Institut für die Kulturen des Alten Orients

Sharuna/el-Kom el-Ahmar

Der Fundort el-Kom el-Ahmar liegt in Mittelägypten, 3 km südlich des Dorfes Šaruna, in einer bis jetzt wenig erforschten Gegend. Schriftliche Quellen bezeichnen ihn als Hauptstadt des 18. oberägyptischen Gaues, deren Name, Hw.t-nsw, bis in die ptolemäische Zeit überliefert ist. Der koptische Ortsname ist nicht bekannt. Aufgrund der archäologischen Zeugnisse ist eine kontinuierliche Besiedlung des Gebiets vom Alten Reich bis in die spätrömisch-byzantinische Zeit belegt.

Zielsetzung des Projekts, das von der DFG und seit 2006 vom Museu Egipci de Barcelona, Fundaciò Arqueològica Clos, finanziell getragen wird, ist die Erforschung der Besiedlungsstrukturen des Gebiets um den Kom el-Ahmar unter chronologischen, wirtschaftlichen und topographisch Aspekten. Ausgrabungen werden schwerpunktmäßig auf dem Siedlungshügel, in der Felsnekropole sowie im spätrömisch-byzantinischen sakralen Komplex, der eine Grabkirche im Tal und Einsiedeleien in der Wüste umfasst, durchgeführt (Abb. 1). Wichtiger Bestandteil des Projekts sind die parallel unternommenen geologischen Arbeiten.

Eine Siedlung, die vom Anfang des Alten Reiches bis zur 1. Zwischenzeit/Anfang des Mittleres Reiches bewohnt war, wurde infolge heute abgeschlossener Untersuchungen auf dem Siedlungshügel aufgedeckt (Abb. 2). Der Standort der Besiedlung vom Mittleren Reich bis in die römische Zeit konnte bis jetzt nicht erfasst werden. Derjenige der spätrömisch-byzantinischen Zeit ist dagegen auf dem Siedlungshügel sowie im Bereich der Felsnekropole lokalisiert worden. Die Felsnekropole wurde von der 6. Dynastie bis in die ptolemäische bzw. römische Zeit genutzt (Abb. 3). Zahlreiche Gräber – davon nur wenige dekoriert und beschriftet – wurden bisher freigelegt (Abb. 4). Neuere Ausgrabungen haben im Jahr 2009 zur Freilegung von unterirdischen Räumen geführt, die als Bestattungskammer für mehr als 500 Vogelmumien dienten.

Durch die Entdeckung einer Grabkirche und eines Klosterkomplexes verlagerte sich in den letzten Jahren der Forschungsschwerpunkt auf die bisher kaum beachtete spätrömisch-byzantinische Zeit. Die Untersuchungen an der Kirche, die eine der wenigen in Ägypten bisher vollständig ausgegrabene Grabkirchen ist, sind abgeschlossen. Die Kirchenbauten wurden über ein Heiligengrab errichtet (Abb. 5), was bei den Gläubigen den Wunsch erweckte, sich in dessen Nähe – ad sanctum – begraben zu lassen. Demnach ist der Kircheninnenraum mit über 200 Gräbern dicht gepflastert und ein Außenfriedhof erstreckt sich in einem Umkreis von 200 m. Mehr als 1000 Gräber wurden freigelegt; angesichts der Dichte der Belegung zählte der Friedhof ursprünglich um die 10.000 Gräber.

Zu der Kirche gehört ein Klosterkomplex, der nicht weit entfernt in der Wüste liegt. Es handelt sich um eine Laura, die aus mehr als 20 einzelnen Einsiedeleien besteht. Die kleine Klosteranlage Deir el-Qarabin bildet das religiöse und wirtschaftliche Zentrum der Laura (Abb. 6). Es setzt sich aus zwei Teilen mit deutlich unterschiedlichen Funktionen zusammen: Im Norden ein massiver Turm sowie wirtschaftliche Einrichtungen, im Süden eine sakrale Anlage mit Kirche (Abb. 7) und Friedhof. Die Folge Heiligengrab – Kirche – Gräber ad sanctum konnte archäologisch auch hier besonders klar nachgewiesen werden, da die Kirche über einem Heiligengrab errichtet wurde. Im vollständig geplünderten Friedhof waren mindestens 30 Individuen bestattet (Abb. 8). Zurückgeblieben ist die auseinandergerissene Grabausstattung, die vor allem aus Unmengen an Textilien besteht. Ihre Untersuchung war der Anstoß zu einem Schwerpunktprogramm, der sich mit der Textilforschung in der spätrömisch-byzantinischen Zeit befasst. Die Ausgrabungen des Platzes werden 2010 zu Ende geführt.

Projektleitung:

Béatrice Huber (beatrice.huberspam prevention@uni-tuebingen.de)

Institut für die Kulturen des alten Orients (IANES)
Abteilung für Ägyptologie Universität Tübingen
Schloss Hohentübingen
72070 Tübingen