Institut für Kriminologie

Seelsorge im Strafvollzug

Dissertation Dr. Alexander Funsch

 

Die Dissertation von Alexander Funsch widmet sich mit dem Thema „Seelsorge im Strafvollzug“ einem in der rechtswissenschaftlichen und kriminologischen Forschung bislang vernachlässigten Bereich des Strafvollzugs. Die Arbeit beschäftigt sich mit der strafvollzugsrechtlichen Entwicklung der Gefängnisseelsorge, dem kirchlichen Strafzweckverständnis und den Zielen des Strafvollzugs sowie, vor dem Hintergrund einer bundesweiten Befragung von Gefängnisseelsorgerinnen und –seelsorgern, mit der praktischen Tätigkeit dieser Berufsgruppe.

Zu Beginn der Arbeit thematisiert der Autor die historische Entwicklung der Gefängnisseelsorge im Gefüge des Strafvollzugsrechts. Während die normative Ausgestaltung der Gefängnisseelsorge zunächst geprägt war von Bestimmungen über den Gottesdienst und das Gebet, über den Besitz religiöser Schriften, von Gegenständen sowie von verschiedensten Tätigkeitsbeschreibungen, wurde in der Weimarer Republik erstmals der Zugang der Seelsorge zur Vollzugsanstalt überhaupt problematisiert. Schließlich wurde in der Weimarer Reichsverfassung das Recht der Konfessionen, in einer Vollzugsanstalt seelsorgerlich zu wirken, niedergelegt und schließlich vom Grundgesetz übernommen.

Im zweiten Teil seiner Dissertation setzt sich Funsch mit dem Zweck von Strafe auseinander. Dabei kommt er zum Ergebnis, dass die Vorstellungen hiervon in der Rechtsprechung, im Alten und Neuen Testament, bei den beiden christlichen Kirchen sowie bei den Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorgern keinesfalls einheitlich sind. Besonders aufschlussreich ist, dass die von Funsch befragten Geistlichen keinen Strafzweck - auch nicht den der Vergeltung - kategorisch ausschließen, wenngleich die Resozialisierung an erster Stelle steht.

Im dritten Abschnitt analysiert die Arbeit auf der Basis einer bundesweiten Umfrage die praktische Tätigkeit und das Arbeitsfeld der Gefängnisseelsorge. Dabei werden zunächst die Ziele und die konkreten Tätigkeiten der Gefängnisseelsorge behandelt sowie eruiert, weshalb Gefängnisseelsorge betrieben wird. Darüber hinaus ist die Beziehung der Geistlichen zu den Gefangenen und zu den Bediensteten Gegenstand der Arbeit.

So zeigt Funsch zum Beispiel auf, dass die Arbeit der Gefängnisseelsorge im Wesentlichen Seelsorge an den einzelnen Gefangenen ist. Allein drei Viertel ihrer Arbeitszeit investieren Seelsorgerinnen und Seelsorger in die Gefangenen. Die verbleibenden Ressourcen kommen hauptsächlich den Bediensteten der Vollzugsanstalt und den Angehörigen der Gefangenen zugute. Die Tätigkeit der kirchlichen Kräfte ist ferner durch das seelsorgerliche Gespräch, insbesondere das Einzelgespräch, geprägt. Gespräche nehmen viermal so viel Zeit in Anspruch wie das Feiern von Gottesdiensten oder das Abhalten gottesdienstähnlicher Veranstaltungen. Die Anstaltsgeistlichen betätigen sich außerdem im Bereich der Sozialarbeit, die allerdings trotz Übernahme verschiedener Tätigkeiten nicht zu ersetzen ist.

Ein weiteres Resultat der Arbeit ist, dass die Beziehung zwischen den Seelsorgerinnen und Seelsorgern und den Gefangenen etwas sehr Besonderes ist. Anders als beim Kontakt zu den Bediensteten im Strafvollzug wird nach den Befragten hier ein Dialog auf Augenhöhe möglich. Die Gefangenen bauen den kirchlichen Bediensteten gegenüber größeres Vertrauen auf, als dies beim normalen Anstaltspersonal der Fall ist. Dass die Geistlichen wie alle helfenden Organe in der Gefahr stehen, ausgenutzt zu werden, bestätigt die Untersuchung ebenso. Allerdings kann diesem Umstand nach den Befragten durch Transparenz im seelsorgerlichen Angebot sowie durch eine Beschränkung materieller Hilfen begegnet werden.

Insgesamt liefert die Dissertation nicht nur eine Bestandsaufnahme seelsorgerlichen Wirkens, sondern zugleich eine umfassende Würdigung sämtlicher Anstrengungen der Gefängnisseelsorge wie auch der in ihr arbeitenden Personen.

 

Erstgutachten: Prof. Dr. Jörg Kinzig

Zweitgutachten: Prof. Dr. Karl-Hermann Kästner

Rigorosum: 21. Juli 2014

 

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