Sülchen
Die Kirchengenese und Einbindung früher Kirchengründungen der Merowinger- und Karolingerzeit in Siedlungsstruktur und Gesellschaft wird für Südwestdeutschland kontrovers diskutiert. Da aussagekräftige Befunde bisher fehlten, hielt die deutschsprachige archäologische Forschung weitgehend an dem traditionellen Eigenkirchenmodell fest und damit auch an der Vorstellung von einer an lokale adlige Grundherren gebundenen Christianisierung.
Die Ausgrabungen in Rottenburg-Sülchen (Kr. Tübingen) geben erstmals Gelegenheit zentrale Fragen zur Genese von Kirchenstandorten, den dazugehörigen Siedlungen und den Akteuren im Dialog mit den Geschichtswissenschaften zu klären: (1) Wann entstehen die ersten Kirchen in Alamannien und welche Herrschaftsstrukturen spiegeln sich darin? (2) Sind Kirchen Ergebnis oder Ausgangspunkte zentralörtlicher Entwicklungen und wann und wo treten dabei geistliche Institutionen, wann und wo dagegen Laien auf den Plan? (3) Was sah die lokale Bevölkerung in einem solchen Bauwerk, wie und von wem wurde es genutzt? (4) Ab wann handelt es sich um Kirchen und welches Maß an Christianisierung und kirchlicher Organisation lässt sich aus den Befunden ableiten?
Ausgangspunkt des Vorhabens ist die hervorragende lokale Befundsituation in Sülchen aus Gräberfeld (6./7. Jh.), darüber liegender Kirche mit Friedhof (7. bis 9./10. Jh.) und einem archäologisch großflächig dokumentierten, geschlossenen Siedlungsareal (ab dem 5. Jh.). Innerhalb der Merowinger- und Karolingerzeit sollen die bauliche Gestalt und das räumliche Gefüge des Kirchenstandorts sowie die Faktoren, die zur Ausbildung des Settings aus Kirche und Friedhof führten, rekonstruiert werden. Daneben gilt es, die zugehörige Siedlung in ihrer räumlichen, zeitlichen und funktionalen Entwicklung zu analysieren und zentralörtliche Elemente zu identifizieren.
Kooperationspartner: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidum Stuttgart (G. Graenert, J. Scheschkewitz), Seminar für mittelalterliche Geschichte der Universität Tübingen (S. Patzold).
Ansprechpartner in der Archäologie des Mittelalters ist Lukas Werther.