Gesundheit ist ein zentrales Gut jeder Gesellschaft. Die flächendeckende und gerechte Gewährleistung von Gesundheitsleistungen für alle Mitglieder einer Gesellschaft ist daher eine Kernaufgabe staatlichen Handelns. Im Alltag wird diese durch das Gesundheitssystem, das auf medizinisch-ethische Standards einer individuellen und bedarfsgerechten Versorgung beruht, gewährleistet. Eine solche Versorgung ist materiell ebenso wie personell ressourcenintensiv und erfordert stabile sowie verlässliche Infrastrukturen.
Sollten die materiellen oder personellen Ressourcen im Kontext von extremen Ereignissen nicht ausreichen, um die Individualversorgung aller Verletzten oder Betroffenen zu gewährleisten, wird eine Anpassung des Blicks auf medizinisches Handeln, hin zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Grundversorgung der Bevölkerung notwendig. Diese Anpassung erfolgt in der Umstellung von Individualmedizin zu Katastrophenmedizin. Ob eine derartige Anpassung angemessen ist, ist dabei nicht nur von Kosten-Nutzen-Analysen konkreter Maßnahmen abhängig, sondern verweist auf grundsätzliche Fragen des ärztlichen Berufsethos, gesellschaftlicher Vorstellungen eines guten Lebens sowie auf Aspekte einer gerechten Verteilung begrenzter Ressourcen. Die Wendung zur Katastrophenmedizin ist somit nicht nur strukturelle und logistische, sondern auch eine ethische Problemstellung.
Eine besondere Situation, in der katastrophenmedizinisches Handeln zur Anwendung kommt, ist der Zivilschutzfall. In dieser Situation hat der Bund nach Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz und plant, organisiert und führt alle zivilen Maßnahmen durch, „die zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit einschließlich der Versorgung und des Schutzes der Bevölkerung erforderlich sind“ (BMI 2016, 9). Mit der Erstellung des Konzepts Zivile Verteidigung hat das BMI 2016 die Entwicklung verschiedener Rahmenkonzepte nahegelegt, um eben diese Problemstellungen zu adressieren. Die Grundlage hierfür ist die Überzeugung, dass die Vorsorge und planerische Vorbereitung für einzelne identifizierte Problemstellungen grundsätzlich möglich sind.
Wenngleich der Umgang mit ethischen Problemstellungen im aktuellen Konzept wiederholt adressiert wird, gibt es bisher keine strukturierte und praxisorientierte Auseinandersetzung. Dies zu ändern und für den katastrophenmedizinischen Kontext Orientierung für die Bearbeitung ethischer Herausforderungen zu geben, ist Ziel des Projekts EKAMED ist.
Hierzu wird ein Leitfaden für den Umgang mit ethischen Problemstellungen im Kontext von katastrophenmedizinischem Handeln erstellt. Aufgrund der Vielfalt möglicher Fragestellungen fokussiert EKAMED dabei auf ethische Fragestellungen katastrophenmedizinischen Handelns von sanitäts- und betreuungsdienstlichem Personal. Dieser Leitfaden soll einerseits Unterstützung für Einsatzkräfte geben, die in ihrem Handeln den verschiedenen ethischen Problemstellungen gegenüberstehen. Andererseits soll dieser Leitfaden die ethischen Implikationen von katastrophenmedizinischem Handeln für Einsatzkräfte und die Bevölkerung sichtbar machen und damit einen bewussten Umgang mit assoziierten Herausforderungen fördern. Auf diese Weise soll nicht nur die Einhaltung zentraler ethischer Wertvorstellungen unserer Gesellschaft auch in Krisenzeiten unterstützt werden, sondern auch die Legitimität veränderter Prioritätensetzung dargelegt und so eine gleichermaßen begründete und zu rechtfertigende Akzeptanz fördern.
Trotz des Rahmens des Zivilschutzfalls, als Situation eines Schutzes der Zivilbevölkerung im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen auf deutschem Hoheitsgebiet, findet zu keiner Zeit eine Forschung zu militärischen Zwecken statt.