Das Ziel der vergleichenden kulturhistorischen Promotion ist es, das Phänomen des „wundersamen“ Fastens (junger) Frauen, sogenannter Miraculous Maids/Fasting Girls/Wundermädchen, im 19. Jahrhundert in (West-) Europa und Nordamerika zu untersuchen. Diese Frauen gaben an, über einen Zeitraum von mehreren Monaten bis zu mehreren Jahren freiwillig auf Nahrung zu verzichten. Sie erhielten regionale, nationale und teilweise sogar internationale Aufmerksamkeit von Journalisten, Zeitungslesenden und Besuchenden sowie von Ärzten, Klerikern und Juristen im Speziellen. Die Wahrhaftigkeit der Aussagen der Fastenden Frauen wurde durch Wachen (watches) überprüft, bei denen lokale Ehrenmänner oder medizinisches Personal die Frauen in ihrem Zuhause ununterbrochen für mehrere Tage oder Wochen beobachteten. Dabei wurden manche Frauen als Betrügerinnen entlarvt, andere galten danach gewissermaßen als anerkanntes Wunder – wenn auch eher unfreiwillig durch Mediziner bestätigt, die keinen Betrug feststellen konnten. Die Fastenden Frauen wurden so zu touristischen Attraktionen im eigenen Zuhause.
Die bisherige einseitige Fokussierung der Erforschung der Fastenden Frauen im Kontext der Entstehung von Krankheitsbildern (Anorexia nervosa) oder als Formen weiblicher Spiritualität soll in dieser Promotion aufgegeben werden, da das Thema neben Wissenschafts- und Medizingeschichte sowie Religionsgeschichte noch weitere Bereiche der modernen Geschichtsschreibung berührt, einschließlich, aber nicht ausschließlich: Emotions-, Körper sowie Geschlechtergeschichte, Rechtsgeschichte, Celebrity Studies und Unterhaltungsgeschichte (leisure history). Der neue, unkonventionelle Fokus dieser Promotion liegt deshalb auf dem Spektakel und dem Unterhaltungsregime der Fastenden Frauen.
Kurzvita
Geboren in Gießen. Bachelorstudium Geschichte, Anglistik (und ein bisschen BWL) an der Universität Mannheim und University of Bristol (UK). Abschlussarbeit über die Entstehung von Science-Fiction Literatur im Deutschen Kaiserreich. Englischsprachiges Masterstudium „European History“ an der Humboldt-Universität zu Berlin und am King’s College London (UK). Abschluss mit einer Fallstudie zu Sarah Jacob (1857-1869), einem walisischen Fasting Girl. Freiberuflich in der politischen Bildung tätig zu den Themen (Anti-)Klassismus und Demokratie.
Projektbeginn
Ende 2021
Kontakt
elisa.heuserspam prevention@uni-tuebingen.de