Der Lettner - geblieben trotz Reformation
Eines der schönsten Kunstwerke der Stiftskirche befindet sich an der Nahtstelle zwischen dem hohen Chor und dem dreischiffigen Langhaus. Der Lettner diente zur Trennung von Laien und Geistlichen. Durch die Reformation wurde der Lettner vielerorts entfernt. Die Tübinger Stiftskirche bildet eine der wenigen Ausnahmen, denn hier blieb der Lettner bis heute erhalten.
Der rechteckige gotische Hallenlettner verweist mit seinem dreischiffigen Aufbau auf die allgemein übliche Formensprache des 14. – 16. Jahrhunderts und bildet einen selbstständigen Baukörper innerhalb des Kirchenraumes. Die filigran profilierten Säulen, welche die Empore tragen, laufen in drei nebeneinander liegenden Kielbögen aus, die mit Kreuzblumen und Fialen geschmückt sind.
Zwischen ihnen befinden sich vom Betrachter aus gesehen von links nach rechts der Pestheilige Sebastian, Maria, Christus als Schmerzensmann sowie eine Allegorie der Fides, des Glaubens. Im Laufe seiner Geschichte vielfach übermalt, verlor der Lettner seine originale Farbfassung. In Anlehnung an die mittelalterliche Polychromie orientierte man sich bei der Innenrestaurierung 1962 an der Kanzel, die noch Reste der ursprünglichen Farbfassung besaß.
Der Lettner in der Tübinger Stiftskirche wurde 1490 von Steinmetz Daniel Schürer erbaut. Der Name Lettner kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Lesepult“. Er wurde jedoch seltener für Lesungen genutzt und diente mehr als Podium von wo aus die Predigt abgehalten wurde oder der Chor nutzte ihn als Kanzel.
Anders als in vielen anderen Kirchen wurde der Lettner in Tübingen durch die Reformation nicht zerstört. Durch die Umwandlung des Chorraumes in die fürstliche Grabstätte erhielt der Lettner eine neue Trennfunktion im Kirchengebäude und durfte somit bleiben.