Uni-Tübingen

B4: Ästhetik der Kombinatorik. Personifikationen und Allegorien in Literatur und Kunst des Mittelalters

Das Projekt versteht die Kombinatorik als einen Schlüsselbegriff ,anderer‘ Ästhetik. Dass vormoderne Literatur und Kunst durch variantenreiches Kombinieren und Kompilieren geprägt sind, gilt für viele Darstellungsbereiche: Untersucht werden spätmittelalterliche Texte und Bilder, die der Welterfassung und -deutung dienen, und die ihren Lesern und Leserinnen Orientierung bieten. Andachtsbücher, Minnereden, Kalendarien und Hausbücher spiegeln auf je unterschiedliche Weise das Bedürfnis, Wirkkräfte für ein gelingendes menschliches Leben aufzuspüren und Orientierungswissen zu vermitteln. Diese Werke stellen Verortungsangebote und Weltwissen bereit, und zwar in anspruchsvoll geformter Weise, nämlich im Modus des Uneigentlichen, Allegorischen.

Personifikation und Allegorie verweisen dabei immer schon auf ihre ,Gemachtheit‘, auf ihre Artifizialität. Die besondere Sorgfalt, mit der Personifikationen zu allegorischen Komplexen gefügt und in sinnfälligen Text- bzw. Bildsystemen komponiert wurden, offenbart das Potential dieser für die Ästhetik der Vormoderne zentralen, aber bislang kaum systematisch untersuchten Konzeptionsstrategie.


Der allegorische Darstellungs- und Argumentationsmodus ist Texten und Bildern gemeinsam, so dass der literaturwissenschaftliche und der kunsthistorische Arbeitsbereich eng miteinander verbunden sind: in verwandten Untersuchungsgegenständen, in der Kombinatorik als Modell und in einem praxeologischen Zugriff auf das Material, bei dem Kontexte, Akteure (Produzent:innen und Rezipient:innen) und Funktionen einzelner Handschriften berücksichtigt werden.


Team

Projektleitung:

2. Förderphase:
Prof. Dr. Sandra Linden
Prof. Dr. Andrea Worm

1. Förderphase:
Prof. Dr. Sandra Linden
Dr. Daniela Wagner 

Projektmitarbeitende:

2. Förderphase:
Marlene Barth
Lisa Weinberger

1. Förderphase:
Katharina Bauer
Julia Fischer

Assoziierte:

Marlene Schilling

Hilfskräfte:

Felix Hoffmann
Johanna Schüssler
Jasmin Schels

 

 


Aktivitäten

Veranstaltungen

2023

Vortrag: Linden, S.: Sichtbarkeit der Begriffe. Handelnde Personifikationen als Reflexionsfiguren im Minnesang und Sangspruch, Universität Erlangen, 14.11.2023.

Vortrag: Worm, A.: Räume der Deutung. Noahs Arche und die Ordnung der Welt, Tagung: „Der Raum zwischen Kunst und Geschichte“ zu Ehren von Prof. Dr. Gerhard Weilandt, Universität Greifswald, 27.10.2023.

Vortrag: Linden, S.: Texte ohne Bilder und Bilder ohne Text. Beobachtungen zum Leidener Wigalois-Codex. Tagung: „Wigalois in Text und Bild. Der Leidener Codex und seine Kontexte”, Universität Bamberg / Universität Würzburg / Universität Erlangen, Schloss Herzberg Harz, 12.–14.10.2023.

Vortrag: Worm, A.: Chronologische und genealogische Modelle in gedruckten Universalchroniken, Tagung des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte: „Inkunabelforschung für morgen – Wege, Ziele, Perspektiven“, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, 28.09.2023.

Vortrag: Worm, A.: „fac tibi arcam“. Die Arche Noah als Diagramm und visuelles Modell, Jahrestagung der Görres-Gesellschaft, Sektion „Bild – Schrift – Zeichen“, Universität Tübingen, 23.09.2023.

Gastvortrag: Prof. Dr. Henrike Lähnemann (University of Oxford): Sammelhandschriften als Netzwerke. Norddeutsche Frauenklöster und ihre Handschriftenproduktion, Universität Tübingen, Neuphilologikum, 18.07.2023.

Vortrag: Linden, S.: Frau Minne, Frau Ehre und Herr Herbst. Personifikationen als Reflexionsfiguren im Minnediskurs, Universität Bielefeld, 06.07.2023.

Vortrag: Barth, M.: Astronomisches und astrologisches Wissen im Buch vor 1500, Workshop: „Drucksachen. Inkunabeln und Einblattdrucke der Universitätsbibliothek Tübingen“, Universitätsbibliothek Tübingen, 23.06.2023.

Vortrag: Linden, S.: Anleitungen zu einem guten geistlichen Leben. Erbauungsschrifttum in den Tübinger Inkunabelbeständen, Workshop: „Drucksachen. Inkunabeln und Einblattdrucke der Universitätsbibliothek Tübingen“, Universität Tübingen, 23.06.2023.

Vortrag: Worm, A.: Kombinatorische Strategien in der Weltchronik Hartmann Schedels, Workshop: „Drucksachen. Inkunabeln und Einblattdrucke der Universitätsbibliothek Tübingen“, Universität Tübingen, 23.06.2023.

Workshop: Linden, S. / Worm, A. / Stöbener, Kristina (UB Tübingen): „Drucksachen. Inkunabeln und Einblattdrucke der Universitätsbibliothek Tübingen“, Universität Tübingen, 22.–23.06.2023.

Vortrag: Barth, M.: Astronomie im Druck. Die Inkunabel Bd. 23.4 und ihre Sternbilder, Veranstaltungsreihe „Born In The Bonatzbau”, Universität Tübingen, 03.02.2023.

 

2022

Präsentation: Weinberger, L.: Vorstellung des Dissertationsprojekts: Lebensentwürfe im Liebesdiskurs. Kombinationen von Personifikationen in Minnereden zur Vermittlung höfischer Wertvorstellungen, Mediävistisches Oberseminar, Universität Tübingen, Neuphilologicum, 21.12.2022. (digital)

Präsentation: Fischer, J.: Hervorheben und Zurücktreten. Überlegungen zu Alterspersonifikationen im Oeuvre Friedrichs von Sonnenburg, Mediävistisches Oberseminar, Universität Tübingen, Neuphilologicum, 01.06.2022.

Vortrag: Worm, A.: New Order. Combinatorics as a Visual Strategy in the Twelfth CenturyImage and Narrative in Romanesque Art“, British School of Rome, 28.03.2022. 

Vortrag: Linden, S.: Die Personifikation der Glucksammekeit in der Pilgerfahrt des träumenden Mönchs, Tagung: „gelücke. Literarische Formationen des Glücks zwischen Fortuna, saelde und heil im Mittelalter“, Universität Düsseldorf, 16.–18.03.2022.

Präsentation: Bauer, K.: Vorstellung des Dissertationsprojektes, Kunsthistorisches Kolloquium Mittelalter und Frühe Neuzeit, Universität Tübingen, 22.02.2022.

Workshop mit Prof. Dr. Cornelia Logemann (München): Gewirkte Personifikationen: Über das Zusammenspiel von Tapisserie und Text im 15. Jahrhundert, 13.01.2022. (digital)

 

2021

Vortrag: Dr. Julia Rüthemann (Potsdam): Einige Beobachtungen zur Allegorie in allegorischen Ich-Erzählungen (‚Minnelehre‘, ‚Roman de la Poire‘, ‚Die Jagd‘), 08.12.2021. (digital)

Eröffnung: Digitale Ausstellung „Personifikationen. Begriffe, Ideen und ihre mittelalterlichen Verkörperungen“ mit Graffiti-Aktion von seler (loc), 15.10.2021.

Workshop mit  Prof. Dr. Irene Rapp / Laura Bon (SFB 833): Personifikation und Metapher. Linguistische und literaturwissenschaftliche Perspektiven, 21.09.2021. 

Session: Acting Personifications and Aesthetic Reflection in Word and Image, IMC Leeds, organisiert von B4, mit Katharina Bauer: Human Relationships and Meaningful Acts: An Insight into Personifications in Medieval Art und Jan Stellmann: Speech Act: The Linguistic Activity of Medieval Personifications as Aesthetic Transgression, 06.07.2021. (digital) 

Workshop mit Jessica Savage (Index of Medieval Art, Princeton): Living Virtues and Charity Trees: Psalm Personifications in Action, 24.6.2021. (digital) 

Vortrag: Dr. Coralie Rippl-Uhlenhut (Zürich): Gott, der Zufall und der Erzähler – Zum höfischen Roman zwischen ‚literarischer Autonomie‘ und Religiosität, 16.06.2021. (digital) 

Vortrag: Linden, S. / Wagner, D.: Personifikationen. Die Sichtbarkeit der Begriffe, Ringvorlesung Aesthetic turn – Perspektiven einer ‚anderen‘ Ästhetik der Vormoderne, 10.06.2021. (digital) 

Präsentation: Fischer, J.: Von oren druosel und sniudeln. Die Personifikation als Reflexionsfigur in der Sangspruchdichtung, Vortrag im Mediävistischen Oberseminar, Universität Tübingen, 03.03.2021. (digital) 

Workshop mit Dr. Heike Schlie (Salzburg): Körper und Affekt der Personifikation im Bildvollzug, Universität Tübingen, 11.02.2021. (digital)

 

2020

Workshop mit Prof. Dr. Caroline Emmelius (HU Berlin): Bild und Klang: Sinnliche Schichtungen im Fließenden Licht, 24.11.2020, 10–12 Uhr. (digital) (coronabedingt digitale Umsetzung und neuer Termin).

Workshop mit Mariam Hammami (Tübingen): Abstraktum, rhetorische Figur, Körper. Zur Beschaffenheit der Personifikation, 02.07.2020. (digital)  

Präsentation: Fischer, J.: Handelnde Personifikationen als ästhetische Reflexionsfigur in der Literatur des Mittelalters, Projektbereichstreffen des SFB 1391 Andere Ästhetik, Universität Tübingen, 29.06.2020. (digital)

Präsentation: Bauer, K.: Das personifizierte Fleisch in der Bible moralisée, Codex 2554: Überlegungen zu Körper und Handeln eines personifizierten Abstraktums, Projektbereichstreffen des SFB 1391 Andere Ästhetik, Universität Tübingen, 29.06.2020. (digital)

Vortrag: Prof. Dr. Caroline Emmelius: Vortrag frovwe minne und amor: "Reflexionsfiguren einer theologischen Ästhetik bei Mechthild von Magdeburg und Mechthild von Hackeborn". 20.05.2020. (coronabedingt entfallen)

Vortrag: Prof. Dr. Henrike Lähnemann (Oxford): Willkommen Ostertag! Personifikation in den Medinger Andachtsbüchern, 23.04.2020. (digital)  

 

2019

Präsentation: Fischer, J.: Latenz und Präsenz. Personifikationen in der mittelhochdeutschen Sangspruchdichtung (Vorstellung Dissertationsprojekt), Vortrag im Mediävistischen Oberseminar, Universität Tübingen, 11.12.2019. 

Vortrag: Dr. Christoph Schanze (Gießen): Walther und Frau Bohne. persona und Personifikation, Universität Tübingen, Brechtbau, 06.11.2019. 

Publikationen

2023

Stellmann, J. / Wagner, D.: Materialität und Medialität. Zur Einführung: in: Jan Stellmann / Daniela Wagner (Hgg.): Materialität und Medialität. Grundbedingungen einer anderen Ästhetik in der Vormoderne, Berlin / Boston 2023 (Andere Ästhetik. Koordinaten 5), S. XIII–LI.

Stellmann, J. / Wagner, D. (Hgg.): Materialität und Medialität. Grundbedingungen einer anderen Ästhetik in der Vormoderne, Berlin / Boston 2023 (Andere Ästhetik. Koordinaten 5).

 

2022

Linden, S. / Wagner, D.: Die Gewalt der Caritas. Handelnde Personifikationen als ästhetische Reflexionsfiguren, in: Annette Gerok-Reiter / Jörg Robert / Matthias Bauer / Anna Pawlak (Hgg.): Andere Ästhetik. Grundlagen – Fragen – Perspektiven, Berlin / Boston 2022 (Andere Ästhetik. Koordinaten 1), S. 243–282.

Wagner, D.: Aesthetics of Enumeration. The Arma Christi in Medieval Visual Art, in: Roman Alexander Barton / Julia Böckling / Sarah Link / Anne Rüggenmeiner (Hgg.): Forms of List-Making. Epistemic, Literary and Visual Enumeration, London 2022. S. 249–274.

 

2021

Linden, S.: Kanonisierung: Dichter über Hartmann, in: Cordula Kropik (Hg.): Hartmann von Aue. Eine literaturwissenschaftliche Einführung, Tübingen 2021 (UTB 5562), S. 295–316. 

Linden, S.: abbreviatio als Beschleunigung. Einige Beobachtungen zu Redaktionen und Überlieferungsvarianz in der Versnovellistik, in: Julia Frick / Oliver Grütter (Hgg.): abbreviatio. Historische Perspektiven auf ein rhetorisch-poetisches Prinzip, Basel 2021, S. 407–431. 

 

2019

Linden, S.: Frau Kunst vor Gericht. Die Personifikation als Mittel ästhetischer Reflexion in Konrads von Würzburg Klage der Kunst, in: Annette Gerok-Reiter / Anja Wolkenhauer / Jörg Robert / Stefanie Gropper (Hgg.): Ästhetische Reflexionsfiguren in der Vormoderne, Heidelberg 2019 (Germanisch-Romanische Monatsschrift; Beiheft 88), S. 271–301.

Linden, S.: Du solt si erlúhten und leren (VII,8). Zur Wechselwirkung von Alterssignatur und Lehrautorität im siebten Buch des Fließenden Lichts, in: Caroline Emmelius / Balázs J. Nemes (Hgg.): Mechthild und das Fließende Licht der Gottheit im Kontext. Eine Spurensuche in religiösen Netzwerken und literarischen Diskursen im mitteldeutschen Raum des 13.–15. Jahrhunderts, Berlin 2019 (Beihefte zur Zeitschrift für Deutsche Philologie 17), S. 191–210.

Lehre

WiSe 2023/2024

Linden, S. / Stöbener, K. / Worm, A.: Bilder – Texte – Kontexte. Inkunabeln und Einblattdrucke in der Tübinger Universitätsbibliothek (Praxisseminar / germanistisches Oberseminar, Fr 10–12 Uhr)

Linden, S.: Bad Guys. Mittelalterliche Lasterpersonifikationen (Haupt- und Oberseminar, Di 9–10 Uhr).

Worm, A.: Psalterillustration. Konfigurationen von Wort, Text und Bild. (Hauptseminar, Mo 10–12 Uhr).

 

SoSe 2023

 

Linden, S.: Text-Kombinationen. Sammelhandschriften. (Haupt- und Oberseminar, Di 8–10 Uhr).

Linden, S. / Stöbener, Kristina (UB Tübingen) / Worm, A.: Bilder – Texte – Kontexte. Inkunabeln und Einblattdrucke in der Tübinger Universitätsbibliothek (Praxisseminar / germanistisches Oberseminar, Fr 10–12 Uhr)

Wagner, D.: Materialität & Medialität im 15. Jahrhundert (Hauptseminar, Di 14–16).

 

WiSe 22/23

Linden, S.: Spätmittelalterliche Erbauungs- und Meditationsliteratur (Haupt-/Oberseminar, Mi 8–10). 

Linden, S. / Worm, A.: Weltentwürfe und moralische Orientierungsliteratur in Kunst und Literatur des Mittelalters (Haupt-/Oberseminar, Mo 10–12). 

 

WiSe 21/22

Linden, S.: Ästhetische Reflexion in lehrhafter Literatur (Haupt-/Oberseminar, Di 8–10 Uhr).

 

SoSe 2021

Linden, S. / Wagner, D.: Personifikationen in Text und Bild. Konzeption einer digitalen Ausstellung (unter Mitwirkung von Katharina Bauer und Julia Fischer) (Interdisziplinäres Praxis- / Oberseminar, Mo, 10–12). 

 

SoSe 2020

Linden, S. / Wagner, D.: Ästhetische Reflexion in Kunst und Literatur des Mittelalters (Interdisziplinäres Haupt-/Oberseminar, Mo 10–12).

 

WiSe 2018/19

Linden, S. / Wagner, D.: Eigentlich / Uneigentlich. Die Personifikation in Mittelalter und Früher Neuzeit (Interdisziplinäres Haupt-/Oberseminar, Do 12–14).

Ausstellungen

Schaufensterausstellung: „Minne und Pfennig – Geld oder Liebe?“ in Kooperation mit der Stiftung Kulturlabor im LABORfenster, Mirabeauweg 3, Französisches Viertel in Tübingen, 13.07.–13.09.2022. https://www.kulturlabor-stiftung.de/projekte/neue-laborfenster-ausstellung-minne-und-pfenning

Digitale Ausstellung: Personifikationen. Begriffe, Ideen und ihre mittelalterlichen Verkörperungen. Weitere Informationen zur Veranstaltung finden sich auf der Seite der digitalen Ausstellung

Kunstaktion

Kunstaktion: „Personifikationen im öffentlichen Raum“ anlässlich der Eröffnung der Digitalen Ausstellung, Wandmalerei „Insta Fame“ von Graffiti-Writer Seler (loc), unter der Blauen Brücke, Tübingen, 15.10.2022.


1. Förderphase

Handelnde Personifikationen als ästhetische Reflexionsfigur in der Literatur und Kunst des Mittelalters

Das interdisziplinäre Teilprojekt B4 untersucht die in der Literatur und den Bildkünsten des Mittelalters häufig begegnende Personifikation als Handlungsträgerin. Als ein Phänomen der Sprache und der Imagination besetzt die Personifikation eine intermediale Schnittstelle und öffnet sich aus dieser Position heraus zur Reflexion poetologischer und bildkünstlerischer Aspekte. Die These ist, dass gerade handelnde Personifikationen ein darstellerisches Potential entfalten, das oftmals einen spezifisch ästhetischen Sinnüberschuss erzeugt. Ziel ist es, die Personifikation auf ihre Leistungsfähigkeit als Reflexionsfigur im Rahmen einer vormodernen Ästhetik hin zu befragen.