Wo die extreme Rechte bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg am 9. Juni 2024 antritt

Stand 7. Juni 2024

Demokratie vor Ort – das ist die Besonderheit der Kommunalpolitik. Hier finden sich lokale Politiker*innen „zum Anfassen“ ebenso wie jene Themen, die den Alltag und das persönliche Lebensumfeld prägen: Politische Entscheidungen betreffen die Menschen vor Ort unmittelbar.
Bei den Kommunalwahlen am 9. Juni 2024 werden in allen 1101 Kommunen in Baden-Württemberg die Gemeinde- und zum Teil auch die Ortschaftsräte gewählt. Dabei geht es um mehr als 19.000 Gemeinderats- und Ortschaftsratsmandate. Darüber hinaus wird in 35 Landkreisen der Kreistag gewählt. Hier stehen mehr als 2000 Sitze zur Verteilung an.

Das Wahlalter der Erstwähler*innen bei den anstehenden Kommunal- und Europawahlen wurde auf 16 Jahre abgesenkt. Bei den Kommunalwahlen dürfen Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft und Menschen mit einer EU-Staatsbürgerschaft wählen, wenn sie seit mindestens drei Monaten ihren Hauptwohnsitz in der jeweiligen Gemeinde haben.
Neben den demokratischen Parteien, freien Listen und den Freien Wählern tritt auch die extrem rechte, in weiten Teilen offen völkisch-nationalistische und vom Bundesamt für Verfassungsschutz gerichtsfest als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestufte Alternative für Deutschland (AfD) (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aktenzeichen: 5 A 1216/22, 5 A 1217/22, 5 A 1218/22) an.
Auch wenn die Landesvorsitzenden der AfD, Emil Sänze und Markus Frohnmaier, die extrem rechte Partei für die Kommunalwahlen gut aufgestellt sehen (vgl. https://www.staatsanzeiger.de/nachrichten/politik-und-verwaltung/afd-landeschef-emil-saenze-wenn-wir-regieren-wird-es-nicht-lustig/), zeichnen die Zahlen doch ein anderes Bild. Denn die AfD ist weit davon entfernt, bei den Kommunalwahlen flächendeckend anzutreten.

Neben der AfD treten weitere Listen an, die dem extrem rechten Spektrum oder dem Lager der Verschwörungsideolog*innen zuzurechnen sind, wie der freie Journalist Lucius Teidelbaum am 5.6.2024 in der Kontext Wochenzeitung berichtete. Er unterscheidet extrem rechte, christlich-rechte, pandemieleugnende, migrantisch-nationalistische und sonstige Listen, die auf Gemeindeebene insgesamt etwa 30 Listen stellen und damit vergleichsweise marginal sind.

Kommunalwahl Baden-Württemberg 2024: Kandidaturen der AfD für die Gemeinde- und Stadträte

Bei den Wahlen zu den 1101 Gemeinde- und Stadträten in Baden-Württemberg ist die AfD weit davon entfernt, flächendeckend anzutreten. Von den 1101 Gemeinden kann sie gerade einmal 137 mit eigenen Listen abdecken. Sie tritt damit in lediglich 12,4% der Gemeinden an. Und auch dort nur in 7 Gemeinden mit Listen, die die gesamte Anzahl der zu wählenden Sitze abdecken. Vier davon sind die kreisfreien Städte Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim und Pforzheim. Hinzu kommt, dass die AfD in einigen Gemeinden nicht mehr zu den Wahlen antritt, in denen sie 2019 noch Kandidat*innen stellte. In der Gesamtschau zeigt sich hier das massive Rekrutierungs- und Akzeptanzproblem, das die AfD in der Fläche hat, wenn es um mehr geht, allein eine Stimme abzugeben.

Kommunalwahl Baden-Württemberg 2024: Kandidaturen der AfD für die Kreisräte

Auf Landkreisebene schafft es die AfD, bei 34 von 35 Kreistagswahlen anzutreten, mit dem Landkreis Sigmaringen als einzigem Ausreißer ohne Liste. Über vollständige Listen, die mindestens so viele Kandidat*innen wie zu vergebende Sitze umfassen, verfügt die AfD in 10 von 35 Landkreisen. Hinzu kommen die vier kreisfreien Städte Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim und Pforzheim mit ebenso vollständigen Listen.

Gerne stellen wir Ihnen die Karten in hoher Auflösung zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter: infospam prevention@irex.uni-tuebingen.de

 

Kommunalwahlen 2024: Die AfD-Wahlergebnisse in Stadt- und Landkreisen

Die AfD gewinnt bei den Kommunalwahlen 2024 in Baden-Württemberg in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen sie antritt, Stimmen dazu. Damit setzt sich der schon bei der Wahl zum Europäischen Parlament zu beobachtende Trend auch bei den Kreistags- und Kommunalwahlen in den kreisfreien Städten fort.

Die Wahlergebnisse der Kreistagswahlen und Kommunalwahlen in den kreisfreien Städten am 9. Juni zeigen deutlich einen Zugewinn an Stimmen – und zwar in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen die AfD angetreten ist. Mit dem Ergebnis Stadtkreis Pforzheim (21,98 Prozent, 9 von 40 Sitzen) gelingt es der AfD zum ersten Mal in Baden-Württemberg, in einem Stadtkreis die stärkste Kraft zu stellen. Die CDU als zweitstärkste Kraft erreichte mit 20,78 Prozent 8 Sitze). Die deutlichsten Stimmenzugewinne sind in Ravensburg (9,73 Prozentpunkte auf 9,73 Prozent - die AfD war vorher nicht angetreten), Tuttlingen (+9,07 Prozentpunkte auf 12,36 Prozent) sowie Ludwigburg (+8,79 Prozentpunkte auf 11,8 Prozent) zu verzeichnen. Nur wenig hinzugewinnen konnte die AfD in den kreisfreien Städten Heidelberg (+0,53 Prozentpunkte auf 5,55 Prozent), Freiburg (+0,93 Prozentpunkte auf 4,54 Prozent) und Stuttgart (+2,19 Prozentpunkte auf 8,28 Prozent).

Die schon bei der Bundestagswahl 2021 und der Wahl zum Europäischen Parlament beobachtbaren regionalen Unterschiede bestätigen sich auch hier: Es sind vor allem die kosmopolitisch geprägten Universitätsstädte sowie ihr Umland (vgl. insb. der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit einer Zunahme von 2,69 Prozentpunkten auf 7,57 Prozent), in denen die AfD mit ihren extrem rechten, völkisch-nationalistischen Positionen wenig erfolgreich ist.

Diese Polarisierung zeigt sich auch, wenn wir die Landkreise und kreisfreien Städte mit den höchsten und niedrigsten Gesamtergebnissen betrachten: Ihre besten Ergebnisse konnte die AfD in den kreisfreien Städten Pforzheim (21,98 Prozent) und Heilbronn (15,93 Prozent) sowie dem Zollernalbkreis (16,04 Prozent) erzielen.  In den Universitätsstädten Freiburg (4,54 Prozent), Ulm (5,13 Prozent), Heidelberg (7,55 Prozent) sowie dem universitär geprägten Landkreis Tübingen (4,56 Prozent) erzielte die AfD ihre schlechtesten Ergebnisse.

Statistisch auffällig ist dabei der negative Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Stimmenanteil der AfD (r=-0,61; p=,001). Eine geringere Wahlbeteiligung geht mit einem höheren Ergebnis der AfD einher. Die AfD kann also insbesondere in den Kreisen reüssieren, in denen es den anderen Parteien nicht gelingt, ihre potentielle Wählerschaft zu mobilisieren und an die Wahlurnen zu bringen. Kurz: mangelnde Mobilisierung der demokratischen Parteien spielt der extrem rechten AfD in die Hände.

Das wichtigste nochmal in Kürze zusammengefasst:

  1. Die AfD gewinnt in allen Landkreisen und kreisfreien Städten an Stimmen hinzu. Besonders erfolgreich ist sie in Pforzheim, wo sie die stärkste Kraft im Stadtrat stellt.
  2. Es bestätigt sich, dass kosmopolitisch geprägte Universitätsstädte und ihr Umland resistenter gegenüber der AfD sind (siehe Strukturdaten).
  3. Eine geringe Wahlbeteiligung geht mit höheren Ergebnissen der AfD einher. Während die AfD hier ihr Wählerpotential ausschöpft, gelingt dies den anderen Parteien nicht.

 

Kreistagswahl und Stadtratswahl für kreisfreie Städte 2024: Wahlergebnisse der AfD in Baden-Württemberg (Sitzanteil und Sitzveränderung)

Die Karte zeigt die Sitzanteile der AfD in den jeweiligen Kreistagen und Stadträten der Landkreise und kreisfreien Städte in Baden-Württemberg. Die Einfärbung entspricht dabei den erzielten Ergebnissen. Dunklere Einfärbungen entsprechen dabei einem höheren Sitzanteil. Ihr bestes Ergebnis erzielt die AfD in Pforzheim, wo sie nun die stärkste Kraft im Stadtrat stellt (9 Sitze, die CDU erreicht als zweitstärkste Kraft 8 Sitze). Gesondert dargestellt ist der Landkreis Sigmaringen, in welchem die AfD nicht zur Kreistagwahl angetreten ist. Die Tabelle rechts neben der Karte zeigt die genaue Sitzverteilung für die AfD in den jeweiligen Gremien sowie sie Gesamtzahl der dort vorhandenen Sitze. Zudem ist die Veränderung der Sitze, welche an die AfD gingen im Vergleich zur letzten Kommunalwahl 2019 zu sehen. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Gesamtzahl der Sitze im Vergleich zu 2019 aufgrund von Bevölkerungsveränderungen zum Teil verändert hat, weshalb die Sitzplatzveränderung nur bedingt aussagekräftig ist.

Kreistagswahl und Stadtratswahl für kreisfreie Städte 2024: Wahlergebnisse der AfD in Baden-Württemberg - Veränderung des Stimmanteils im Vergleich zu 2019

Die Karte zeigt die Veränderungen des Stimmanteils der AfD im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2019 in Prozentpunkten. Eine dunklere Einfärbung der Landkreise und kreisfreien Städten entspricht dabei einem höheren Zugewinn, welcher im Landkreis Ravensburg mit 9,72 Prozentpunkte am höchsten ausfällt. Dabei gewinnt die AfD in allen Kreisen und kreisfreien Städten, in denen sie angetreten ist, an Stimmen hinzu. Lediglich im Landkreis Sigmaringen (pink eingefärbt) ist die AfD nicht angetreten.

Kreistagswahl und Stadtratswahl für kreisfreie Städte 2024: Wahlergebnisse der AfD in Baden-Württemberg (Stimmanteil)

Die Karte stellt die jeweiligen Stimmanteile der AfD bei den Kommunalwahlen 2024 auf Landkreisebene sowie für kreisfreie Städte dar. Eine dunklere Einfärbung entspricht dabei einem höheren Ergebnis. Das höchste Ergebnis erzielte sie in Pforzheim mit 21,98 Prozent. Dort stellt die AfD im Stadtrat nun die stärkste Partei (sie erhält dadurch 9 Sitze, die CDU als zweitstärkste Partei erhält 8 Sitze). In Sigmaringen (pink eingefärbt) trat die AfD bei dieser Kommunalwahl nicht mehr an. Die Karte deutet an, was in unserer vorhergegangenen Analyse (LINK Strukturdaten) bereits deutlich wurde: insbesondere in Universitätsstädten (bspw. Freiburg, Heidelberg, Ulm) und universitär geprägten Landkreisen (z.B. Tübingen und Breisgau-Hochschwarzwald) erreicht die AFD weiterhin verhältnismäßig geringe Stimmanteile.

Gerne stellen wir Ihnen die Karten in hoher Auflösung zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter: infospam prevention@irex.uni-tuebingen.de