klimatet« (dt.: Schulstreik fürs Klima). Bekanntlich entzündete sich an Greta Thunberg und an ihrem Schulstreik eine weltweite Bewegung: Fridays for future. Diese Bewegung machte Klimapolitik nicht zu einem dominanten Thema. Das war es zuvor schon. Sie färbte dieses zentrale Thema intergenerationell ein: Fridays for future ist eine Bewegung von Jugendlichen, die ihre bedrohte Zukunft vertreten – und dies gegen all diejenigen, die in der Gegenwart in Politik und Wirtschaft Verantwortung tragen. Dies haben gerade ältere Kirchenleute aufgegriffen und sich sowie die Kirche damit auf die Seite „der Jugend“ gestellt. Klimapolitik wurde in der öffentlichen Wahrnehmung weltweit zu einem kollektiven Anliegen der Jungen – und die Jungen wurden spiegelbildlich zu einer um ihre Zukunft besorgte und deshalb politische Generation. Angesichts von Fridays for future liegt es nahe, sich auch im Religionsunterricht mit dem Klimawandel und den daraus erwachsenden politischen Herausforderungen zu beschäftigen. Dies gilt zumal deswegen, weil der Bildungsplan auch für den Religionsunterricht eine Bildung für nachhaltige Entwicklung“ vorsieht. Er hat „an innovativen Lebens- und Gesellschaftsentwürfen mitzuwirken, die einen zukunftsweisenden und verantwortlichen Übergang in eine nachhaltige Welt möglich machen“.

Inhalt des Seminars werden nicht nur die sozialethischen und theologischen Aspekte der Klimapolitik, deren didaktische Umsetzung im Religionsunterricht sowie die Planung von Unterrichtsbeispielen sein. Es sollen auch die für den Ethikunterricht grundlegenden Fragen, ob und wie man Schüler*innen für sozialethische Reflexionsprozesse ansprechen kann sowie ob und wie man thematische Moden für den Religionsunterricht "ausbeuten" sollte, diskutiert werden. Zur Sprache werden auch die Bemühungen um eine „Politische Religionspädagogik“ kommen und damit die Frage, wie politisch Religionsunterricht sein darf und wie politisch er sein muss.

Zeit: Donnerstags, 17:00–18:00 Uhr. Beginn: 05.11.2020

Literatur:

Bederna, Katrin, Vogt, Markus, Art. Ökologische Ethik, in: Wissenschaftlich Religionspädagogisches Lexikon im Internet, 2018.
Edenhofer, Ottmar/Jakob, Michael (2019): Klimapolitik. Ziele, Konflikte, Lösungen, 2. Auflage, München: C.H.Beck.
Englert, Rudolf (2015): Die verschiedenen Komponenten ethischen Lernens und ihr Zusammenspiel. Überlegungen zu einem Gesamtprogramm ethischer Bildung, in: Jahrbuch der Religionspädagogik (JRP) Bd. Band 31, Neukirchen-Vluyn, 108-118.
Könemann, Judith (2019): Politische Religionspädagogik – ein kritisch-emanzipatorischer Ansatz, in: Gärtner, Claudia / Herbst, Jan-Hendrik (Hg.): Kritisch-emanzipatorische Religionspädagogik. Diskurse zwischen Theologie, Pädagogik und Politischer Bildung, Wiesbaden: Springer VS, 195-213.
Mendl, Hans (2019): Weltverantwortung, Österreichisches Religionspädagogisches Forum, 27, Heft 1, 57-72, online verfügbar.
Politikum 6. Jg., Heft 2: Klimakrise.
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Zehn Thesen zum Klimaschutz. Ein Diskussionsbeitrag (Die deutschen Bischöfe. Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen Nr. 48), Bonn, online verfügbar.

Grundkurs: Einführung in die Sozialethik: Menschenwürde – Gerechtigkeit – Solidarität

Michael Brugger

Michael Brugger

Ob in Fragen des Klimaschutzes, in der Positionierung zum Umgang mit den Schwachen in der Gesellschaft, im weltkirchlichen Einsatz für globale Gerechtigkeit oder im Kampf für würdige Arbeit – Christinnen und Christen engagieren sich vielfältig in der Aushandlung und Mitgestaltung gesellschaftlicher Ordnungen. Sozialethik reflektiert als theologische Disziplin auf dieses Engagement und trägt zu dessen Orientierung bei. Notwendigerweise bewegt sie sich dafür auch innerhalb politisch-philosophischer Diskurse, denn sie fragt normativ-theoretisch nach der „gerechten“ oder „richtigen“ Ordnung sozialer Beziehungen und gesellschaftlicher Verhältnisse.

Im Grundkurs wollen wir zunächst nach dem Verhältnis von christlichem Glauben und politischem Engagement fragen. Darauf aufbauend lernen wir anhand der sozialethischen Kernbegriffe Menschenwürde, Gerechtigkeit und Solidarität beispielhaft gesellschaftliche Konfliktfelder und anknüpfende politisch-philosophische Argumentationen kennen. Wir arbeiten dafür mit Texten und sind im Gespräch mit kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren.

Zeit: Montags, 14:00–15:00 Uhr. Beginn: 03.11.2020

Oberseminar: Aktuelle Fragen der theologischen Sozialethik

Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Diskussion aktueller Theorie- und Forschungsarbeiten in der theologischen Sozialethik sowie Besprechung laufender Promotionsprojekte, vermutlich wieder in Kooperation mit den Lehrstühlen der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/Main und der Universität Mainz.

Anmeldung, möglichst in der Sprechstunde des Dozenten, ist erforderlich. Zeit: Blockveranstaltung(en)

Lektüre / Kolloquien

Lektürekurs: »Auch eine Geschichte der Philosophie«. Habermas' Genealogie der nachmetaphysischen Rationalität (2. Teil)

Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte Jürgen Habermas ein neues Opus magnum: »Auch eine Geschichte der Philosophie«. Über zwei dicke Bände hinweg entwickelt er eine Genealogie des nachmetaphysischen Denkens – und spürt dazu vor allem der mühsamen Trennung von »Glauben und Wissen« nach. Was ihm zur Klärung des professionellen Selbstverständnisses einer auf das »Ganze«, gleichwohl nachmetaphysischen Philosophie dient, ist für Theolog!nnen eine ausgezeichnete Gelegenheit, über Religion und Glauben sowie über eine zeitgemäße (nachmetaphysische?) Theologie nachzudenken.

Im vergangenen Semester haben wir den ersten Band über »Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen« durchgearbeitet, haben vor allem den Jüdischen Monotheismus im Vergleich der achsenzeitlichen Weltbilder sowie die Synthese von jüdischem Monotheismus und plantonischer Metaphysik im Christentum als die ersten Stationen auf dem Lernweg hin zum nachmetaphysischen Denkens besprochen.

In diesem Wintersemester nehmen wir uns den zweiten Band „Vernünftige Freiheit. Spuren des Diskurses über Glauben und Wissen“ vor. Wir werden uns nicht nur mit dem „Bruch Luthers mit der Tradition“ und dem daraus folgenden „Gestaltwandel der Theologie“ beschäftigen, sondern auch die Trennung von Theologie und Philosophie über die „Wegscheiden nachmetaphysischen Denkens“ verfolgen. Der Neueinstieg ist möglich, neue Teilnehmer!nnen sind herzlich willkommen.

Die gemeinsame Lektüre und Diskussion von »Auch eine Geschichte der Philosophie« betrifft unvermeidbar die »Philosophischen Grundlagen der Theologie«. Leider sah sich der für dieses Fach zuständige Lehrstuhlinhaber nicht in der Lage, die Studienleistung in diesem Lektürekurs für sein Fach anzuerkennen. Deswegen kann eine Anrechnung in den unterschiedlichen Studiengängen nur über das Eigenstudium oder über die Wahl- und Schwerpunktbildung erfolgen. Vielleicht finden Studierende, die etwa ihre Auswärtssemester in Tübingen verbringen, gnädige Prüfungsämter. Der Workload ist – zugegeben – knapp bemessen. Von daher lohnt sich die Teilnahme nur für Studierende, die sich auf das Wagnis eines sehr dicken Buches einlassen wollen und sich darauf freuen, dieses Buch von Rang gelesen zu haben. Die Anschaffung des Buches wird vorausgesetzt. Sollte dies jemandem nicht möglich sein, wird um Rücksprache gebeten.

Zeit: Montag, 17.00–18:00 Uhr. Beginn: 05.11.2020

Literatur:

Habermas, Jürgen (2019): Auch eine Geschichte der Philosophie, Berlin: Suhrkamp.
Arens, Edmund (2019): Auch eine Geschichte der Religion. Annäherungen an Jürgen Habermas' Opus Magnum, in: MFThK, 13.11.2019, online.
Joas, Hans (2019): Was weiß, wer glaubt? Im neuen Buch von Jürgen Habermas fragt die Vernunft nach dem Erbe der Religion, in: SZ 14.11.2019, S. 9, online.

Arbeitskreis: Zur Aktualität der Theologie von Edward Schillebeeckx. Wie geht trans-konfessionelle Theologie?

Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Aus einem Lektürekurs zu dem Buch »Menschen. Die Geschichte von Gott« heraus ist aus dem Kreis der Studierenden der Wunsch entstanden, systematisch an einer Fortschreibung von Edward Schillebecckx´ Theologie zu arbeiten. Im vergangenen Semester hat sich der Arbeitskreis mit Schillebeckx‘ Konzept einer kritischen Theologie beschäftigt. In diesem Wintersemester soll es darum gehen, wie Theologie trans-konfessionell, womöglich sogar trans-religiös betrieben werden kann. Fokussiert auf diese Fragestellung sollen relevante Texte von Schillebeeckx gelesen und diskutiert – und seine theologischen Entwürfe für die Gegenwart fortgeschrieben werden.

Eine persönliche Anmeldung, möglichst in der Sprechstunde des Dozenten, ist erforderlich. Blockveranstaltung(en).