Das von der DFG geförderte Forschungsprojekt „Europa nach dem Krieg – Die Potenziale der Kunst in den späten 1940er und den 1950er Jahren“ nimmt eine kunsthistorische Neuperspektivierung vor: Mit der Fokussierung auf die kunstspezifischen Ausdrucksmöglichkeiten wird die Frage nach der Rolle von Kunst bei der Formierung der europäischen Nachkriegsordnung gestellt. Statt den Mustern einer bis heute nachwirkenden Kunstgeschichte des Kalten Krieges zu folgen, erkennt die Untersuchung so Kunst als maßgebliche Verhandlungsinstanz an, die an den Dynamiken zur Gestaltung der neuen kulturellen Räume auf eine ihr eigene Weise aktiv beteiligt war. Um dies auch unter Berücksichtigung der zwei verschiedenen politischen Systeme, die sich in Europa nach dem Krieg etablierten, herausarbeiten zu können, bilden die drei ästhetischen Aspekte Material, Form und Medium den Rahmen der Analyse. Anhand von Debatten und Praktiken der Nachkriegszeit wird anhand dieser drei Themenfelder gezeigt, wie (noch) nicht Sagbares, Kontroverses oder gar Disparates durch die Kunst zur Anschauung gebracht und verhandelt wurde: Im Forschungsfeld "Material und Verfahren: Experiment + Tradition" werden anhand von Ton/Töpferei und Fäden/Weberei Konzepte von Universalismus vorgestellt, mit denen Künstlerinnen und Künstler wie Asger Jorn und Anni Albers anstrebten, Europa in die Zivilisationsgeschichte zu reintegrieren. Im Forschungsfeld "Form: Figuration und Abstraktion" werden zwei Konzepte in den Blick genommen, die auf unterschiedliche Weise Realität verbildlichen. Mit den bildhauerischen Werken von Betty Rea und Barbara Hepworth werden nicht die vieldiskutierten Differenzen dieser Modi erneut konstatiert, sondern stattdessen den verborgenen Gemeinsamkeiten nachgegangen, die mit ihren latenten Strukturen Spezifika von Europa beschreiben. Im Forschungsfeld "Medium: Dynamiken von Bedeutungen im Fotobuch" wird anhand einer auf der Schnittstelle zu den Massenmedien angesiedelten künstlerischen Publikationsform die Rolle von visuellen Traditionen diskutiert. Hierfür bilden das fotografische Werk sowie die Schriften von Martien Coppens den Ausgang.
Die Untersuchung versteht sich als Beitrag zur Entwicklung einer horizontalen Kunstgeschichte, die Europa nicht als verbindlichen Maßstab begreift, jedoch die historische Relevanz dieser Region hinsichtlich Kunst anerkennt. Die Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen, die für die Kunstgeschichte Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas spezialisiert sind und ihre Kompetenzen einbringen, ist wichtiger Bestandteil dieses Projekts.
Laufzeit: 1.4.2017 – 31.3.2020
Projektleitung: Prof. Dr. Barbara Lange
Kooperationspartner*innen: Prof. Dr. Arnold Bartetzky (Leibniz-Institut GWZO, Leipzig), Dr. Marina Dmitrieva (Leibniz-Institut GWZO, Leipzig) und Prof. Dr. Dr. Tanja Zimmermann (Institut für Kunstgeschichte der Universität Leipzig)
Forschungsstudentinnen: Elisabeth Weiß, Paul Ambros
Kontakt: postwar.europe[at]khi.uni-tuebingen.de
www.postwar-europe.de