Institut für die Kulturen des Alten Orients

Erben und Vererben in der altbabylonischen Zeit (ca. 2000-1600 v. Chr.)

Was geschieht mit Vermögen im Todesfall? Auf wen geht es über? Und wie wird es gegebenenfalls aufgeteilt? Diese Fragen treiben alle Vermögenden und deren Angehörige bis heute um. Sie sind wahrscheinlich so alt wie die Idee vom Eigentum selbst. In schriftlichen Quellen aus Mesopotamien werden sie erstmals im 3. Jahrtausend v. Chr. greifbar. Sind es da erst wenige Keilschrifttexte, welche Fragen des Erbens und Vererbens berühren, nimmt ihre Anzahl zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. deutlich zu.

Aus Assyrien sind aus dieser Zeit die ältesten Testamente der Menschheitsgeschichte bezeugt. In Babylonien schrieb man keine Testamente, dokumentierte aber die Anteile, welche die Erben bei der Teilung eines Nachlasses erhielten. Die Erbteilungsurkunden dienten den Erben als Nachweis ihrer Eigentumsrechte an den Erbteilen.

Die heute bekannten rund 300 Erbteilungsurkunden sowie weitere Rechtsurkunden und Bestimmungen in den Rechtssammlungen werden im Projekt inhaltlich ausgewertet. Nachgegangen wird folgenden Fragestellungen: Welches Formular haben Erbteilungsurkunden? Welche Unterschiede im Formular gibt es in den verschiedenen Städten Babyloniens? Wie lauten die sumerischen und akkadischen erbrechtlich relevanten Begriffe und wie sind sie konkret zu verstehen? Welche Güter sind in Nachlässen dokumentiert und in welchem Umfang? Wer waren die Erblasser und wer die Erben? Wie hat man sich den Ablauf einer Erbteilung vorzustellen? Wie groß waren die Anteile der einzelnen Erben?

Eine weitere Frage betrifft zudem die wirtschaftliche Auswirkung von Erbteilung: Das väterliche Vermögen erbten in der Regel die Söhne. Töchter erhielten bei der Heirat eine Mitgift, zogen in den Haushalt des Ehemannes und schieden aus ihrer Familie aus. Die Söhne teilten das Vermögen zu gleichen Teilen. Der älteste Sohn erhielt einen Extra-Anteil vermutlich als Entschädigung für seine Aufgaben als Nachlassverwalter. Dieser Extra-Anteil umfasste aber höchstens einen extra Erbteil. Da die Familien, die uns in den Erbteilungsurkunden entgegentreten, z.T. sehr kinderreich waren, mussten diese Regeln der Erbteilung auf Dauer eine Zersplitterung des Familienvermögens mit sich bringen. Untersucht werden soll daher auch, ob es geeignete Maßnahmen gab, diesem Effekt entgegenzuwirken und inwieweit sie Anwendung fanden.