Veranstaltungen des Arbeitsbereichs
Am 04. Dezember 2024 hatten wir das Vergnügen, Ebru Turhan (Türkisch-Deutsche Universität, Istanbul) zu unserem Institutskolloquium begrüßen zu dürfen. Ihr Vortrag zum Thema „Germany's Role in EU-Turkey Relations: A Status Quo Power?“, der auf einer Studie mit Prof. Senem Aydın-Düzgit basiert, untersuchte den Einfluss Deutschlands innerhalb der EU und der europäischen Nachbarschaft. Sie analysierte Deutschlands Positionen und Reaktionen auf Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsverletzungen in der Türkei und argumentierte, dass Deutschland als „Status-quo-Macht“ agiert. Deutschland ergreift nur dann konkrete staatliche Maßnahmen, wenn es eine erhebliche Bedrohung seiner eigenen Interessen oder der Ordnung wahrnimmt oder wenn die Anpassung an den Status quo größere Vorteile bietet.
Ebru Turhan stellt eine Veränderung des deutschen Verhaltens zwischen den zwei Zeiträumen von 2016 bis 2020 und von 2020 bis 2023 fest. Im ersten Zeitraum reagierte Deutschland stärker auf Menschenrechtsverletzung seitens der Türkei, vorausgesetzt dies bedeutete auch ein Bedrohung der innerstaatlichen deutschen Ordnung. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Inhaftierung vieler deutsch-türkischer Menschenrechtsaktivisten durch die Türkei. Im zweiten Zeitraum verhielt Deutschland sich jedoch vorsichtiger und verzichtete sogar darauf, Verstöße der Türkei zu kritisieren, die keine Bedrohung für die eigene Politik darstellten, insbesondere wenn die Türkei für die Aufrechterhaltung der europäischen Ordnung benötigt wurde, wie im Fall des EU-Türkei-Migrationsabkommens. In dieser Periode verlagerte sich der Schwerpunkt auf die Deeskalation und eine teilweise Normalisierung der Beziehungen. Ebru Turhan interpretierte dieses Muster dahingehend, dass Deutschland es vorzog, den Status quo in den Beziehungen zwischen Deutschland/der EU und der Türkei zu erhalten. Die Studie hat auch weiterreichende Implikationen, insbesondere auf die Untersuchung der Status-quo-Macht Deutschlands im Verhältnis zu anderen strategischen Partnern der EU.
Am 27. November 2024 hatten wir das Vergnügen, Erica Resende (Brazilian War College, Rio de Janeiro) zu begrüßen. Im Rahmen unseres Institutskolloquiums hielt sie einen Vortrag zum Thema „Military Thinking in Bolsonaro's Populist Foreign Policy“. Der Vortrag basierte auf ihrem Beitrag für das kommende Routledge Handbook of Populism and Foreign Policy. Resende untersuchte mehrere ideologische Elemente, die das Weltbild des brasilianischen Militärs während des Kalten Krieges prägten, und zeigte, wie diese weiterhin Bolsonaros Außenpolitik beeinflussen. Ein Schlüsselelement ist die seit langem bestehende antikommunistische Haltung des Militärs, die Brasilien als Verteidigungsmacht gegen linke Regierungen in Lateinamerika erscheinen lässt. Ebenso wichtig ist die national-entwicklungsorientierte Haltung, die besonders in der Sichtweise des Militärs auf den Amazonas als grundlegende Ressource für den Aufstieg Brasiliens zu einer „Großmacht“ zum Ausdruck kommt. Neben dem Militär unterstützen auch Evangelisten und Vertreter der Agrarindustrie diese populistischen Ideen Bolsonaros.
Resende argumentierte, dass das Militär nicht aktiv an außenpolitischen Entscheidungen beteiligt sein muss, sondern seinen Einfluss durch das tief verwurzelte militärische Denken ausübt. Sie brachte diesen ideologischen Rahmen auch mit Bolsonaros populistischer Selbstdarstellung als Teil des Militärs und des Volkes in Verbindung. Abschließend betonte Resende, dass dieses militärische Denken zu einer grundlegenden Ideologie in Bolsonaros Außenpolitik geworden ist.
Am 23. Oktober 2024 folgte Mustapha Kamal Pasha (Universität Aberystwyth) der Einladung zur MAPIR-Jahresvorlesung und hielt seinen Vortrag mit dem Titel „IR, (De-)Coloniality and the Present Conjuncture“. Er begann damit, das gegenwärtige Verständnis von Zeitlichkeit zu hinterfragen und argumentierte, dass die Gegenwart vielschichtig ist, weshalb keine einzelne Perspektive der IB die Gegenwart vollständig erfassen oder erklären kann. Hierfür ist eine Kombination von mehreren Sichtweisen notwendig. Darüber hinaus zeigen die gegenwärtigen Ereignisse auch die Infragestellung des internationalen Systems, das fest entlang der Linien der „Souveränität“ verstanden wird – eines Verständnisses von Souveränität, das seinen Ursprung im Westen hat, aber dennoch unsere Wahrnehmungen der IB weltweit überholt hat. Er schlägt eine Alternative vor und wendet sich kritischen Theorien und dem Begriff des „Imperiums“ zu, der von der Souveränität abgekoppelt werden muss. Dennoch seien auch die kritischen Studien nicht immun gegen die gleichen fehlgeleiteten Auffassungen der Moderne und der IB, was die Überwindung der Probleme der Gegenwart schwierig mache. Daher schlug er vor, die bestehenden politischen Systeme entweder auszuweiten oder zu verkleinern, um den Einfluss der Souveränität zu verringern oder einen neuen Vertrag zu schaffen.
Am 10. Juli 2024 durften wir Constantinos Adamides (University of Nicosia) und Ahmet Sözen (Eastern Mediterranean University) zu einer offenen Podiumsdiskussion zum Zypern-Konflilkt - No Hope for Resolution? begrüßen. Das Panel fand im Rahmen des von Thomas Diez geleiteten Seminars 'Cyprus - a Conflict at the Crossroads' statt. Sözen begann die Diskussion damit, den Zypern-Konflikt in das globale Netzwerk von Machtverschiebungen und Konflikten einzuordnen, und führte die jüngsten Entwicklungen in Zypern u.a. auf entstehende Machtvakuume zurück, die beiden Seiten zu nutzen versuchten. In diesem Kontext sprach er auch über die sich verändernde Rolle der UN auf der Insel und über den Einfluss der US-Wahlen. Adamides diskutierte die verschiedenen Möglichkeiten der Konfliktlösung und wie die schwindende Hoffnung auf eine schnelle und nachhaltige Lösung zu "voter fatigue" in Zypern führe, sowie zu einem schwindenden Vertrauen in die UN. Demographischer Wandel und der Einfluss Russlands, der sich seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine auf die türkisch-zypriotische Seite konzentriere, verkompliziere die Situation weiter. Beide sprachen über die Rolle der griechisch-türkischen Beziehungen außerhalb des Zypern-Konflikts und die Unterschiede in den Wünschen der griechisch- und türkisch-zypriotischen Bevölkerung bezüglich eines dauerhaften Szenarios. Eine nachhaltige Lösung des Konflikts sei wieder in weite Ferne gerückt, so die beiden Experten. Dennoch müsse man sich in Erinnerung rufen, dass es etwas wie einen dauerhaft eingeforeren Konflikt nicht gebe, sondern dieser sich dynamisch weiterentwickle.
Am 12. Juni 2024 hatten wir das Vergnügen, Dr. Flavia Guerra Cavalcantito, Professorin an der Federal University of Rio de Janeiro und derzeit Global Encounters Fellow an der Universität Tübingen, in unserem Institutskolloquiums zu begrüßen. Sie gab Einblicke in ihre Forschung zum Thema "Ocean Thinking and the Critique of the Modern Territorial Imagination in International Relations". Guerra Cavalcantito begann ihren Vortrag mit einer Liste an Binaritäten, mit denen Land und Meer woneinander getrennt werden, wobei das Land mit Souveränität und Zivilisation assoziiert wird, während das Meer als Ort der Anarchie, der Gefahr oder als Nicht-Ort gilt. Anschließend wandte sie Carl Schmitts "Der Nomos der Erde" und "Land und Meer" an, um zu zeigen, dass der Ozean als ein Raum wahrgenommen wird, der nicht kontrolliert werden kann, da Grenzen auf einer flüssigen, sich bewegenden Oberfläche keinen Bestand haben können. Sie argumentiert, dass die traditionellen IR-Theorien nicht in der Lage sind, den Ozean als eigenständigen Akteur und damit als Ort der Wissensproduktion zu betrachten, und stattdessen auf eine territoriale Erklärungen zurückgreifen, die das Meer als ein Objekt betrachten, das extrahiert und erobert werden kann. Die Wet-Ontology und der More-than-wet-Ontology Ansätze bieten jedoch einen Ausweg, indem sie zeigen, dass der Ozean uns hilft, Raum, Zeit, Bewegung und unser eigenes Sein neu zu überdenken. Während Guerra Cavalcantito aufzeigt, dass es Überschneidungen zwischen Wet-Ontology-Ansatz und dem Poststrukturalismus gibt, kritisiert sie den Poststrukturalismus für seine Fixierung auf Land und Sprache. Im Anschluss an ihre theoretische Argumentation führte sie mehrere Beispiele an, die zeigen, dass die Trennung von Land und Meer in IR in Frage gestellt werden muss, damit der Ozean zu einem eigenständigen Agent werden kann.
Am 8. Mai 2024 hatten wir das Privileg, Fabienne Bossuyt von der Universität Gent in unserem Institutsseminar begrüßen zu dürfen. Fabienne Bossuyt hielt einen Vortrag zum Thema "The subaltern strikes back, or how Ukraine is claiming agency from Russia and the EU" (Das Subaltern schlägt zurück oder wie die Ukraine von Russland und der EU Handlungsfähigkeit einfordert), der auf einem Artikel basiert, an dem sie derzeit arbeitet. Bossuyt erörtert, wie die Ukraine, die lange Zeit von Russland als "kleiner Bruder" wahrgenommen wurde und ihr "Europäismus" von der EU in Frage gestellt wurde, begonnen hat, ihre Handlungsfähigkeit zu behaupten. Traditionell als stummes Subaltern betrachtet, hat die Ukraine ihr Narrativ geändert und beansprucht nun eine eigene politische Identität. Der Artikel verwendet einen postkolonialen Rahmen, um zu untersuchen, wie die Ukraine als "doppeltes Subaltern" dominante Darstellungen und Machthierarchien unterlaufen hat. Darüber hinaus werden kritische Sicherheitsstudien herangezogen, um zu erörtern, wie sich das ontologische Sicherheitsnarrativ des Landes gewandelt hat, indem es von einer hybriden zu einer marginalen Liminalität überging und möglicherweise eine umfassendere Handlungsfähigkeit beanspruchte. Bossuyt argumentiert, dass der energische Widerstand der Ukraine gegen Russland und die Internalisierung des ukrainischen Diskurses über die Invasion durch die EU ein Beispiel für die entstehende Handlungsfähigkeit des Landes sind. Sie kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Ukraine zwar erhebliche Fortschritte gemacht hat, sich aber immer noch in einem Zustand marginaler Liminalität befindet, in dem sie ihre Position immer noch zu etablieren versucht. Im Anschluss an den Vortrag fand eine lebhafte Fragerunde statt. Die Diskussion warf Fragen über die Fähigkeit des Mainstream-IB auf, die Verschiebungen in der Handlungsfähigkeit vollständig zu erfassen, über den anhaltenden Zustand der Liminalität in der Ukraine, über die allgemeineren Implikationen der Zuschreibung von Subalternität an Staaten und über die anhaltende gesellschaftliche Ermüdung innerhalb der EU in Bezug auf die Invasion in der Ukraine.
Am 06. Dezember 2023 durften wir Pınar Bilgin von der Bilkent Universität, Ankara, bei uns im Institutskolloquium begrüßen. Sie hielt einen Vortrag zum Thema "Thinking Globally about (the Study of) Security", wozu sie derzeit auch mit Karen Smith an einem Buch arbeitet. Zunächst sprach sie über die eurozentrischen Grenzen, in denen sich die Studien der Internationalen Beziehungen gefangen sehen. Diese eurozentrischen Tendenzen würden seit über 30 Jahren diskutiert, jedoch werde die Breite an Informationen aus dem Globalen Süden größtenteils weiterhin nicht genutzt. Bilgin nannte dabei verschiedene Beispiele aus der Literatur, wie Said, Spivak und Mignolo, um ihre These zu stützen, und argumentierte daran anknüpfend, global zu denken beinhalte notwendigerweise, 'global' zu lesen. Critical Security Studies sähen sich mit den gleichen Grenzen konfrontiert. Anhand von Beispielen aus der Sicherheitspolitik stellte sie drei zentrale Dynamiken vor: die Beziehung des 'Selbst' zum 'Anderen', die materielle Verlagerung von Ressourcen, sowie der Mangel an Wissen über 'multiple beginnings' (Learning). In der Diskussion um Eurozentrismus gehe es nicht um Situiertheit, sondern um konstituierte Auswirkungen, so Bilgin.
Am 29. November 2023 hatten wir das Vergnügen, Michał Krzyżanowski als Gastredner im Rahmen des Institutskolloquiums zu begrüßen. Als einer der führenden internationalen Wissenschaftler*innen im Bereich der kritischen Diskursforschung befasste sich Krzyżanowski in seinem Vortrag mit den Diskursen und Praktiken des "New Normal": Crisis, The Far-Right & the Normalization of Anti- and Post-Democratic Action". Dabei ging er auf verschiedene aktuelle Entwicklungen in Europa ein - wie die Welle der Rechtsextremen in Osteuropa, die sich nun auch in Westeuropa ausbreitet. Anhand von Beispielen aus den Niederlanden, Polen, dem Vereinigten Königreich und einer Fallstudie zu Schweden stellte er u.a. die Idee der Normalisierung als politisches Konzept, die diskursiven Verschiebungen, die Linearität und Oszillationslogik in Normalisierungsprozessen, das Problem der moralischen Panik, das Konzept des Borderline-Diskurses und das konzeptionelle Flipsiding vor. Darüber hinaus erörterte Michał, wie Politiker*innen stellvertretende Diskurse konstruieren und nutzen, z. B. den "Wieder"-Diskurs und die typisch "utopische" Vision von Ländern in der Vergangenheit. Er hob hervor, wie wichtig es ist, sich zu überlegen, woher die Stimmen solcher Diskurse genau kommen. Krzyżanowski zufolge sollte sich die theoretische und empirische Verknüpfung von Diskurs und Praxis in der Normalisierungsforschung auf die breitere gesellschaftliche Ontologie und die Verankerung illiberaler Ideologien einerseits und das politische Mainstreaming der extremen Rechten andererseits konzentrieren. Er hob hervor, dass Normalisierung nicht nur ein rhetorisches "Nebenprodukt" ist, sondern eine diskursive politische Strategie, die die illiberale Demontage liberaler Demokratien unterstützt.
Am 8. November 2023 durften wir Prof. Annika Björkdahl von der Lund Universität, Schweden, bei uns im Institutskolloquium begrüßen. Sie hielt einen Vortrag zu "The Spatial Turn in Peace & Conflict Studies: Peacebuilding, Agency and Knowledge". Zunächst ging Björkdahl dabei auf die Bedeutung des Spatial Turns ein, der zeige, dass die Organisation von Raum bedeutenden Einfluss auf die Struktur und Funktionsweise von Frieden und Krieg habe. Die räumliche Herangehensweise stelle die Frage, "wo" sich Frieden abspiele, was auch einhergehe mit Fragen nach Zugehörigkeit und einem neuen Verständnis von Frieden, weg von seiner staatszentrierten Definition. Sie stellte dann einige persönliche Forschungsbeispiele vor, wie die Sarajevo Roses, die Pufferzone in Zypern oder den bosnischen Tag des Gedenkes. An all diesen "Orten" interessiere sie besonders, wie (im)materielle Vermächtnisse von Konflikt in Orte und Räume (places and spaces) des Friedens transformiert würden. Dabei spiele auch Wissensproduktion eine zentrale Rolle, die mit ihrer epistemischen Macht Einfluss nehme auf Frieden und Friedenskonsolidierung. Frieden müsse als "situiertes Wissen" verstanden werden.
Am 25. Oktober hielt Dr. Simone Wisotzki von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung im Rahmen der MAPIR Keynote 2023 einen Vortrag zum Thema "Ist feministische Außenpolitik nur ein weiteres Label? Wie lässt sich ein geschlechtergerechter Frieden verwirklichen?". Auf dem Podium sprach sie über die Gründe, warum sich Staaten für eine Feministische Außenpolitik (FFP) entscheiden sowie über Geschlechterblindheit und männliche Dominanz in Entscheidungsprozessen. Dr. Wisotzki ging auch auf Feminismus im Allgemeinen ein und konzentrierte sich dabei auf dessen intersektionales Verständnis. Länder, die FFP verfolgen, wurden vorgestellt und miteinander verglichen, zudem gab es eine ausführliche Darstellung und Kritik der deutschen FFP-Merkmale. Sie sprach die Agenda "Frauen, Frieden und Sicherheit" an und verglich sie mit FFP, wobei sie die Erfolge und die wichtigsten Unterschiede zwischen diesen beiden Strategien erörterte. Schließlich hob sie die Idee hervor, feministischen Frieden zu theoretisieren - Frieden aus einer Gender-Perspektive und Gewalt aus einer feministischen Perspektive (das "Gewaltkontinuum"). Dr. Wisotzki warf die Frage auf, ob diese Theorien dem Diskurs helfen können oder ob sie nur Etiketten sind. Im Anschluss an die Podiumsdiskussion fand eine lebhafte Fragerunde statt, in der u.a. Fragen zum ideologischen Hintergrund von FFP, verschiedenen Arten von Feminismus, Deutschlands Waffenexporten in die Ukraine im Zusammenhang mit FFP sowie zur Problematik des Budgeteinsatzes für gendersensible Themen gestellt wurden.
Am 5. Juli 2023 hatten wir das Vergnügen, Senem Aydın-Düzgit als Gastrednerin im Rahmen des Institutskolloqiums zu begrüßen. Aydın-Düzgit, Professorin für Internationale Beziehungen an der Sabancı-Universität und leitende Wissenschaftlerin und Forschungskoordinatorin am Istanbul Policy Center, hielt einen spannenden Vortrag mit dem Titel "The Resilience of Authoritarian Populism: Lessons from Turkey's Pivotal Elections".
In ihrem Vortrag gab Professor Aydın-Düzgit wertvolle Einblicke in die anhaltende Widerstandsfähigkeit populistischer autoritärer Regierungen. Sie begann mit einer Kontextualisierung der türkischen Wahlen, skizzierte die Parteistrukturen und präsentierte detaillierte Informationen zu den Wahlergebnissen. Sie erläuterte, wie die türkische Regierung trotz zahlreicher Krisen im Vorfeld der Wahlen ihre Beständigkeit bewahren konnte, und hob dabei mehrere Schlüsselfaktoren hervor. Dazu gehörten die Vereinnahmung von Staats- und Marktmechanismen durch die Regierung, ihr geschickter Einsatz der Post-Wahrheits-Politik und die tiefgreifende Polarisierung im Lande. Aydın-Düzgit lenkte die Aufmerksamkeit auch auf das Narrativ der Regierung in Bezug auf die Wirtschaft, deren Verschiebung in Richtung Nationalismus und das Aufkommen eines Techno-Nationalismus in der Türkei. Darüber hinaus betonte sie, dass die sich ausweitenden Beziehungen der Türkei zu anderen Ländern auf der ganzen Welt ein Zeichen dafür seien, dass der Einfluss des Westens auf das Land abnehme.
Der anregende Vortrag schloss mit einer Zusammenfassung der Lehren, die aus den jüngsten Wahlen gezogen werden können: die Notwendigkeit, den Nationalismus zu überwinden, die besondere Rolle der Konflikte, die die Türkei umgeben, und die Bedeutung des geopolitischen Standpunkts der türkischen Regierung. Im Anschluss an die Podiumsdiskussion wurden zahlreiche Fragen aus dem Publikum gestellt, unter anderem zur Rolle der Legitimität von Erdogans Strategie, zur Geschlechterfrage, zum Potenzial der Opposition, zur Rolle der Diaspora bei den Wahlen und vieles mehr.
Am 30. Januar 2023 begrüßten wir Maria Hadjipavlou (University of Cyprus) und Ahmet Sözen (Eastern Mediterranean University) zu einer offenen Podiumsdiskussion zum Thema "Conflict Resolution in Cyprus: Where to?". Die Podiumsdiskussion war Teil des von Thomas Diez geleiteten Seminars "Cyprus: A Conflict at the Crossroads". Die Redner erörterten die aktuelle Situation in Zypern und bewerteten sie anhand der jüngsten Ereignisse, die den Stillstand der Verhandlungen beeinflusst haben. Die Gäste teilten ihre Erfahrungen, die sie in jahrelanger Arbeit mit Track II, den Vereinten Nationen und der Zivilgesellschaft gewonnen hatten. Während der Diskussion über die Plausibilität künftiger Verhandlungen setzten sich die Redner mit den Themen Schuldzuweisungen als eine politische Methode beider Seiten, der so genannten "Anerkennungsparanoia" und dem Konzept des Engagements ohne Anerkennung auseinander. Eine der Besonderheiten des Panels war die Tatsache, dass sowohl die griechisch-zyprische als auch die türkisch-zyprische Perspektive vertreten waren. Hadjipavlou und Sözen teilten die Hoffnung in die junge Generation beider Seiten, bezweifelten jedoch, dass ihr Potenzial für eine Konfliktlösung ausreicht.
Am 25. Januar 2023 durften wir Ayşe Zarakol als Gastrednerin im Instituskolloquium begrüßen. Zarakol, Professorin an der Universität Cambridge und eine der führenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen, stellte ihr Buch „Before the West: The Rise and Fall of Eastern World Orders“ vor. Darin hinterfragt sie das westlich-zentrierte Geschichtsbild in den internationalen Beziehungen und bietet eine alternative Interpretation, indem sie den Blick auf östliche Weltordnungen richtet. Anhand dreier solcher Weltordnungen zeigte Zarakol, dass das Konzept der Souveränität kein Spezifikum des frühneuzeitlichen Europas ist, da ähnliche politische Strukturen in Asien bereits vor der Etablierung der Westfälischen Ordnung existierten. Ihre metahistorische Darstellung dieser Weltordnungen konzentrierte sich nicht nur auf innenpolitische Dynamiken, sondern berücksichtigte auch Umwelt- und Strukturfaktoren wie Pandemien, Klimawandel und Bevölkerungsverschiebungen als mögliche Ursachen für deren Niedergang. Zarakols Vortrag bot einen spannenden Ausflug in die Weltgeschichte jenseits eurozentristischer Perspektiven und regte dazu an, einige grundlegende Konzepte und Debatten in den internationalen Beziehungen zu überdenken.
Am 18. Januar 2023 durften wir Dr. Jochen Kleinschmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, in unserem Institutskolloquium begrüßen. Er führte die Vortragsreihe nach der Weihnachtspause mit dem Titel "Retrofuturistic Realism: The Theoretical Aestheticization of Great Power Competition" fort. Dabei definierte er Retrofuturistic Realism als Ästhetisierung, bei der die Gegenwart als Erfüllung jener realistisch geprägter Prophezeihungen interpretiert wird, die einen Machtkampf der Großmächte nach dem Kalten Krieg vorhersagten. Um dies zu erläutern, wurde zunächst auf den Begriff der Restorativen Nostalgie sowie die wachsende Bedeutung des Konzepts der Zeit in den Internationalen Beziehungen eingegangen, bevor Dr. Kleinschmidt dann Werke verschiedener realistischer Forscher vorstellte, und deren retrofuturistische Tendenzen herausarbeitete. So stellte er beispielsweise Mearsheimers aktuellere Arbeiten als insofern problematisch dar, als dass sie die retrofuturistische Interpretation unserer Gegenwart nutzen, um eine Rückkehr zu autoritären Strukturen zu legitmieren. Um seine theoretischen Ausführungen zu illustrieren, bezeichnete er abschließend den Retrofuturistischen Realismus treffend als "zynischen Zombie" der tatsächlichen IB-Theorie des Realismus.
Im Rahmen des Institutskolloquiums hielt Teach@Tuebingen Fellow Barbara Gruber am 23. November 2022 einen Vortrag zum Thema „Affective Discipline in Disciplining Affect - Resilience in Radicalisation Prevention“, mit welchem sie sich auch im Rahmen ihrer Doktorarbeit befasst. Anhand von Radikalisierungspräventionsprogrammen in Deutschland und den Niederlanden zeigte sie, wie Primäre und Sekundäre Prävention funktionieren und sich ergänzen. Dabei verwies sie auch auf die Unterschiede in den Programmen beider Länder, welche in den Niederlanden beispielsweise auch zwangsverordnet werden können, in Deutschland jedoch nur mit Zustimmung des gefährdeten Individuums ablaufen dürfen. Auch erläuterte sie die Bedeutung von Sprache, welche im Rahmen dieser präventiven Maßnahmen genutzt wird und welche zumeist bewusst affektiv ist, im Rahmen sekundärer Prävention aber auch „disziplinierend“ sein kann. Mehr über Barbara Grubers Arbeit erfahren Sie hier.
Am 02. November 2022 hielt Cengiz Gunes im Rahmen des Institutskolloquiums einen Vortrag mit dem Titel „The Kurds in a Changing Middle East“. Dieser beleuchtete den Aufstieg der Kurden als regionale Akteure im Nahen Osten und dessen Auswirkungen auf die regionale Ordnung. Trotz eines ausgeprägten Identitätsbewusstseins und einer Fülle einender Symbole und Mythen verwies Cengiz auf das Fehlen einer länderübergreifenden politischen Zusammenarbeit als ein wesentliches Merkmal des kurdischen Aktivismus in der Region. Basierend auf dieser Beobachtung widmete er sich im weiteren Verlauf seines Vortrags jeweils den kurdischen Bewegungen im Irak, der Türkei, Syrien und dem Iran. Die jüngsten Entwicklungen in diesen Ländern deuten darauf hin, dass "der kurdische Moment" in Westasien ins Stocken geraten, wenn nicht sogar gänzlich vorbeigezogen ist. Cengiz Gunes ist Marie Skłodowska-Curie-Postdoktorand in unserem Forschungscluster. Mehr über seine Arbeit erfahren Sie hier.
Am 26. Oktober 2022 durften wir Juha Vuori, Professor für Internationale Politik an der Universität Tampere (Finnland), in Tübingen begrüßen. Er eröffnete das Institutskolloquium nach der Sommerpause mit einer Vorstellung seiner in Kürze erscheinenden Monografie über „Chinese Macrosecuritisation“. Um das theoretische Verständnis dieser Prozesse zu vertiefen, analysierte er den Einfluss von vier großen Macrosecuritisation-Diskursen auf innenpolitische Diskussionen und Politiken in China: der Kalte Krieg, der Klimawandel, die Anti-Atomkraft-Bewegung und der „Krieg gegen den Terror“. Dabei deckte er die Zurückweisungs-, Inkorporations- und Transformationsdynamiken auf, die der globalen Verbreitung dieser Diskurse zugrunde liegen. Für Juha Vuori bietet die Untersuchung dieser Prozesse außerdem wichtige Einblicke in einen bisher vernachlässigten Aspekt innerhalb der Literatur zu (Macro)Securitisation: Fälle, in denen trotz aller Wahrscheinlichkeit kein Versicherheitlichungsdiskurs stattfindet.
Im Rahmen der MAPIR Keynote 2022 hielt Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel von der Universität Marburg am 20. Oktober einen Vortrag zum Thema 'Origins and Effects of Narrating Sexual Violence - Knowledge Production in Transitional Justice Institutions'. Hierzu untersuchte sie im Rahmen eines Forschungsprojektes die Abschlussberichte mehrerer Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, die sexueller Gewalt in gewaltsamen Konflikten lange Zeit keine Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Anhand der Fallbeispiele Liberia, Sierra Leone, und Kenia zeigte sie, wie sexuelle Gewalt in diesen Kontexten beschrieben und begründet wurde. Konkret wandte sie die drei Narrative Instrumentality, Unreason, und Mythology auf die Abschlussberichte der Kommissionen an, welche diese anhand teils sehr graphischer Beispiele wiederspiegelten. Mithilfe einer Narrativanalyse der Berichte wurde argumentiert, dass Wissensproduktion Macht bedeutet und die Kommissionen diese nutzten, um ein bestimmtes Narrativ über sexuelle Gewalt zu konstruieren. Zuletzt ging Prof. Buckley-Zistel auch auf die problematische Tendenz der Berichte ein, nicht die Agenda der betroffenen Frauen, sondern die der im Schreibprozess involvierten Expert*innen zu reflektieren.
Im Rahmen des Institutskolloquiums hielt Dr. Sarah Clowry am 13. Juli 2022 ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Reconciling the Rift: International Mediation and Identity". In ihrem Vortrag ging sie der Frage nach, inwieweit internationale Mediation die Identitäten der Konfliktparteien prägen kann. Ausgehend von der Annahme, dass Identitäten sozial konstruiert sind, untersuchte sie zwei aktuelle Mediationsbeispiele: die frühen UN-geführten Bemühungen im syrischen Bürgerkrieg und die Anfangsphase des Friedensprozesses zur Lösung der Krise im Jemen. Sie argumentierte, dass Mediatoren und Konfliktparteien, in Partnerschaft oder in Opposition, die Identitäten der Konfliktparteien innerhalb der Vermittlungsbemühungen und als Reaktion darauf neu ausrichten können. Mediation könne als eine Arena fungieren, in der Identitäten rekonstruiert werden, während die Mediation selbst Prozesse der Identitätsrekonstruktion anstoßen und vorantreiben könne. Sarah Clowry zufolge kann die Praxis der Mediation und insbesondere die durch sie geförderten und in ihr verankerten Normen dazu dienen, Identitäten zu rekonstruieren.
Um gemeinsam mit Studierenden die jüngsten Entwicklungen in und um die Ukraine aufzuarbeiten, bot die Universität Tübingen gemeinsam mit den Universitäten Freiburg, Magdeburg, Marburg und Mainz im Sommersemester 2022 ein standortübergreifendes Seminar zum Thema "Der russisch-ukrainische Konflikt: Ursachen, Dynamiken und Ansätze zur Konfliktbearbeitung" an. Es wurde gemeinsam von fünf Dozent:Innen dieser Universitäten in Zusammenarbeit mit ausgewählten deutschen, internationalen und ukrainischen Expert:Innen durchgeführt. Von Tübinger Seite wurde das Seminar von Gabi Schlag geleitet. Ziel war es, nicht nur "über" den Krieg in der Ukraine zu sprechen, sondern vor allem auch mit ukrainischen Wissenschaftler:Innen, Expert:Innen und gesellschaftlichen Akteuren ins Gespräch zu kommen. Zu diesem Zweck wurden Georgiy Kasianov, Lisa E. Gaufman, Maria Malksöo, Helena Legarda, Tatjana Zhurzhenko, Tetyana Malyarenko, Tetiana Kalenychenko und José Pascal da Rocha eingeladen, Impulse zu geben und mit den Studierenden zu diskutieren.
Am 12. Juli 2022 durften wir Toni Haastrup, Professorin am Fachbereich Internationale Politik der Universität Sterling, online im Rahmen der Vorlesung „Deutschland und die EU in der Internationalen Politik“ begrüßen. Sie ist eine führende Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Afrika-EU Beziehungen und hielt einen Vortrag zum Thema „Unpacking Contemporary Africa-EU-Relations“. Aus einer feministischen und postkolonialen Perspektive heraus interpretierte sie die aktuellen Beziehungen zwischen Afrika und der EU als eine Fortführung und Manifestierung kolonialer Beziehungen, die sich durch Ausbeutung und Ungleichheit auszeichnen. Die Tatsache, dass afrikanische Staaten nicht länger bereit seien, diese Asymmetrien hinzunehmen und sich stattdessen vermehrt anderen Partnern wie China zuwenden, würde, so Prof. Haastrup, das ontologische Sicherheitsgefühl der EU ins Wanken bringen.
Am 29. Juni 2022 hielt Jana Hönke einen Vortrag zum Thema "Africa’s Multiple Globalities: Chinese Companies and Practices of Securing Economic Infrastructure" im Rahmen des Institutskolloquiums. Hönke ist Professorin für Soziologie Afrikas an der Universität Bayreuth. Sie leitet derzeit das ERCINFRAGLOB-Projekt Africa's Infrastructure Globalities und ist Mitherausgeberin von Security Dialogue sowie der Buchreihe Spaces of Peace, Security and Development. In ihrem Vortrag plädierte sie für ein pluralistischeres und prozessuales Verständnis der globalen Ordnung und übte in diesem Zusammenhang in dreifacher Hinsicht Kritik an der einschlägigen Literatur zu den chinesisch-afrikanischen Beziehungen. Jana Hönke zufolge schränkt die Dominanz wertorientierter Urteile über Chinas Engagement in Afrika und dessen Framing als Systemkonkurrent den analytischen Spielraum erheblich ein, da der Fokus auf chinesische Staatsinstitutionen gelegt und die Handlungsfähigkeit afrikanischer Akteure heruntergespielt wird, wodurch die tatsächlichen Dynamiken vor Ort nicht richtig erfasst werden. Um die Vielschichtigkeit und Komplexität des chinesischen Engagements in Afrika adäquat zu erfassen, plädierte sie stattdessen für eine stärkere Beachtung der Mikroebene und argumentierte, dass insbesondere Infrastrukturprojekte und -praktiken sich zur Analyse lokaler Dynamiken eignen. Auf ihren Vortrag folgte eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum.
Am 28. Juni 2022 durften wir Bahar Rumelili, Professorin am Fachbereich Internationale Beziehungen der Istanbuler Koç Universität und führende Wissenschaftlerin der ontologischen Sicherheitstheorie, in Tübingen begrüßen. Im Rahmen einer öffentlichen Vorlesung mit dem Titel "Security as Identity - Recent Advances in Ontological Security Studies" gab sie einen Überblick über das Konzept der ontologischen Sicherheit und seiner Anwendung in den internationalen Beziehungen. Sie zeichnete nach, inwieweit die Theorie genutzt wird, um neue Erkenntnisse über Konflikte und Konfliktlösung, außenpolitische Analysen, sowie die Rolle von Identität und Emotionen zu gewinnen. Anhand ihrer eigenen Forschung zum theoretischen Zusammenhang zwischen ontologischer (Un-)Sicherheit und Angst erläuterte sie, wie das Festhalten an bestimmten Routinen und Identitätsnarrativen Versuche zur Konfliktlösung oftmals erschweren, da die Aussicht auf Veränderung die Konstanz und Berechenbarkeit der Handlungsumgebung gefährdet und somit potenziell mehr Angst auslöst als das Festhalten an den Gewissheiten des konfliktgeladenen Status quo. Vor diesem Hintergrund kam Bahar Rumelili zu dem Schluss, dass ontologische Unsicherheit nichtsdestotrotz für einen radikalen Wandel notwendig sei.
In diesem Jahr hat die Universität Tübingen bereits zum 24. Mal eine Delegation zur National Model United Nations (NMUN)-Konferenz entsandt, die vom 3. bis 8. April in New York statt-fand. Diese Simulation verschiedener Komitees der Vereinten Nationen (UN) ermöglichte den Studierenden einen authentischen Einblick in die Funktionsweise der UN und die Welt der Diplomatie. Im Jahr 2020 konnte die jährliche Konferenz aufgrund der Covid-19 Krise zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg nicht stattfinden. Umso größer war die Freude, in diesem Jahr wieder nach New York zu reisen, um dort Venezuela in insgesamt neun Komitees zu vertreten. In diesen Komitees diskutierten die Studierenden zahlreiche miteinander verbundener Probleme wie Klimawandel, Krieg, wirtschaftliche Ungleichheiten und die Verletzung von Menschenrechten, natürlich auch vor dem Hintergrund der Covid 19-Pandemie. Nach monatelanger Vorbereitung in zwei Seminaren und mehreren Probesimulationen (u.a. die Tübingen Model United Nations), begann die Konferenz am 03. April mit der Opening Ceremony und dem Agenda Setting an Tag 1. Daraufhin bildeten die Teilnehmenden in den kommenden Tagen Working Groups, in denen sie an Working Papern arbeiteten, die dann schließlich zu Draft Resolutions wurden und in der Voting Procedure an Tag 4 als Resolutions verabschiedet wurden. Auch in diesem Jahr war die Tübinger Teilnahme wieder erfolgreich, so wurde die gesamte Delegation für ihr Auftreten und die authentische Repräsentation Venezuelas mit dem Distinguished Delegation Award ausgezeichnet. Zudem konnte die Tübinger Delegation 2022 in der UNEA und der UNESCO Position Paper Awards gewinnen, die separat für jedes Komitee vergeben werden.
Am 18. Mai 2022 stellte Aidan Gnoth Ergebnisse und Schlussfolgerungen seiner Doktorarbeit im Rahmen des Institutskolloquiums vor. Unter dem Titel „Critiquing Criticality in International Peacebuilding“ zeichnete er nach, inwiefern die kritische Strömung der Friedensforschung oftmals weniger kritisch ist, als sie postuliert. Er untersuchte dabei durch die Kodierung zahlreicher Artikel, einer anschließenden Netzwerkanalyse und Expert:Inneninterviews, wie und wer über Friedensforschung schreibt. Aus dieser Analyse ging hervor, dass Kritik darin bestehe, Systeme und Vorgehensweisen zu kritisieren, ohne Alternativen zu diesen Systemen aufzuzeigen. Beispielsweise ginge es viel um Problembeseitigung in einem bestimmten Rahmen, aber nicht um das Hinterfragen des Konzeptes selbst. Aiden Gnoth ging noch weiter und versuchte zu erklären, was die Ursachen für diese Entwicklung sind. Er sah dabei ein großes Problem in der neoliberalen Funktionsweise der akademischen Welt. Es sei problematisch, dass Zitationen und Publikationen der Wert der akademischen Welt seien, denn publizieren würde nicht die Welt verändern, wenn es aber darum gehe, etwas zu verändern, muss herausgegangen werden in die nicht akademische Welt. Wie genau Konzepte dafür aussehen könnten und wie sich diese umsetzten lassen würden, wurde in einer anschließenden Fragerunde diskutiert.
Am vierten Mai 2022 fand im Rahmen des Institutskolloquiums die zweite Veranstaltung in Form einer Paneldiskussion zum Thema „Russia’s War in Ukraine – A Watershed für German Politics?“ statt. Eingeladen waren zu diesem Thema Expert:Innen mit verschiedensten Arbeitsschwerpunkten: Aus dem IfP waren Hans-Jürgen Bieling, Thomas Diez, Andreas Hasenclever, Hendrik Quest und Josefine Kurt anwesend. Anne Kruck, Beraterin für friedenspädagogische Ansätze von der Berghof Stiftung, vervollständigte das Panel. Unter der Moderation von Gabi Schlag wurde diskutiert, ob und inwiefern die russische Invasion der Ukraine eine Zeitenwende der deutschen (Außen-) Politik hervorruft.
Das Institutskolloquium ist zurück! Am 27 April 2022 fand die Auftaktveranstaltung zum Thema „Aggression, War, Prospects for Peace: Russia, Ukraine & European Order“ statt. Zu diesem Zweck durften wir drei international renommierte PanelistInnen in Tübingen begrüßen: Elizaveta Gaufman, Assistant Professor für russischen Diskurs und Politik an der Universität Groningen, Yuliia Kurnyshova, Wissenschaftlerin am Institut für Internationale Beziehungen der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew, sowie Andrey Makarychev, Professor für regionale politische Studien am Johann-Skytte-Institut für Politikwissenschaft der Universität Tartu. Gemeinsam mit Moderator Thomas Diez analysierten sie die Ursachen des Krieges aus verschiedenen theoretischen und konzeptionellen Blickwinkeln.
In diesem Zusammenhang betonten alle drei Podiumsgäste die Bedeutung von Glaubenssystemen für das Verständnis der aktuellen Außenpolitik Russlands: Yuliia Kurnyschova verwies auf die häufige Verwendung von historischen Analogien zur Rechtfertigung des Krieges. Andrey Makarychev argumentierte, mythologische Überzeugungen hätten gegenüber rationalen Kalkulationen überwogen und russische Außenpolitik sei im Allgemeinen eher rückwärtsgewandt als zukunftsorientiert. Elizaveta Gaufman zeichnete nach, wie sich die öffentliche Wahrnehmung des Konfliktes in den russischen sozialen Medien über die Jahre hinweg entwickelt hat. Unter Rückgriff auf die ontologische Sicherheitstheorie lieferte sie eine Erklärung dafür, warum viele Menschen in Russland Schwierigkeiten haben, die Existenz des Krieges anzuerkennen. Thematisiert wurde auch die Verwendung heteronormativer Konzepte von Weiblichkeit und Männlichkeit als diskursive Instrumente zur Kriegslegitimation: Die Vorstellung, die Ukraine sei ein integraler Bestandteil der russischen Familie, der vom rechten Weg abgekommen sei und daher vom Patriarchen gerettet werden müsse, wurde dabei sowohl als Instrument der politischen Legitimation als auch als genuine Überzeugung russischer Eliten angesehen. Diese Vision mag zwar innenpolitisch einflussreich sein, ihre Verwirklichung ist zuletzt jedoch in weite Ferne gerückt. Wie Yuliia Kurnyshova hervorhob, hat der Krieg stattdessen zu einer umfassenden Konsolidierung der ukrainischen Nation geführt.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine bleibt selbstverständlich auch für die Tübinger Politikwissenschaft nicht folgenlos. Hierzu nahm Thomas Diez am 14. März an einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit dem Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen ausgerichteten Paneldiskussion unter dem Titel „The End of Peace“ teil. Zusammen mit seinem Co-Panellisten Klaus Gestwa, Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Tübingen, und dem Moderator Dr. Thomas Gijswijt, Außenpolitikexperte an der Amerikanistik der Universität Tübingen, ging er der Frage nach, welche Bedeutung der Ukraine-Krieg für die Zukunft der globalen und insbesondere der europäischen Ordnung hat. Thematisiert wurden etwa die Rolle wirtschaftlicher Interdependenzen beziehungsweise Abhängigkeiten von Öl- und Gasimporten, die Wahrscheinlichkeit eines NATO-Eingriffs sowie Chinas Positionierung zum Angriffskrieg. In diesem Zusammenhang gaben die Experten einen Einblick in das außenpolitische Selbstverständnis und die geopolitischen Ambitionen Russlands. Vor dem Hintergrund der damit einhergehenden Forderungen mancher Vertreter des Realismus nach der Anerkennung einer russischen Großmachtsphäre diskutierten sie außerdem darüber, ob ein neutraler Status der Ukraine möglich beziehungsweise wünschenswert wäre. Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann auf Youtube gestreamt werden.
Im Rahmen des Einführungskurses in die Friedensforschung von Dr. Gabi Schlag wurden die Studierenden kreativ und erstellten in Kleingruppen Podcasts. Die Studierenden stimmten über den besten Podcast des MAPIR-Jahrgangs 2021/22 ab. Gewonnen hat dabei der Podcast zu „Memory Politics and Reconciliation“ von (in alphabetischer Reihenfolge) Meha Kaul, T Nejra Lilić, Timo Jules Dominique Roujean und Sebastian Stam – Herzlichen Glückwunsch!
Am 28. Oktober 2021 fand die diesjährige MAPIR Keynote statt. Sie wurde von Stefanie Kappler, Professorin für Conflict Resolution und Peacebuilding an der Universität Durham, gehalten. Unter dem Titel "Peace & Memory - Curating the Past for the Present" beleuchtete sie, welche Rolle der Umgang mit der Vergangenheit in Gesellschaften, die einen schweren Konflikt durchlebt haben, einnimmt. Sie ging hierbei insbesondere auf das spannungsgeladene Verhältnis zwischen dem Ziel, Gesellschaften beim Wiederaufbau zu begleiten sowie zugleich Konfliktursachen zu bekämpfen, das sich in vielen Peacebuilding-Ansätzen findet, ein. Hiermit verknüpfte sie die Frage, welche Akteure in diesen Prozess des (Wieder-)Aufbaus eingebunden werden sollen und müssen und wie hierbei mit erlebtem Leid, schmerzhaften Erinnerungen und zurückbleibenden Traumata umgegangen werden soll. Stefanie Kapplers Vortrag endete mit einem klaren Plädoyer für die konsequente Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und verwies im Zuge dessen auf drei besonders wichtige Aspekte: Das Leid der Opfer muss anerkannt werden, es braucht einen offenen Umgang mit sich von einander unterscheidender Erinnerung an vergangene Ereignisse, und Frieden ist notwendigerweise immer mit Forderungen nach Gerechtigkeit verknüpft. In diesem Sinne hob Stefanie Kappler die wichtige Verbindung der akademischen Disziplinen der Memory Studies sowie der Peace and Conflict Studies hervor. Während erstere Disziplin untersucht, wie die Vergangenheit erinnert wird, bietet letztere Disziplin die komplementäre Perspektive darauf, wie diese Art und Weise der Erinnerung heutige Konflikte beeinflusst.
Am 20. Juli 2021 besuchten Ahmet Sözen, Professor für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen an der Eastern Mediterranean University (EMU) und Constantinos Adamides, Associate Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Nikosia, das Seminar "Cyprus - A Conflict at a Crossroads", geleitet von Thomas Diez. Beide äußerten sich zum aktuellen Stand des Zypernkonflikts auf der Mikroebene sowie im Hinblick auf dessen Einbettung in den östlichen Mittelmeerraum. Ahmet Sözen betonte, dass das Scheitern der Crans-Montana-Gespräche (2015-2017) nicht zu sehr als Wendepunkt im Zypern-Konflikt angesehen werden sollte. Was seiner Meinung nach zu beobachten ist, ist eine diskursive Verschiebung in der türkischen Außenpolitik, die sich von der Unterstützung einer bizonalen, bikommunalen Föderation (BBF) auf die Notwendigkeit einer alternativen Lösung verlagert, die aus zwei gleichermaßen souveränen Staaten Zyperns bestehen könnte. Sözen stellte jedoch in Frage, ob dies wirklich einen radikalen Wandel in der türkischen Außenpolitik darstellt oder eher als Versuch zu verstehen ist, die Verhandlungen über Zypern von einer besseren Verhandlungsposition aus zu beeinflussen.
Constantinos Adamides beschrieb die Zeit nach 2017 als eine Periode der Stagnation und betonte, dass oftmals das Ausbleiben von Rückschritten für einen Fortschritt gehalten wird. Diese Mentalität behindere jedoch die Chancen auf echten Fortschritt und lasse den Status quo als positive Entwicklung erscheinen. Adamides räumte ein, dass die offensivere, militarisierte Außenpolitik der Türkei in Kombination mit ihrem rhetorischen Drängen auf eine Zwei-Staaten-Lösung als Verhandlungsstrategie gedeutet werden könnte, mit dem Ziel eine vorteilhaftere BBF zu erreichen. Dennoch sollte nicht unterschätzt werden, dass auch eben diese Zwei-Staaten-Lösung das eigentliche Ziel der Türkei sein könnte. Die griechisch-zypriotischen und türkisch-zypriotischen Politiker werden sich wohl im Rahmen der nächsten Generalversammlung in New York erneut informell treffen. Sözen wies darauf hin, dass es sehr stark von der geopolitischen Lage der Türkei abhängen wird, ob die Parteien zu dem Schluss kommen, dass es eine gemeinsame Vision für Zypern gibt, sodass formelle Verhandlungen wieder aufgenommen werden können. Nichtsdestotrotz waren sich sowohl Sözen als auch Adamides einig, dass in absehbarer Zeit keine größere Veränderung im Zypernkonflikt zu erwarten ist.
Am 14. Juli 2021 hielt Professor Birgül Demirtaş einen Vortrag über ihr aktuelles Forschungsprojekt, welches sich der Frage widmet, ob die externen, diplomatischen Beziehungen türkischer Städte einen Rückschluss auf die nationale Außenpolitik der Türkei zulassen. Sie wies hierbei darauf hin, dass die Bedeutung von Städten nicht nur generell in der Weltpolitik zunehme, sondern auch, dass sich insbesondere die Außenbeziehungen türkischer Städte ausgeweitet hätten. Zugleich besitzt die Türkei seit 2018 ein neues politisches System, welches durch Freedom House als "nicht frei" eingestuft wird. „Local politics can include seeds of change on the national level“, argumentierte Demirtaş in diesem Zusammenhang. Inwiefern sich nationale Trends aus diesen lokalen Dynamiken ablesen lassen und welche Rolle Städtediplomatie in zentralisierten, populistischen Systemen einnehmen, wird sie in ihrem Forschungsvorhaben beleuchten.
Am 22. Juni 2021 durfte das Seminar „Cyprus – A Conflict at a Crossroads”, geleitet von Thomas Diez, mit Costas Constantinou über seine Dokumentation „The Thrid Motherland“ diskutieren. Constantinou ist Professor für Internationale Beziehungen an der University of Cyprus und produzierte 2011 gemeinsam mit Giorgos Kykkou Skordis „The Third Motherland“. Diese Dokumentation besteht zu großen Teilen aus Interviews, die der Erfahrung der maronitischen Gemeinschaft in Zypern eine Stimme geben – als dritte Partei im 1960 geschaffenen bikommunalen System Zyperns und wenig später der geteilten Insel. Somit stellt sie grundlegende Fragen in Bezug auf Identitäten, die Zugehörigkeit zu übergeordneten Gruppen, aber auch Widerstand und Exklusion.
Vergangenes Wochenende, vom 18.-20.6.2021, führten Studierende der Politikwissenschaft eine Mediationssimulation durch. Gegenstand war der Konflikt in der Ost-Ukraine. Drei Tage lang wurde diskutiert, wurden Reden gehalten, Konsens gefunden, aber auch auf roten Linien beharrt. Wie im echten Leben verhärteten sich Positionen zeitweise und es wurde auch mal emotional. Aber am Ende unterzeichneten die Delegierten ein Abkommen. Nach hitzigen Diskussionen kamen die Studierenden schließlich am Sonntag zu dem Ergebnis eines Waffenstillstands in der Ostukraine, einer Verbesserung der Übergänge in die besetzten Gebieten Luhansk und Donezk und sie unterschrieben, sich innerhalb der nächsten 30 Tage erneut zu Verhandlungen zu treffen.
Die Simulation wird alle zwei Jahre am Institut für Politikwissenschaft im Rahmen des Seminars „Theories and Practices of Mediation“ veranstaltet. In dem Seminar lernen die Studierenden theoretische Grundlagen, die sie dann in der Simulation – in der Praxis – anwenden können. Dozentin Gabi Schlag erstellte ein Rahmenprogramm und leitete das Medienteam, doch die konkrete Ausgestaltung des Ablaufes der Verhandlungen lag in den Händen der Studierenden. Vier der Teilnehmenden waren für den Ablauf und die Moderation der Verhandlungsrunden zuständig und bildeten das fiktive UN Mediationsteam. Auch die anderen Teilnehmenden übernahmen fiktive Rollen - darunter die des ukrainischen Präsidenten Selenskyj und des russischen Ministerpräsidenten Mischustin. Auch Merkel, Macron, OSZE Vertreter*innen und ostukrainische Separatistenführer waren dabei, deren Rollen von den Studierenden mit Leben gefüllt wurden. Simulationen ermöglichen, sich in andere Positionen hineinzuversetzen, Interessen, Bedürfnisse und Ängste von Konfliktparteien zu reflektieren und einen Konflikt in seinen verschiedenen Facetten zu verstehen. Dass gewaltsame Konflikte nicht einfach zu lösen sind und Verhandlungen eine Eigendynamik entwickeln, ist eine der wichtigsten Erfahrungen und Erkenntnisse der Simulation. Für die Studierenden war es das erste Mal seit über einem Jahr, dass eine Lehrveranstaltung wieder in Präsenz stattfinden konnte. Unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen, getestet und in hybrider Form konnten die Studierenden endlich wieder in Persona mit Kommiliton*innen diskutieren, sich austauschen und gemeinsam lernen.
Am 10. Juni 2021 hielt Dr. E. (Lisa) Gaufman, Assistenzprofessorin für russischen Diskurs und Politik an der Universität Groningen und Alumna der Universität Tübingen, einen Vortrag über die Ukraine in der russischen Volksvorstellung. Dieser Online-Vortrag war Teil eines Seminars über Theorien und Praktiken der Mediation, in dem sich Studenten mit dem Konflikt in der Ostukraine beschäftigen, stand aber allen Studenten des Instituts offen.
Gaufman präsentierte verschiedene Stränge, wie die Ukraine in Russland dargestellt wird - als Bruder, Schwester und Feind. Erstens sprach Gaufman über die Wahrnehmung der Ukraine als Russlands kleiner Bruder - ein Nicht-Staat ohne eigene Sprache und Geschichte. Zweitens sprach sie über die geschlechtsspezifische Wahrnehmung der Ukraine. Dies lässt sich u.a. in den sozialen Medien beobachten, wo es seit 2014 viele Kommentare gibt, die dem Narrativ folgen, die Ukraine sei eine "loose woman", die sich an die NATO und die EU verkauft. Drittens hat der Faschismus-Diskurs über die Ukraine in den russischen Medien seit 2014 zugenommen. Die Berichterstattung konzentriert sich auf Rechtsextremisten in der Ukraine und stellt eine Verbindung zum historischen Anti-Nazi-Diskurs in Russland her, wodurch ein Feindbild in Bezug auf die Ukraine perpetuiert wird.
Im Anschluss an den Vortrag hatten die Studierenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Gaufman ging dann auf Themen wie Social-Media-Kanäle, die Rolle der USA und die ukrainische Identität ein.
Am 25. Februar 2021 hielt Ian Manners einen Vortrag über sein "Normative Power Europe"-Konzept (NPE) im Seminar "A Normative Power No More? Die EU in der internationalen Politik" von Thomas Diez. Er arbeitet derzeit am Institut für Politikwissenschaft der Universität Lund und war zuvor als Professor an der Universität Kopenhagen sowie an der Roskilde Universität tätig. Ian Manners arbeitet an der Schnittstelle von kritischer Gesellschaftstheorie und der Untersuchung der Europäischen Union in der Weltpolitik. Sein grundlegendes Werk "Normative Power Europe: A Contradiction in Terms?", das als Grundlage für das Seminar diente, hat die akademischen Debatten in Europäischen Studien und darüber hinaus maßgeblich beeinflusst.
In seinem Gastvortrag gab Manners einen Überblick über seinen Forschungshintergrund und sein Interesse an NPE und gab einen Einblick in seine aktuelle Forschung. Im Austausch mit dem Kurs ging er auch auf die LGBTQI+-Politik der EU, sein Verständnis von Macht sowie auf Spannungen innerhalb und die mögliche Zukunft seines Konzepts ein.
Am 18. Februar 2021 hielt Prof. PhD Thomas Christiansen im Seminar "A Normative Power No More? Die EU in der internationalen Politik" von Prof. Dr. Thomas Diez einen Vortrag über die EU-China Beziehungen. Christiansen ist Professor an der Luiss Università Guido Carli in Rom. Er veröffentlicht zu verschiedenen Aspekten der EU-Politik sowie zu den Beziehungen zwischen der EU und China.
In seinem Vortrag gab Christiansen Einblicke in die Handelsbeziehungen zwischen der EU und China sowie deren wachsende Verflechtung auf internationaler Ebene. Dabei hob er Parallelen und Unterschiede zwischen beiden globalen Akteuren hervor. Christiansen ging auch auf die komplexe Dreiecksbeziehung zwischen den USA, der EU und China ein. In Bezug auf Fragen der Studierenden verwies er auf die potenzielle Zersplitterung europäischer Einheit angesichts der selektiven chinesischen außenpolitischen Interessen. Er betonte jedoch die Wichtigkeit des Zugangs zum EU-Binnenmarkt für China und argumentierte, dass China keine revisionistischen Ziele verfolge, sondern nach Akzeptanz als globale Macht im internationalen System strebe. Abschließend hinterfragte er kritisch die fixe Idee einer singulären "westlichen Identität" im Gegensatz zu China.
Am 4. Februar 2021 hat Prof. PhD Senem Aydin-Düzgit im Seminar "A Normative Power No More? The EU in International Politics" von Prof. Dr. Thomas Diez einen Vortrag zu den EU-Türkei-Beziehungen gehalten. Aydin-Düzgit ist aktuell als Professorin für International Beziehungen an der Sabancı Universiät sowie als Senior Scholar und Koordinatorin für Forschung und akademische Angelegenheiten am Istanbul Policy Center tätig. In ihrem Beitrag zeichnete sie ein umfangreiches Bild der Entwicklung, dem aktuellen Stand sowie der Zukunft der EU-Türkei-Beziehungen und dem Beitrittsprozess der Türkei in die EU. Sie argumentierte unter anderem, dass die transaktionale, interessengeleitete Beziehung, die aktuell zwischen der EU und der Türkei besteht, keine langfristige Perspektive bietet. Aydin-Düzgit wies auch auf die besondere Komplexität des Themas hin, die sich unter anderem aus der zugespitzten Situation im östlichen Mittelmeer, dem Zypernkonflikt sowie der nun wechselnden Position im Weißen Haus ergibt.
Am 28. Januar 2021 hat Dr. Kataryna Wolczuk (Universität Birmingham) im Seminar "A Normative Power No More? The EU in International Politics" von Prof. Dr. Thomas Diez einen Vortrag zu den EU-Russland Beziehungen gehalten. Dabei ging sie insbesondere auf die Rolle der Ukraine ein und argumentierte für einen stärker empirisch fundierten, im Gegensatz zu einem losgelöst theoretischen, Zugriff auf die Beziehungen der EU mit ihrer östlichen Nachbarschaft.
Am 07. Januar 2021 hielt Dr. Franz von Lucke im Rahmen des Seminars "A Normative Power No More? The EU in International Politics" von Prof. Dr. Thomas Diez einen Vortrag über die Gerechtigkeitskonzeptionen der EU in internationalen Klimaverhandlungen. Dabei legte von Lucke dar, wie sich die Vorstellungen der EU von globaler Gerechtigkeit in Bezug auf die Klimakrise und dementsprechend auch die Verhandlungsstrategien veränderten, was eine wichtige Rolle für den Abschluss des Pariser Klimaabkommens darstellte. Abschließend ging von Lucke auf Fragen der Studierenden zu den Erfolgsaussichten des internationalen Klimaregimes ein. Lesen Sie hier das entsprechende Papier von Luckes, sowie mehr über das Globus-Forschungsprojekt.
Am 17. Dezember 2020 hielt Prof. Dr. Nathalie Tocci, Gastprofessorin an der Universität Tübingen, im Rahmen eines Seminars von Prof. Dr. Thomas einen Vortrag zur EU Global Strategy. In ihrem Vortrag ging Tocci auf die Entwicklung der Global Strategy ein, an der sie maßgeblich beteiligt war, sowie auf deren Implikationen für die Rolle der EU als normative Macht. Abschließend diskutierte Tocci mit den Studierenden über die Zukunft der Global Strategy und die Möglichkeiten und Hindernisse auf dem Weg zu einer kohäherenteren EU Außenpolitik.
Am 27. November 2020 hielt Oliver Richmond, Gastprofessor an der Universität Tübingen, eine MAPIR online Vorlesung über die "Evolution der internationalen Friedensarchitektur", die sich laut Richmond durch sechs Stufen oder Schichten verfolgen lässt.
Oliver Richmond argumentierte, dass die Debatten im Anschluss an den so genannten "local turn" verdeutlichen, wie ein viel größeres Konstrukt entstanden ist, vom lokalen zum globalen Maßstab, das zwar zerbrechlich und instabil ist, aber einige Perspektiven für die weitere Entwicklung bietet. Die Theorien und Doktrinen im Zusammenhang mit Friedenserhaltung, Mediation, Friedensaufbau und Staatsaufbau werfen eine Reihe seit langem bestehender Fragen über die Entwicklung und Integrität dieser Architektur auf. Schließlich skizzierte Richmond in seinem Vortrag die Auswirkungen der Entwicklung der Architektur und hob dabei eine Form des Friedens im Zusammenhang mit globaler Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit hervor, die im Spannungsfeld zu allgegenwärtigeren Formen der Gouvernementalität steht.
Am 22. Juli 2020 nahm Prof. Dr. Pinar Bilgin (Bilkent Universität Ankara) an einer Diskussion zum Thema "Prospects for Non-Western International Relations" teil. Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Thomas Diez zum Abschluss seines Seminares zu diesem Thema organisiert. Prof. Bilgin hielt zunächst einen Vortrag, in dem sie einen Einblick in ihre akademische Biographie und ihre Auseinandersetzung mit nicht-westlichen Ansätzen in den Internationalen Beziehungen gab. Anschließend diskutierte Prof. Bilgin mit Studierenden über die Frage, was überhaupt unter nicht-westlichen Ansätzen zu verstehen sei, sowie über die epistemologischen, methodologischen und normativen Chancen und Schwierigkeiten eines stärkeren Einbezugs solcher Perspektiven in die Internationalen Beziehungen.
Am 25. Juni 2020 fand im Rahmen des Seminars "Security Institutions in Europe" von Dr. Gabi Schlag eine Online-Expertendiskussion zum Thema "Looking at Mali: European and global efforts, losses - and gains?" statt. Studierende des MAFIPs hatten das Gespräch als Ersatz für eine coronabedingt abgesagte Exkursion nach Straßburg, Brüssel und Genf organisiert. Als Gäste konnten dazu Michael Gahler (CDU), Mitglied des Europaparlaments und außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, und Oberstleutnant Björn Hoyme, Referent im Bundesverteidigunsministerium, gewonnen werden. Im Verlauf des Gesprächs hatten die Studierenden Gelegenheiten, mit den beiden Experten über die Herausforderungen und Erfolgsaussichten der Bundeswehreinsätze in Mali zu diskutieren. Dabei wurde neben der Frage nach Möglichkeiten verstärkter europäischer Kooperation auch kritische Aspekte des deutschen Engagements in der Sahelzone beleuchtet.
Am 28. Mai 2020 nahmen Prof. Thomas Diez und Dr. Franz von Lucke an der online abgehaltenen Abschlusskonferenz des GLOBUS-Forschungsprojektes teil. In dem 2016 begonnenen Forschungsprojekt hatten sie sich gemeinsam mit Kollegen aus verschiedenen europäischen Ländern mit dem Beitrag der EU zur globalen Gerechtigkeit beschäftigt. Dr. Franz von Lucke präsentierte dabei die wichtigsten Ergebnisse des Tübinger Teilprojektes, das sich mit globaler Gerechtigkeit in Bezug auf den Klimawandel beschäftigt hatte. Prof. Thomas Diez nahm an einer Diskussionsrunde zu zukünftigen Forschungsherausforderungen zum Thema EU und globale Gerechtigkeit teil. Die Aufzeichnung der Konferenz können Sie hier anschauen.
Vom 17.-21. Februar 2020 fand eine von Prof. Thomas Diez organisierte Exkursion nach Zypern statt. Die Studierenden hatten sich zuvor in einem Seminar intensiv mit dem Zypernkonflikt beschäftigt. Die Exkursion bot nun die Möglichkeit, diese Kenntnisse zu vertiefen und sich ein eigenes Bild vom Konflikt zu machen. Die Studierenden hatten dabei die Gelegenheit, in verschiedenen Treffen die Entwicklungen des Zypernkonfliktes und mögliche Zukunftsszenarien zu diskutieren. Auf dem Programm standen dabei Gespräche mit AktivistInnen, AkademikerInnen und NGOs, darunter das Peace Research Institute Oslo, das Goethe Institut und die Friedrich Ebert Stiftung. Von besonderem Interesse war außerdem das Treffen mit dem Außenminister der türkischen Zyprer, Kudret Özersay.
Vom 11.-14. Februar 2020 unternahm die Tübinger Delegation zur National Model United Nations Konferenz in New York unter Leitung von Lea Augenstein eine Exkursion nach Genf. In Gesprächen mit Mitarbeitern von verschiedenen UN-Organen konnten die Delegierten Einblicke in die Funktionsweisen des UN-Systems gewinnen und von detailliertem Expertenwissen zur Vorbereitung auf die inhaltliche Arbeit in ihren jeweiligen Komitees profitieren. Die Gruppe besuchte unter anderem die Welthandelsorganisation, das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, die UN-Flüchtlingsorganisation und die Weltgesundheitsorganisation.
Am 28. Januar 2020 fand ein von Prof. Thomas Diez und Dr. Franz von Lucke im Rahmen des GLOBUS-Forschungsprojektes organisierter Studierendentag zum Thema Klimagerechtigkeit statt. Die Keynote wurde von Prof. Chukwumerije Okereke, Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate Change, gehalten. Darin betrachtete Okereke die Herausforderungen des Klimawandels aus einer Gerechtigkeitspespektive mit besonderem Fokus auf den globalen Süden und diskutierte Ansätze zu einer gerechteren Klimapolitik.
Im Anschluss an Okerekes Vortrag stellten Studierende Poster vor, die sie im Rahmen eines Seminars zu verschiedenen Aspekten des Themas Klimagerechtigkeit erstellt hatten. Die drei besten Poster wurden mit einem Preis ausgezeichnet und die Studierenden werden diese im Mai 2020 auf einer GLOBUS-Veranstaltung in Bologna vorstellen.
Abschließend fand eine Expertendiskussion zum Thema Klimagerechtigkeit unter dem Motto "Think Global, Act Local" statt, an der neben Vertretern von Fridays for Future, MyClimate Deutschland, der Universität Tübingen und dem Stuttgarter Flughafen auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer teilnahm.
Am 21. Januar 2020 hielt Dr. Hylke Dijkstra (Maastricht University) einen Vortrag zum Thema "Leben und Tod internationaler Institutionen". Darin stellte Dijkstra die vorläufigen Ergebnisse seines vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekts zu diesem Thema vor. Basierend auf quantitativen Analysen argumentierte Dijkstra, dass internationale Organisationen, die über einen großen bürokratischen Apparat verfügen, nur sehr selten untergehen oder durch andere ersetzt werden. Dies, so Dijkstra, gebe angesichts des viel zitierten Endes der liberalen Weltordnung Anlass zur Hoffnung. Anschließend diskutierte Dijkstra mit Studierenden und Professor Thomas Diez über die Methodik des Forschungsprojektes und Möglichkeiten weiterführender Forschung.
Am 16. Januar 2020 nahmen Dr. Umut Bozkurt (Eastern Mediterranean University) und Dr. Maria Hadjipavlou (University of Cyprus) an einer Podiumsdiskussion zur Zukunft des Zypernkonflikts teil. Dabei sprachen sie unter anderem über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Konflikt und die Gründe für das Scheitern der Crans Montana Verhandlungsrunde 2017. Als Mitglieder des Gender Advisory Teams Zypern und des Fachausschusses für Geschlechtergleichstellung gingen Bozkurt und Hadjipavlou insbesondere auf die Chancen eines stärkeren Genderfokus in den Friedensverhandlungen ein. Gemeinsam mit Prof Thomas Diez und Studierenden diskutierten sie außerdem über Wege zur Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft im Friedensprozess und über die Verlängerung der UN-Friedensmission auf der Insel.
Am 9. Januar 2020 hielt Professor Erol Kaymak (Eastern Mediterranean University) einen Vortrag über die türkisch-zypriotische Perspektive auf den Zypernkonflikt. Anschließend diskutierte Kaymak mit Studierenden über die Rolle der EU im Zypernkonflikt, sowie über die potentiellen Auswirkungen einer internationalen Anerkennung der Türkischen Republik Nord Zypern.
Am 25. November 2019 nahm Prof. Thomas Diez an einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Klimastreikwoche an der Universität Tübingen teil. Gemeinsam mit Prof. Kramer (Allgemeine Rhetorik), Prof. Trautwein (Bildungswissenschaften) und Prof. Wiesing (Medizinethik), diskutierte er dabei über die Verantwortung der Wissenschaft in der Klimadebatte, die Chancen und Herausforderungen des Klimawandels für demokratische Gesellschaften und die Auswirkungen der Klimakrise auf die internationalen Beziehungen. Dabei bestand panelübergreifend der Konsens, dass der Klimawandel in der Wissenschaft und der universitären Lehre eine größere Rolle spielen müsse.
Vom 8. bis 10. Juli 2019 fand im Haus auf der Alb in Bad Urach eine Mediations-Simulation unter Leitung von Dr. Gabi Schlag statt. Um das Atomabkommen mit dem Iran zu retten, schlüpften 15 Teilnehmer*innen in die Rollen von u.a. der EU Beauftragten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Frederica Mogherini, dem US-Amerikanischen Außenminister Mike R. Pompeo und dem Außenminister der Islamischen Republik Iran Mohammad Javad Zarif. Unterstützt wurden sie dabei von drei Mediatoren. Am Ende der ereignisreichen Verhandlungen, einigten sich alle Parteien auf eine gemeinsame Zusatzerklärung: Joint Agreement of Action!
Am 3. Juli 2019 hielt Prof. Thomas Diez im Rahmen des Institutskolloquiums einen Vortrag zum Thema "Macht und Inklusion in der Internationalen Gesellschaft". In seiner Präsentation stellte er einige grundlegende konzeptionelle Gedanken zu diesen Begriffen und ihrer Beziehung vor und wandte diese Überlegungen auf das Beispiel der EU als normativer Macht an.
Am 2. Juli 2019 hielt Lee Jarvis, Professor für Internationale Politik an der University of East Anglia, einen Gastvortrag im Rahmen der Vorlesung "Discourses of Security". Jarvis beschäftigte sich in seinem Vortrag mit parlamentarischen Debatten zu Verbotsverfahren von Terrororganisationen in Großbritannien. Er analysierte, wie in diesen Debatten die liberale britische Identität durch Gegenüberstellung mit der illiberalen und irrationalen Identität von Terrororganisationen produziert und reproduziert wird. Die Regelmäßigkeit dieses Prozesses verleihe den stets erfolgreichen Verbotsfahren einen ritualistischen Charakter. Anschließend diskutierte Jarvis mit den Studierenden über Grenzen und weitere Anwendungsmöglichkeiten seines Konzeptes.
Am 2. Juli 2019 hielt Prof. Münevver Cebeci von der Marmara University Istanbul, einen Gastvortrag mit dem Titel "Deconstructing Ideal Power Europe: The EU and the Arab Change". Cebeci analysierte darin am Beispiel der europäischen Reaktionen auf den Wandel in der arabischen Welt in den Jahren 2010 und 2011, wie die EU ihr Selbstverständnis als normative Macht konstruiert, und wie diese Konstruktion in der wissenschaftlichen Literatur reproduziert wird. Cebeci betonte, dass Sie mit ihrer Arbeit die Politik der EU nicht aus normativer Sicht bewerten wolle. Ihre poststrukturalistische Arbeit biete jedoch eine kritische Lesart, die es ermögliche die Prozesse der Identitätskonstruktion im politischen und akademischen Diskurs über die EU-Außenpolitik zu dekonstruieren.
Niklas Schörnig, stellvertrender Vorsitzender des Forschungsrats der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, hielt am 25. Juni 2019 einen Gastvortrag im Rahmen der Vorlesung "Discourses of Security". Dabei verteidigte Schörnig eine neorealistische "enge" Konzeption des Sicherheitsbegriffs. Er argumentierte, bezugnehmend auf weltpolitische Ereignisse und Entwicklungen in der Rüstungsindustrie, dass die Wahrscheinlichkeit zwischenstaatlicher Kriege zunehme. Diese Kriege zu verhindern stelle, so Schörnig, die zentrale Herausforderung dar, weshalb eine Ausdehnung des Sicherheitsbegriffs problematisch sei. Im Anschluss trat Schörnig in einen intensiven Austausch mit den Studierenden, die seine Argumente kritisch diskutierten.
Am 18. Juni 2019 hielt Cynthia Petrigh, Gründerin und Leiterin von "Beyond Peace", einen Vortrag im Rahmen der Vorlesung "Discourses of Security". Mit ihrerem Unternehmen bietet Petrigh Ausbildungs- und Beratungsdienste für Streitkräfte, Friedenstruppen und nichtstaatliche bewaffnete Gruppen zum humanitären Völkerrecht, zur Einhaltung internationaler Normen, zur Verhinderung sexueller Gewalt und zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen an. Sie begleitet Gesellschaften in Transformationsprozessen durch die Unterstützung von Vermittlungsbemühungen, Dialoginitiativen und die Förderung der Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen.
Petrigh gab detailiert Auskunft über ihre Arbeit in diversen Konfliktgebieten, darunter Kamerun, Mali, die Philippinen und die Zentralfrikanische Republik. Sie sprach ausführlich über die Chancen und Herausforderungen der Integration von Geschlechterperspektiven und des Bewusstseins für Menschenrechte und humanitäres Recht in bewaffnete Konflikte. In diesem Zusammenhang gab Petrigh zudem überraschende Einblicke in die praktische Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen.
Am 17. Juni 2019 hielt Prof. Thomas Diez im Rahmen der Studium Generale Vorlesung "Die Rückkehr des Sultans? Zur Politischen Ökonomie des Autoritarismus in der Türkei" einen Vortrag zum Thema "Die Europäische Union und die Türkei". Er analysierte darin die Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei von den 1960er Jahren bis heute. Den aktuellen festgefahrenen Zustand der Beitrittsgesprächen beschrieb Diez als Ergebnis eines Dilemmas: beide Seiten seien weder an ernsthaften Verhandlungen, noch einem Abbruch der Gespräche interessiert, eine baldige Lösung dieser Problematik nicht abzusehen. Vor diesem Hintergrund wies Diez auf die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Austauschs für eine potentielle gegenseitige Annäherung hin.
Am 21. Mai 2019 hielt Ben Tonra vom University College Dublin im Rahmen der Vorlesung "Deutschland und die EU in der Internationalen Politik" einen Vortrag zum Thema "Brexit and European Security". Darin setzte sich Tonra mit den Auswirkungen des Brexits für die europäische Sicherheitsarchitektur und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU auseinander. Besonders anschaulich analysierte Tonra zudem die Folgen des Brexits für die Sicherheit Irlands, und warnte dabei vor einem erneuten Aufflammen der ethnisch-konfessionellen Konflikte auf der Insel.
Am 15. Mai 2019 hielt Dr. Gabi Schlag im Rahmen des Insitutskollquiums einen Vortrag mit dem Titel "Ignore or Delete? Governing graphic visual content on social media". Dabei setzte sie sich mit dem Ansatz der EU zur Regulierung graphisch-visueller Inhalte, die auf Social-Media-Plattformen hochgeladen, verbreitet und angesehen werden, auseinander. Gabi Schlag versuchte so eine Antwort auf die Frage zu geben, wer die Autorität und Legitimität hat, das Internet zu regieren, und wie eine legitime Reglementierung von graphischen Inhalten aussehen sollte.
Auch in diesem Jahr nahm eine Tübinger Delegation an der National Model United Nations –Konferenz in New York teil, der größten weltweit. Vom 14.-19. April 2019 vertrat die interdisziplinäre Gruppe die Republik Namibia. Neben der intensiven inhaltlichen Arbeit in den einzelnen Komitees, stand auch ein Besuch bei der namibischen UN-Vertretung auf dem Programm. Für ihre inhaltliche Vorbereitung wurde die Delegation mit zahlreichen „Position Paper Awards“ ausgezeichnet. Am letzten Tag hatten einige Mitglieder der Delegation die Gelegenheit, im Plenarsaal der UN-Generalversammlung vor ihren Komitees zu sprechen. Dort wurde die Tübinger Delegation zudem bei der Abschlussveranstaltung als „Distinguished Delegation“ geehrt.
Am 22. Januar 2019 hielt Thomas Diez im Rahmen der Studium-Generale Ringvorlesung "Autonomieforderungen und Sezessionsbestrebungen in Europa und der Welt" einen Vortrag zum Fallbeispiel Zypern. Dabei ging er auf die Ursachen des Zypernkonfliktes ein, und beschrieb dessen Verlauf anhand zahlreicher gescheiterter Annäherungsversuche der Konfliktparteien. Abschließend skizzierte Thomas Diez ein mögliches Konzept zur Lösung des Konfliktes, das im Anschluss an seinen Vortrag intensiv diskutiert wurde.