College of Fellows

Institut culturelle franco-allemand (ICFA)

Das CoF hat bereits mehrfach mit eigenen Beiträgen an Veranstaltungen am Deutsch-Französischen Kulturinstitut Tübingen (ICFA) teilgenommen, etwa an den Veranstaltungen im Rahmen der Nuit des idées (Ideennacht "Was macht Europa aus") und am Salon Europa zum Thema Identität 2022 (zum Tagblatt-Artikel "Salon Europa": Die Kunst in Zeiten der Spaltung).


Rückblick

La Nuit des idées / Die Nacht der Ideen 2023

Plus / „Mehr“

Pressebericht zur Veranstaltung im Schwäbischen Tagblatt

Inhalt:
Wir leben im Zeitalter des "immer mehr": wachsende Bevölkerung, immer mehr Krisen, Anstieg der durchschnittlichen Temperatur auf der Erdoberfläche, Wettbewerb um die Produktion von mehr Gütern, Schaffung von mehr Arbeitsplätzen ... Man kann mit Hans Blumenberg und Hartmut Rosa sagen, dass unser Zeitalter durch "Megalomanie", die Erhöhung des "Sättigungsgrades" und die zunehmende Beschleunigung der Zeit gekennzeichnet ist. Um das Thema "Mehr" und seine Ausdrucksformen – wie die Beschleunigung und Intensivierung des Lebens, die Anforderungen an Effizienz, Produktivität und Leistung – bei der "Nacht der Ideen" 2023 zu behandeln, eröffnen wir eine Diskussion aus philosophischer Perspektive:

Im Gegensatz zum Wunsch, mehr und immer mehr zu produzieren und immer weiter zu wachsen, ist es möglich, einen Weg zu einem anderen Verständnis von "mehr" zu öffnen und einen relevanten, aber differenzierten Begriff einzubeziehen, der in der Philosophie der Erfahrung auftaucht: ein "mehr", das nicht gleichbedeutend mit dem "immer mehr" der höheren Produktion und Geschwindigkeit ist, sondern "Überschuss" bedeutet. Auf Französisch „Surplus“ gegenüber „Plus“.

Im Alltag verschließen wir oft die Augen vor der "Fülle" und dem "Überschuss", also einem weiteren "Mehr", die in unseren Erfahrungen präsent sind, sei es im Zusammenleben mit den Nachbarn und in der Familie oder in der Rolle, die wir als BürgerInnen in der Stadt, in einem Nationalstaat oder als "WeltbürgerInnen" spielen.

Unsere Erfahrungen sind vielschichtig und lebendig. Die Reise in eine andere Stadt oder ein anderes Land, der Besuch in einem Museum, die Erfahrung einer tiefen Freundschaft und der Liebe oder auch der Konfrontation mit dem Tod, all diese Erfahrungen haben eine eigene Tiefe, sie sind mehrdeutig und lassen sich nicht auf einen einzelnen Aspekt reduzieren.

Deshalb öffnet die Erinnerung an diese Erfahrungen die Büchse der Pandora. Es ist nicht einfach, über diese Erfahrungen zu sprechen, denn ein Teil von ihnen bleibt immer unausgesprochen und mehrdeutig. Diese Mehrdeutigkeit ist die Übersetzung des "Überschusses", d. h. eines stillschweigenden "Mehr" an möglicher Bedeutung, das in jeder Erfahrung verborgen ist. Die Phänomene, wie wir sie erleben, zeigen und "enthüllen" immer mehr als das, was wir zu benennen vermögen. Sowohl in der Erfahrung als auch im Verständnis der Erfahrung und in ihrem Ausdruck sind wir immer mit einem "Überschuss" konfrontiert, den wir nicht vollständig erfassen und ausdrücken können. Was wir von der Erfahrung verstehen und ausdrücken, ist immer "weniger" als das, was wir erlebt haben.

Die Unterscheidung zwischen "mehr" und "Überschuss" ist die Unterscheidung zwischen "noch mehr" und "noch nicht". Im ersten Fall gilt: Je mehr man bekommt, desto mehr will man. Im zweiten Fall gilt: Je tiefer man erfährt, desto mehr versteht man, dass man noch nicht vollständig erfahren, verstanden und ausgedrückt hat.

Aber in welcher Beziehung stehen diese beiden Bedeutungen von „Mehr“ zueinander?

1) Das erste ist die Norm: „Es muss mehr produziert werden!“, „Es muss immer weitergehen!“ Das zweite ist ein Hinweis auf das, was wirklich ist :  was wir sehen und erleben, übertrifft immer das, was wir sagen und ausdrücken oder glauben zu erleben.

2) Im Gegensatz zum Motto des "immer mehr" muss man auf den Reichtum der gelebten Erfahrung, des Seins, der Lebenswelt setzen, deren Bedeutungsüberschuss "noch nicht" vollständig erfahren und ausgedrückt wurde.

Dies sind offene Fragen, denen bei der Nacht der Ideen nachgegangen wurde.