Institut für Angewandte Physik

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Summer 2021

Direct Correlation Function of a Crystalline Solid

Korrelationsfunktionen erschließen neue Wege in der Weichen Materie/Kondensierten Materie

Die explizite, wenngleich auch numerisch extrem aufwendige Berechnung von explizit richtungsabhängigen Korrelationsfunktionen ermöglicht - wie vor kurzem für das Modell eines Kolloidkristalls gezeigt - erstmals die fundierte Bestimmung wichtiger Kristalleigenschaften.

Korrelationsfunktionen stellen funktionale Verbindungen zwischen physikalischen Eigenschaften her, die ein System an verschiedenen Orten und/oder verschiedenen Zeiten annehmen kann. Somit enthalten diese Funktionen wesentliche Informationen über die räumliche und zeitliche Entwicklung des Systems und nehmen daher in vielen Bereichen der Physik eine zentrale Rolle ein.

In der Theorie der Kondensierten Materie ist die sogenannte direkte Korrelationsfunktion von großer Bedeutung, da sie im Rahmen der Dichtefunktionaltheorie mit dem Energiefunktional (und somit mit der Thermodynamik des Systems) in enger Beziehung steht: im Rahmen dieses Formalismus (zu dessen Entwicklung der in Wien geborene Chemie-Nobelpreisträger und Ehrendoktor der TU Wien Walter Kohn grundlegende Beiträge geliefert hat) kann man sie als zweite Ableitung des Energiefunktionals berechnen. Die direkte Korrelationsfunktion, die sowohl im Experiment als auch im Rahmen theoretischer Konzepte ermittelt werden kann, spielt im Bereich der Kondensierten Materie insofern eine zentrale Rolle, als sie nicht nur Aussagen über die Struktur und die Thermodynamik liefert, sondern auch Auskunft über ein breites Spektrum von relevanten Systemeigenschaften gibt, das von der lokalen Ordnung und (Gitter-)Defekten bis hin zu den elastischen Eigenschaften reicht.

Im Rahmen eines von der DFG und dem FWF geförderten, bilateralen Projektes gelang es in Zusammenarbeit zwischen Forschergruppen aus Konstanz (Professor Matthias Fuchs), Tübingen (Professor Martin Oettel) und der TU Wien (Professor Gerhard Kahl, Institut für Theoretische Physik) diese Korrelationsfunktionen erstmals für einen FCC Kristall explizit zu berechnen, wie er etwa von harten (also undurchdringlichen) Kolloidteilchen gebildet wird. Bisherige Berechnungsversuche dieser Funktion waren am immensen numerischen Aufwand gescheitert, sodass bislang behelfsmäßig Ersatzfunktionen aus der Theorie der Flüssigkeiten verwendet wurden.

Die wahrhafte numerische tour de force, die im Rahmen dieses Projektes für die explizite Berechnung dieser Korrelationsfunktionen notwendig war und vor kurzem in einem Artikel in der Zeitschrift Physical Review Letters publiziert wurde, hat sich bezahlt gemacht. Zum einen konnte der Unterschied zwischen den Korrelationsfunktionen in der kristallinen und in der flüssigen Phase explizit beleuchtet werden; es konnte nachgewiesen werden, dass die bislang verwendeten Ersatzfunktionen fundamentale Mängel aufweisen: das bezieht sich nicht nur auf die Größenordnung dieser Funktionen sondern auch auf deren explizite Richtungsabhängigkeit entlang von Symmetrieachsen innerhalb des Kristalles. Desweiteren haben Computersimulationen gezeigt, dass reale Kristalle eine kleine Konzentration von Gitterfehlstellen haben, dies wurde durch numerische Daten bestätigt und die große Wirkung dieser Fehlstellen auf die Korrelationsfunktion demonstriert. Und schließlich eröffnen die neu ermittelten Korrelationsfunktionen die Möglichkeit einer erstmals fundierten Bestimmung der elastischen Eigenschaften von Kristallen bei endlichen Temperaturen. In diesem Sinn sind diese Arbeiten im Bereich der Kondensierten Materie zukunftsweisend.