Seminar für Sprachwissenschaft

Indirekte Kommunikation

Unter welchen Umständen würden Sie lieber sagen, dass das Wahlergebnis interessant statt erstaunlich war, selbst wenn Sie sich wirklich darüber freuen? Wir haben ein probabilistisches Modell indirekter Äußerungen entwickelt, bei dem Sprecher ihre Äußerungen nicht nur so wählen, dass die Informationsübermittlung (Ihre tatsächliche Meinung) maximiert wird, sondern auch, um mögliche Meinungskonflikte mit dem Zuhörer zu vermeiden. Den vollständigen Text finden Sie in PLOS One.

Dieses Projekt trägt zu unserem Verständnis von Bedeutungsbildung in Gesprächen bei. In unserem Fall zeigen wir, dass dasselbe Wort „interessant“ je nach vorherigem Gesprächskontext positiv oder negativ interpretiert werden kann. Wir untersuchen nun, ob die Tendenz zur Verwendung indirekter Äußerungen kulturübergreifend stabil ist, indem wir Deutsch- und Englischsprachige vergleichen.

Rolle von Vorannahmen bei der Disambiguierung

Dieses Forschungsprojekt untersucht, wie das Sprachverständnis von den Hintergrundüberzeugungen des Zuhörers abhängt und ob sich diese in den Interpretationen widerspiegeln. Ich betrachte dieses Thema sowohl aus experimenteller als auch aus modellierender Perspektive. Gemeinsam mit Gregory Scontras, Christian Stegemann-Philipps, Johannes Lohmann und Martin Butz entwickelten wir einen rationalen Sprechaktformalismus, um die Inferenz von Vorannahmen bei der Beobachtung der Objektwahl in einem Signalspiel zu simulieren.

Wir untersuchen außerdem, wie gemeinsame Überzeugungen im Prozess der Auswahl und Interpretation mehrdeutiger Äußerungen entdeckt werden können. Dabei untersuchen wir das Phänomen der Indirektheit und zeigen, wie indirekte Äußerungen es Sprechern ermöglichen, komplexe Kommunikationsziele zu erreichen. Ziel dieses Projekts ist es zu erforschen, wie Kommunikation zur Aufrechterhaltung sozialer Bindungen beiträgt.

Überraschende anaphorische Bezüge

Sprecher berücksichtigen eine Reihe sprachlicher und kognitiver Faktoren bei der Wahl der Bezeichnung eines zuvor erwähnten Ereignisses. In diesem Projekt untersuchen wir, wie Sprecher überraschende und nicht überraschende Ereignisse beschreiben. Um Überraschung als kognitive Kategorie zu quantifizieren, evaluieren wir zunächst die Erwartungen der Sprecher hinsichtlich möglicher Ereignisverläufe. Wir können die Erwartungen weiter manipulieren, indem wir die Teilnehmer auf mögliche Interaktionen zwischen neuen Charakteren trainieren. Anschließend bitten wir die Teilnehmer, einfache Erzählungen zu erstellen und zu beobachten, wie sie sich auf verschiedene Charaktere beziehen.

Wir zeigen, dass Sprecher informativere Bezüge wählen, wenn sie überraschende Ereignisse beschreiben. Ist diese Vorsicht gerechtfertigt? Was passiert, wenn Zuhörer solche Ereignisbeschreibungen in einer lauten Umgebung wahrnehmen? In einem neuen Kooperationsprojekt mit Marjolein van Os, Vera Demberg und Martin Butz untersuchen wir, wie Teilnehmer ihre Erwartungen und das sprachliche Signal im Prozess des Äußerungsverstehens gewichten.

Williams-Syndrom

Menschen mit Williams-Syndrom weisen ein seltenes kognitives Profil auf: Es kombiniert schwere räumliche und numerische Defizite mit einer grammatikalisch komplexen, flüssigen Sprache. Die pragmatischen Fähigkeiten von Sprechern mit Williams-Syndrom sind weiterhin umstritten. In diesem Projekt untersuchen wir, wie diese Sprecher Äußerungen mit Quantifikatoren und anderen skalaren Begriffen verstehen. Unser Ziel ist es, zu untersuchen, ob Menschen mit Williams-Syndrom über abstrakte semantische und pragmatische Repräsentationen verfügen. Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit Barbara Landau (Johns Hopkins University), Rennie Pasquinelli (Johns Hopkins University), Julien Musolino (Rutgers University) und Martin Butz (Universität Tübingen) durchgeführt.

Im weiteren Sinne trägt das Projekt zu unserem Verständnis der Architektur des menschlichen Geistes bei. Wir diskutieren unsere Ergebnisse im Lichte der Modularität des Geistes und zeigen, wie sich Robustheit unter Defiziten (eines der Kennzeichen der Modularität) in den semantischen und pragmatischen Fähigkeiten von Menschen mit Williams-Syndrom manifestiert.

Verbale Ironie

Gemeinsam mit Prof. Gerhard Jäger untersuchen wir, welche kognitiven Fähigkeiten für das Verständnis verbaler Ironie notwendig sind. Dieses Projekt ist Teil des neu geförderten Sonderforschungsbereichs „Common Ground“ der Universität Tübingen. Wir untersuchen die Sprachentwicklung, um herauszufinden, inwieweit Theory of Mind, kognitive Kontrolle und kontrafaktisches Denken das Ironieverständnis vorhersagen. Wir nutzen zudem Methoden der probabilistischen Modellierung, um ein computergestütztes Modell des Ironieverständnisses zu entwickeln.

Offene Stellen für dieses Projekt finden Sie in Linguist List. Stellen in anderen Projekten finden Sie im Stellenportal der Universität Tübingen.