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Gründung der Tübinger Studentenhilfe

In den Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, geprägt von wirtschaftlicher Not und politischen Unsicherheiten, spielte die Idee der studentischen Selbstverwaltung eine große Rolle. Bereits am 12. November 1918 konnte auf einer studentischen Vollversammlung ein „Allgemeiner Studentenausschuss“ gewählt werden.

Zur Bewältigung der stetig zunehmenden wirtschaftlichen Not der Studierenden gründete man am 6. August 1920 die „Tübinger Studentenhilfe e.V.“. Die Vereins-gründung hat nur wenige Spuren in der Überlieferung des Universitätsarchivs Tübingen hinterlassen. Bei Kriegsende ist das seit der Gründung bis 1944/45 angefallene Schriftgut fast vollständig verloren gegangen. Das früheste Zeugnis ist der Aufruf mit dem der Verein um finanzielle Unterstützung zur Errichtung eines Studentenheimes mit Studentenküche bittet. Er stammt aus der unmittelbaren Zeit nach der Gründung des Vereins im August 1920. Als vordringlichste Aufgabe betrachtete man die Schaffung einer Einrichtung zur „studentischen Speisung“. Die im Wintersemester 1919/20 stark gestiegenen Preise für das Essen in Gasthäusern, zwangen eine große Anzahl Studierender, sich nach einer billigen Gelegenheit zum Mittagessen umzusehen. Eine solche fanden sie in der städtischen Volksküche, die ursprünglich im Krieg zur Unterstützung der Einwohner geschaffen worden war. Die Volksküche nahm immer mehr den Charakter einer Mensa an. Die Stadt Tübingen bemühte sich zwar die Kapazitäten der Küche zu erweitern, machte aber deutlich, dass dies nur ein Provisorium sein konnte. Die Studentenschaft verwies insbesondere daraufhin, dass die Bedürfnisse nach günstigen Mahlzeiten nur durch ein eigenes Studentenheim mit Gaststätte, so wie es in vielen deutschen Universitätsstädten bereits üblich war, erfüllt werden konnten. Gegen Ende des Sommersemesters 1920 gründete sich ein Ausschuss aus Bürgern der Stadt, Angehörigen des Lehrkörpers und Vertretern der Studentenschaft mit dem Ziel für die Schaffung eines Studentenheimes zu werben. Daraus ging dann der Verein Tübinger Studentenhilfe hervor.

 

Im März 1921 erwarb der Verein das Hotel „Prinz Karl“ in der Hafengasse, um dort eine Gaststätte für Studierende einzurichten, die einen günstigen Mittagstisch servierte und auch am Abend und Sonntag für Verköstigung sorgte. Die regionale Landwirtschaft unterstützte die Versorgung der Studentenschaft durch die Abgabe verbilligter Lebensmittel. Das „Prinz Karl“ beherbergte auch ein studentisches Café und ein Lesezimmer sowie ein Hotel in den oberen Stockwerken.

Neben der Errichtung eines Studentenheims war es den Vereinsmitgliedern ein wichtiges Anliegen Einrichtungen zu schaffen, die der direkten Selbsthilfe der Studierenden dienten. Zu diesem Zweck schuf man eine Vermittlungsstelle für werkstudentische Arbeit. Die vereinseigene Schuhmacher- und Buchbinderwerkstatt vermittelte die notwendigen Kenntnisse auf diesen Gebieten, um so zur „Verbilligung des Konsums“ beizutragen.

An den Aufgaben änderte sich in den folgenden Jahren im Prinzip nichts, es kamen allerdings ein Studentinnentagesheim sowie einige Erfrischungsstellen hinzu und im Jahr 1930 änderte der Verein seinen Namen in „Tübinger Studentenwerk e.V.“ 1938 erfolgte die Auflösung der Tübinger Studentenhilfe und die Übertragung des Ver-mögens auf das Reichsstudentenwerk. Nach 1945 wurde die Idee der studentischen Selbsthilfe mit der Gründung des Tübinger Studentenwerkes e.V. wiederbelebt. Dem immer größer werdenden Geschäftsumfang konnte die als Verein organisierte Studentenhilfe in den 1960er Jahren nicht mehr gerecht werden. Einen großen Teil der Aufgaben übernahm das 1975 als Anstalt des öffentlichen Rechtes errichtete Studentenwerk. Zum 1. Januar 2007 erfolgte die Fusion der Studentenwerke Tübingen und Hohenheim. Das Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim versteht sich als soziales Dienstleistungsunternehmen mit einer Vielzahl von Angeboten zum studentischen Wohnen, zur Gastronomie, zur Studienfinanzierung, zur Kinder-betreuung und Beratung.

Quellen:

UAT 289: Tübinger Studentenhilfe / Studentenwerk e.V., 1920-1977 (153 Archivalieneinheiten)

UAT 183/31: Tübinger Studentenhilfe / Tübinger Studentenschaft, Aktensplitter: Werbetätigkeit, Arbeitseinsatz, 1922/23, 1934 (1 Archivalieneinheit)

UAT 183/181: Studentenwerk A.d.ö.R.: Materialien zur Geschichte des Studentenwerks, 1949-2010 (8 Archivalieneinheiten) 

UAT 117: Akademisches Rektoramt, 1917-1968 (8 Archivalieneinheiten)

Literatur:

Rudolf Pörtner, Eine wechselvolle Geschichte. 100 Jahre Tübinger Studentenwerk, in: Tübinger Blätter 2020, S. 79-83.