Die Dampfeisenbahn war eine Erfindung der Engländer. Der erste Zug fuhr dort seine Strecke bereits im Jahr 1825. In Deutschland fand die erste Zugfahrt am 7.12.1835 zwischen Nürnberg und Fürth statt. Im Jahr 1839 gab es erste Entwürfe für ein Württembergisches Eisenbahnnetz, und als ein Teil der geplanten Hauptverbindung Heilbronn – Stuttgart – Ulm – Friedrichshafen fuhr der erste württembergische Zug im Jahr 1845 zwischen Cannstatt und Untertürkheim.
Die Regierung in Stuttgart beschloss erst im Jahr 1857 den Bau einer Bahn bis Reutlingen, die Strecke über Tübingen nach Rottenburg aber sei nicht nötig, da die Menschen dort „eher von der Landwirtschaft“ lebten und eine Eisenbahn daher nicht lohnenswert sei.
Wo Gegner sind, sind auch Befürworter, Diskussionen und Pläne. Am Ende wurde am 17.11.1858 ein Gesetz erlassen, das den Bau der Anschlussstrecke Reutlingen – Tübingen – Rottenburg in der Finanzperiode Juli 1858-1861 anordnete. Baubeginn war Anfang 1859. In der Tübinger Chronik der Jahre 1859-1861 wurde laufend über den Baufortschritt und auch über vielfach bedauerte Baumfällarbeiten berichtet…
Am 12. Oktober 1861 fand schließlich die Eröffnungsfahrt auf der Strecke Reutlingen – Rottenburg mit ranghohen Beamten und Würdenträgern des Staates statt. Der Zug startete um 8.30 Uhr in Stuttgart, hielt in Reutlingen - wo die Lok von den „Reutlinger Damen auf’s Festlichste“ verziert wurde - und fuhr dann durch eine Ehrenpforte aus Flaggen und Fahnen samt Kanonendonnern und tausenden Zuschauern um 11 Uhr in Tübingen ein. Das Bahnhofsgebäude von Josef Anton von Schlierholz stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dieses wurde erst ein Jahr später fertiggestellt.
Unter Jubel und Musik fuhr der Zug weiter nach Rottenburg, um dort ebenfalls begeistert empfangen zu werden. Um 12.30 Uhr war „das schnaubende Dampfroß“ wieder zurück in Tübingen und die Gäste gingen durch dekorierte Straßen in den Museums-Saal, der sich in einen „herrlich duftenden orientalischen Hain“ verwandelt hatte und genossen ein Festmahl, worauf zahlreiche Tischreden und Trinksprüche folgten. Anschließend fuhr man wieder nach Reutlingen, um dort in der Festhalle mit einem Bier auf die neue Verbindung zwischen den Städten anzustoßen.
Der Streckenausbau ging zügig voran: die Eisenbahnstrecke von Rottenburg Richtung Horb war am 24. September 1861 bereits ausgesteckt. Im Staatsvertrag von 1865 zwischen Preußen und Württemberg wurden weitere Anschlussstrecken festgelegt, z.B. von Tübingen über Hechingen nach Balingen, von Balingen über Ebingen nach Sigmaringen und von Horb durchs Neckartal nach Sulz.
Auf unserer Eisenbahn-Karte aus dem Jahr 1879 kann man gut erkennen, dass fast jährlich mehrere neue Teilstrecken eröffnet wurden, die sich langsam zu einem Netz zusammenfügten.
Schnell hatte man gemerkt, dass die Fahrzeit von Tübingen über Plochingen nach Stuttgart viel zu lang dauerte. Zwischen 2,5 und 3 Stunden ohne Anschlussmöglichkeiten seien „unhaltbare“ Zustände. Weitere Gründe sprachen für den Bau einer Bahn von Stuttgart über Böblingen durch den Schönbuch bis nach Tübingen: der überwiegend durch den Holzhandel wachsende Gütertransport, steigende Einwohnerzahlen und die Personenbeförderung in umliegende Städte und eine Universitätsstadt Tübingen, die mit anderen Universitäten mithalten wollte, die das Glück hatten, nicht so „ungünstig“ zu liegen.
Der Bahnanschluss war auch ein lang gehegter Wunsch der Schönbuchgemeinden, denn die Bahn im Ort zu haben bedeutete Wohlstand. Die Regierung aber unterstützte günstigere Varianten wie eine Nebenbahn von Weil nach Dettenhausen und die Ammertalbahn von Tübingen nach Herrenberg.
Quellen/Literatur: