Wie werden Handlungen angepasst, um ein entsprechendes Ziel zu erreichen?
Was aber passiert, wenn unsere Handlungen nicht zum gewünschten Ziel führen? Immer wieder läuft die Zielerreichung nicht automatisch ab, sondern erfordert besondere Anstrengungen. Beim Autofahren, zum Beispiel, weil unerwartete Reize auf uns einwirken (eine Baustellenausfahrt) oder wir eine falsche Bewegung ausgeführt haben (zu weit von der Spur abgekommen). Wie werden unsere Handlungen angepasst, um trotz dieser ´Störungen´ ans Ziel zu gelangen?
Eine bekannte Theorie nimmt an, dass es solche ´Störungen´ sind, die uns die Notwendigkeit von Kontrolle signalisieren. So zeigt eine Vielzahl von Studien, dass Fehler oder andere kritische Ereignisse vom Gehirn automatisch erkannt werden und anschließend als Lernsignal für Kontrollprozesse fungieren. Dadurch werden störende Reize effektiver ausgeblendet und zielrelevante Informationen stärker gewichtet. Wenn wir z.B. mit dem Auto durch eine Baustelle fahren, die durch die enge Fahrbahn besondere Aufmerksamkeit verlangt, dann sollten wir durch kleinste Fehler besser darin werden, genau die Spur zu halten und das Tempo entsprechend der Baustellenausfahrt anzupassen. Die Theorie erklärt Kontrolle also als kybernetischen Regelkreis, in dem Fehler (oder „beinahe-Fehler“) zu Anpassung führen. Was aber passiert, wenn wir diese Baustelle jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit passieren? Wäre es nicht effizienter, das richtige Maß an Kontrolle könnte dann direkt und reflexartig aus dem Gedächtnis abgerufen werden, ohne erst zu unkontrolliert in die Baustelle hineinzufahren Wir untersuchen, ob und wie abstrakte Kontrollprozesse als eine Art Momentaufnahme im Gedächtnis gespeichert werden und unter welchen Umständen ein schneller Abruf erfolgen kann.
Obwohl unstrittig ist, dass kritische Ereignisse (wie Fehler) in wenigen Sekundenbruchteilen erkannt werden, ist unklar, in welcher Form sie anschließend als Lernsignal weiterverarbeitet werden. Eine Überlegung liegt darin, dass es die emotionale Qualität von (beinahe-) Fehlern ist, die Lernen ermöglicht. Wir untersuchen die Rolle von negativem Affekt, der bei einem Fehler oder einem beinahe-Fehler entsteht und inwieweit ein solches Affekt-Signal Kontrollprozesse lenkt.
Insgesamt zeigen unsere Studien und Studien aus anderen Arbeitsgruppen, dass Fehler und ´beinahe Fehler´ unsere Fähigkeit verbessern, irrelevante Information auszublenden. Wir werden also besser darin störende Reize abzuwehren und fokussierter. Obwohl das oft ein Vorteil ist, gibt es auch viele Situationen in denen ein flexibleres Verhalten notwendig ist. Während ich in der Fahrt durch die Baustelle davon profitiere, andere Reize die sich nicht auf die Straße beziehen auszublenden, wäre es nicht hilfreich, wenn ich auch im normalen Verkehr nicht auf das Klingeln der Freisprecheinrichtung zu reagieren. Flexibilität ist vor allem in solchen Situation von Vorteil, die ein schnelles Hin-und-her-Schalten zwischen unterschiedlichen Aufgaben verlangen. Deshalb untersuchen wir Kontrolle auch beim Multitasking. Unsere bisherigen Ergebnisse legen nahe, dass Kontrollsignale wie Fehler und ´beinahe-Fehler´ hier das Wechseln hin zur Alternative-Aufgabe erleichtern. Kontrolle ist demnach stark Kontextabhängig. Im Singletasking führen Fehler und ´beinahe-Fehler´ zu mehr Stabilität (also besserem Ausblenden von anderen Reizen) und Kontrolle optimiert wie ich eine Aufgabe ausführe. Im Multitasking führen Fehler und ´beinahe-Fehler´ zu mehr Flexibilität (also besserem hin-und-her-Schalten zwischen Aufgaben) und Kontrolle optimiert welche Aufgabe ich auswähle.
Ausgewählte Veröffentlichungen:
- Dignath, D., Kiesel, A., & Eder, A.B. (2015). Flexible Conflict Management: Conflict Avoidance and Conflict Adjustment in Reactive Cognitive Control. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition. 41(4), 975-988.
- Wirth, R.*, Dignath, D.*, Pfister, R., Kunde, W., & Eder, A. B. (2016). Attracted by rewards: Disentangling the motivational influence of rewarding and punishing targets and distractors. Motivation Science, 2(3), 143-156.(* = shared first authorship)
- Dignath, D., Johannsen, L., Hommel, B., & Kiesel, A. (2019) Contextual control of conflict: Reconciling cognitive-control and episodic retrieval accounts of sequential conflict modulation. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance,45(9), 1265-1270.
- Dignath, D., Berger, A., Spruit, I., M., & van Steenbergen, H. (2019) Temporal dynamics of error-related corrugator supercilii and zygomaticus major activity: Evidence for implicit emotion regulation following errors. International Journal of Psychophysiology, 146, 208–216.
- Dignath, D., Eder, A., Steinhauser, M., & Kiesel, A. (2020). Conflict monitoring and the affective signaling hypothesis -an integrative review. Psychonomic Bulletin and Review, 27,193–216.
- Dignath, D., Wirth, R., Kühnhausen, J., Gawrilow, C., Kunde, W., & Kiesel, A. (2020). Motivation drives conflict adaptation. Motivation Science, 6(1), 84–89.
- Schuch, S. *, & Dignath, D.,* (in press). Task-Conflict biases Decision Making. Journal of Experimental Psychology: General. (* = shared first authorship)