Die Datenplattform der KI Allianz Baden-Württemberg – Kathedrale oder Marktplatz?
Die KI-Allianz BW baut derzeit in verschiedenen Städten und Regionen des Landes Baden-Württemberg KI-Innovationscluster auf und schafft Strukturen, um sie miteinander in Verbindung zu bringen.. Die Vernetzungsarbeit soll durch eine technische Plattform unterstützt werden, die KI-bezogene Daten, Technologien und Ressourcen für Unternehmen, Kommunen und andere Stakeholder sammelt und in niedrigschwelliger Form zur Verfügung stellt. Am Aufbau der Plattform sind wissenschaftlich-technische sowie anwendungsorientierte Institutionen (siehe Projektsteckbrief) involviert. Das IZEW ist als Projektpartner damit beauftragt, ethische und soziale Problemstellungen beim Design, der Operationalisierung und der Nutzung der KI-Plattform zu identifizieren und Empfehlungen für Maßnahmen für die Förderung gesellschaftlicher Akzeptanz und ethischer Akzeptierbarkeit auszuarbeiten.
Im Sinne eines `Werte-Sensitiven Designs´ kann die Frage gestellt werden, welche ethischen Prinzipien und Werte beim Design der KI-Allianz Plattform im Vordergrund stehen, bzw. stehen sollten. Falls Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit für Nutzer*innen und Stakeholder zentral sind, mag es sich anbieten, Evaluierungsprozesse zu entwerfen, die Anbieter*innen von Daten, Modellen und Ressourcen, die auf der Plattform zugelassen werden sollen, hohe Qualitätsstandards abverlangen. Eine solche Ausrichtung hätte auch den Vorteil, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen gewahrt und weitere Vorkehrungen zum Schutz von Privatheit relativ problemlos getroffen werden könnten. Die Rolle der Plattform-Anbieter bestünde hier darin, als Gatekeeper aktiv die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Inhalte auf der Plattform zu sichern.
Anders sieht ein Szenario aus, in welchem die Plattform offen für vielfältige Zielgruppen sein soll, die sich relativ frei und selbstständig zu KI austauschen und vernetzen möchten. Hier würde die Funktion der Plattform-Anbieter eher darin bestehen, die horizontalen Beziehungen und Transaktionen von Nutzer*innen zu moderieren und eine möglichst breite Teilhabe zu fördern. Eine solch dialogisch ausgerichtete Plattform könnte viele Akteur*innene mobilisieren und eigenständige Initiativen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft fördern . Die beiden möglichen Ausrichtungen der Plattform repräsentieren in gewissem Sinne die Wahl zwischen Kathedrale und Basar, welche Eric S. Raymond in seinem wegweisenden Essay zu Entwicklungsmodellen von Software (proprietär vs. quelloffener Programmiercode) charakterisierte. Diese Unterscheidung lässt sich auch auf den Nutzung von Technologie übertragen.
Der Bau einer Kathedrale symbolisiert die traditionelle Art der Entwicklung von Technologie, in welcher ein*e klar definierte Gruppe von Spezialist*innen die Pläne des*r Bauherr*in umsetzt. Auch die Nutzungsmodalitäten (Messe, Predigt) und -gruppen (Gläubige, Priester) sind sehr klar definiert. Auf einem Basar hingegen bieten vielfältige Menschen ihre Waren zum Verkauf an. „Nutzer*innen“ mögen Menschen sein, die auf bestimmte Produkte angewiesen sind (Brot, Stoff, Werkzeuge) oder aber Flaneur*innen, die ohne vordefiniertes Ziel um die Marktstände ziehen. Die Voraussetzungen der Teilhabe am Bazar sind sehr viel loser als bei der Kathedrale. Für Anbieter*innen von Waren beschränkten sich diese möglicherweise auf die Zahlung einer kleinen Standgebühr und die Einhaltung hygienischer Auflagen. Besucher*innen des Bazars sind an noch weniger Pflichten gebunden. Diese beschränken sich auf die Einhaltung einfacher rechtlicher, ethischer und sozialer Normen (nicht stehlen, freundlich sein).
Was möchte die Plattform sein? Ein geschlossener Ort der Vertrauenswürdigkeit oder eher ein Marktplatz vielfältiger Perspektiven, Ideen und Ressourcen? Die Antwort auf diese Frage lässt sich nur durch einen integrierten Ansatz der Berücksichtigung technischer, unternehmerischer, gesellschaftlicher und ethisch-rechtlicher Aspekte finden.
Verfasst von: Dr. Simon David Hirsbrunner