Archäologische Untersuchungen am Schlösslesberg bei Rottenburg, Bad Niedernau
Auf einem schmalen Geländesporn etwa 700 m südlich des Rottenburger Ortsteils Bad Niedernau finden sich im dicht bewaldeten Gebiet die Reste einer einstmals ausgedehnten Burg. Die wenig bekannte, historisch bislang nicht greifbare Anlage liegt oberhalb der spätmittelalterlichen Ehingerburg, die als Stammsitz der Herren von Ehingen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut und während der zollerischen Fehde 1407 zerstört wurde. Rund 100 m nach Verlassen der Hochfläche schneidet eine vermutlich vorgeschichtliche Wall-Graben-Anlage den schmalen Bergrücken. Mit einem zweiten Graben und einem großformatigen Schutthügel, scheint anschließend die bis zu 150 m lange, aber nur etwa 40 m breite mittelalterliche Befestigung zu beginnen. Dort gelang es die Fundamente eines wohl großformatigen Wohnturms zu erfassen. Ein weiterer turmartiger Baukörper liegt am entgegengesetzten Ende des einst von einer ebenfalls punktuell ergrabenen Ringmauer umgebenen Areals. Zeitstellung und Dimension der Anlage sind bislang noch nicht abschließend geklärt, jedoch verweist das Fundmaterial in das 9./10. bis ausgehende 11. Jahrhundert. Wahrscheinlich handelt es sich um eine der frühesten Hochadelsburgen der Region, die in ihrem Bedeutungskontext bisher nicht ansatzweise erfasst ist. Wie die Burg auf dem Schlösslesberg vor diesem Hintergrund einzuordnen ist, gehört zu den zentralen Fragestellungen des Projekts.
Situation der Ehingerburg (E) und der Burganlage auf dem Schlösslesberg (S) im LiDAR-Scan mit Position der Grabungsschnitte.
Ein Kooperationsprojekt zwischen Universität, Denkmalpflege und lokalen Akteuren
Während der zweiten Grabungskampagne freigelegte und im Rahmen einer öffentlichen Führung präsentierte Fundamente des hinteren Turms.
Aus privater Initiative heraus und mit Unterstützung des Sülchgauer Altertumsvereins geriet die Burgstelle Anfang 2020 in den Fokus. Im Frühjahr 2021 erfolgten erste gezielte Begehungen des Areals sowie die Einbindung ehrenamtlicher Kooperationspartner und die Sichtung von Lesefunden. Letztere konnten noch im Sommer desselben Jahres im Rahmen einer Lehrveranstaltung in der Abteilung für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit der Universität Tübingen gemeinsam mit Studierenden ausgewertet werden. Größere öffentliche Resonanz erfuhr das Projekt »Schlösslesberg« erstmals im Frühjahr 2022 im Rahmen zweier öffentlicher Führungen. Im Herbst 2023 und nochmals im Frühjahr 2024 wurden dann durch die Universität Tübingen, dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Sülchgauer Altertumsverein e.V. zwei Grabungskampagnen auf dem Schlösslesberg durchgeführt, die maßgeblich durch das vom Sozial-, Bildungs- und Kulturausschuss der Stadt Rottenburg gewährte »Bürgergeld” finanziert und durch einen Kreis regionaler Akteure unterstützt und begleitet wurden. Die Auswertung der ersten beiden Grabungskampagnen befindet sich seit Mitte 2024 in Arbeit. Die archäologischen Untersuchungen sollen in den kommenden Jahren fortgesetzt werden und außer der beeindruckenden mittelalterlichen Anlage auch die vorgeschichtliche Besiedlung erfassen.
M. Kienzle, Burgenbau und Adelsherrschaft in Rottenburgs Umgebung. In: Rottenburgs Stadtgründung: Neue Erkenntnisse und offene Fragen. Der Sülchgau 68/69, 2024/2025 (im Druck).
M. Kienzle/D. Ade/M. Mehler, Eine der ältesten Hochadelsburgen der Region? Ausgrabungen am Schlösslesberg bei Bad Niedernau. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2023, 2024, 280-283.