„Die Welt ist in Bewegung. Was in anderen Zeiten hoffnungsvolle Erwartungen geweckt haben mag, ist angesichts der dramatischen Umbrüche der letzten Jahre für viele in Europa heute eine beunruhigende Feststellung. Kriege und Klimawandel erzeugen Verunsicherung und Desorientierung. […] Weit weniger in den Blick kommen die Konsequenzen, die jene zu tragen haben, für die auch der Status quo ante bereits ein Kampf um Würde und bisweilen sogar das Überleben war: indigene und rassifizierte Bevölkerungsgruppen, Land- und Staatenlose, Migrant:innen und Flüchtlinge, Arbeiter:innen im Sorgebereich und im informellen Sektor, Menschen in Konfliktherden außerhalb der globalen Aufmerksamkeit etc.
Mit der Welt sind auch die Religionen und Kirchen in Bewegung. Selbst wenn es aus (west)europäischer Perspektive bisweilen nicht so scheint: Das globale Christentum, und mit ihm die katholische Kirche, befindet sich in einem rasanten Transformationsprozess – demografisch wie kulturell und spirituell, sozial und politisch. […] Dass die künftige Gestalt der katholischen Kirche jedenfalls eng damit zusammenhängt, wie sie sich zu den aktuellen sozialen, politischen, kulturellen, und ökonomischen Veränderungsprozessen verhält, zeigt sich ex negativo darin, dass gerade jene, die auf besonders radikale Formen der kirchlichen ‚Entweltlichung‘ drängen, auch besonders häufig in allzu weltliche Allianzen von Kirche und Politik zurückfallen. In politischer wie kirchlicher Hinsicht gilt: Wer Bewegung nicht bloß passiv erleiden möchte, muss sie aktiv gestalten, sich also auch selbst in Bewegung setzen. Dafür braucht es gerade in komplexen und unübersichtlichen Situationen klare Kriterien und den Mut, auch ungewöhnliche Bündnisse einzugehen.“
Hierbei spielen nicht zuletzt die Option für die Armen wie die so genannten Popularen Bewegungen eine zentrale Rolle, wie auch Papst Franziskus stark betont. „Sowohl die Option für die Armen wie der Dialog mit den Sozialen und Popularen Bewegungen lassen sich mit und über Franziskus hinaus weiterentwickeln, wenn man sie mit den Fortschreibungen verbindet, die die Befreiungstheologie(n) in den letzten Jahrzehnten im Dialog mit feministischen, rassismuskritischen, post- und dekolonialen Ansätzen erfahren hat bzw. haben. Dieses Heft gibt davon einen exemplarischen Eindruck. Die Beiträge stammen aus einem Symposium des internationalen Forschungsnetzwerkes zum Denken des spanisch-salvadorianischen Befreiungstheologen und Jesuiten Ignacio Ellacuría (1930–1989), das im Juli 2022 mit Unterstützung von DFG, Misereor und Adveniat an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen zum Verhältnis von Theologie und neuen Sozialen und Popularen Bewegungen stattgefunden hat.“
(aus dem Editorial)
Unlängst ist das erste Doppelheft der ThQ 2024 mit einem Schwerpunkt auf Beiträgen zur Rezeption des spanisch-salvadorianischen Befreiungstheologen und Jesuiten Ignacio Ellacuría (1930–1989) vollständig online erschienen. Außerdem enthält diese Doppelnummer der ThQ weitere interessante Beiträge, etwa den Text der Tübinger Antrittsvorlesung unserer Fundamentaltheologin Saskia Wendel.
Dass diese Ausgabe der ThQ diesmal vollständig auch digital zugänglich ist, ist einmal dem Umstand geschuldet, dass außergewöhnlich viele Beitragende aus anderen als dem deutschsprachigen Raum stammen, und Ihnen und Ihren Arbeitszusammenhängen das Heft so rasch und unkompliziert zur Verfügung gestellt werden soll. Es ist aber auch eine Richtungsanzeige für die zukünftige Entwicklung, die die Herausgeber:innen voranbringen wollen: Angestrebt wird eine stärkere digitale Präsenz dieser weltweit ältesten theologischen Fachzeitschrift.
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