17 Studierende des IfP machten sich zusammen mit Prof. Dr. Thomas Diez und Rüya Özkaya (PhD) auf nach Zypern, um sich im Nachgang zum Seminar „Cyprus – A Conflict at a Crossroads“ im Wintersemester 2022/23 noch intensiver mit dem Konflikt auf Zypern auseinanderzusetzen. Der langwierige Konflikt der Insel, der sie seit 1974 mit Hilfe einer UN-Pufferzone grob in „Nord“ und „Süd“ teilt, umfasst quasi alle Themenbereiche, die Friedens- und Konfliktforschung sowie das Studium der Internationalen Beziehungen ansprechen, vorrangig Sicherheit und Friedensbildung und damit verbundene Fragen der Vereinigung. Der Bezug zu diesen Themen wird durch die unterschiedlichen Narrative der Seiten polarisiert sowie auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen politisiert. Kurz vor Beginn unserer Exkursion hatten auf Zypern Wahlen stattgefunden. Das Ergebnis dieser war auch immer wieder Teil der Diskussionsrunden unserer Meetings.
Nachdem alle über das Wochenende in die Hauptstadt Nikosia gefunden hatten, trafen wir uns am Montagmorgen (13.02) vor dem schönen PRIO Cyprus Centre für ein Meeting mit Harry Tzimitras (Leiter), Mete Hatay und Emine Eminel Sülün. Nach einem theoretischen Input in deren Arbeit und Forschungsschwerpunkte, bekamen wir die Möglichkeit ein paar Fragen zu stellen, die den Streitpunkt aber auch die Möglichkeiten der Kohlenwasserstofferkundung in den Tiefen des Meeres um Zypern als Katalysator in den Friedensverhandlungen aufgriffen. Im Anschluss besuchten wir das Museum of National Struggle, das die Geschichte der Unabhängigkeit der griechischen Zyprioten und die damit verbundenen Kämpfe gegen die Kolonialmacht Großbritannien wiedergab.
Nach einer Mittagspause mit viel Halloumi begaben wir uns durch zwei Checkpoints, die in der Stadt den Übergang zur jeweiligen Gegenseite der Pufferzone ermöglichen, in den nördlichen Teil der Insel. Hier hatten wir ein Treffen mit Ergün Olgun geplant, UN-Vertreter der „TRNC“-Regierung. Nachdem uns im Museum wichtige Bausteine des griechisch-zypriotischen Narrativs veranschaulicht wurden, konnten wir in diesem Meeting ein Gefühl für die Argumentation des Türkisch-zypriotischen Narrativs bekommen. Dadurch wurden die Zwangslage sowie die bisher gescheiterten Friedensverhandlungen und auch die Aussicht auf den zukünftigen Erfolg dieser in ein anders Licht gerückt.
Den langen und intensiven Montag schlossen wir abends mit einem gemeinsamen Meze-Dinner im Stoa tou Dimitri ab.
Am Dienstag ging es für uns an die Eastern Mediterranean University in Famagusta, wo wir Prof. Dr. Ahmet Sözen trafen und an einen Vortrag und Q&A anschließend die Geisterstadt Varosha besichtigen konnten, von der seit 2020 knapp drei Prozent geöffnet sind. Diese Entscheidung der „TRNC-Regierung“ ist höchst umstritten, denn eigentlich ist die Besiedelung bzw. das Antasten dieses Gebiets durch eine verabschiedete UN-Resolution untersagt. Die Stimmung in dieser Geisterstadt war sehr eindrücklich. Zum Meer hin sieht man malerische Strände und das in verschiedenen Blautönen schimmernde Wasser; dreht man sich um schon nur 90 Grad fällt der Blick auf die ersten verlassenen und heruntergekommenen Hotelruinen aus einer Zeit, in der hier der Tourismus nur so blühte.
Unser Mittwoch war geprägt von Treffen mit Stiftungen und Organisationen, angefangen mit dem Sitz der Friedrich Ebert Stiftung in Nikosia, unter der Leitung von Hubert Faustmann, der über seine Arbeit und die Schwierigkeiten der Zusammenarbeit der Stiftung und anderer Organisationen mit der politischen Ebene der Insel und somit auch dem Friedensprozess. Nach einem Spaziergang zum Home4Cooperation, das in der Pufferzone in Nikosia liegt, trafen wir vor einem gemeinsamen Mittagessen noch die investigative Journalistin Sevgül Uludag, die unsere Aufmerksamkeit mit ihren Geschichten und Erfahrungen aus der Recherche um die vermissten Personen des Konflikts auf sich zog. Dadurch brachte sie auch Themen wie generationsübergreifende Traumata und deren (fehlende) Aufarbeitung in unsere Wahrnehmung und hinterließ eine ergriffene Stimmung bei uns. Dieser Wechsel raus aus dem Fokus auf das institutionalisiert-politische und sicherheitsrelevante Geschehen hin zur Ebene der Gesellschaft und der Individuen und ihren Geschichten wurde am Nachmittag noch gestärkt durch Treffen mit vier zivilgesellschaftlichen Organisationen: Unite Cyprus Now, HADE, Queer Cyprus Association, und Accept Cyprus. Somit ging ein langer, intensiver und bereichernder Tag zu Ende.
Der Donnerstag hielt für uns einen weiteren Besuch in der Pufferzone bereit, diesmal allerdings bei der UN-Mission auf Zypern UNFICYP. Hier hatten wir die Möglichkeit mit Force Commander Major General Ingrid Gjerde über die Arbeit der Mission zu sprechen sowie den verlassenen ehemaligen internationalen Flughafen von Nikosia zu besichtigen. An diesem Tag begleitete uns Dr. Constantinos Adamides von der Universität in Nikosia, mit dem wir über den Tag hinweg immer wieder ins Gespräch über die aktuelle Lage und die Aussichten der Insel gehen konnten. Nach dem Besuch bei der UN, fuhr unser Bus uns durch die Berge bis nach Omodos, wo wir nach einer kurzen Mittagspause das byzantische Timios Stravros Kloster besuchten. Für den späten Nachmittag war eine Weinprobe bei den Oenou Yi Weinbergen geplant, die unsere Gedanken für eine kurze Zeit von der Beschäftigung mit den Konfliktparteien und -gegenständen löste.
Freitagmorgen. Der letzte gemeinsame Tag war angebrochen. Auch hier enttäuschte das Programm zu keinem Zeitpunkt, denn es stand noch das Treffen mit Athanasios Athanasiou, Pressesprecher in der EU-Kommissionsvertretung in Nikosia, an. Dieses Treffen war vor allem für unsere Teilnehmenden aus dem MADRE Studiengang interessant und schärfte unsere Wahrnehmung der Rolle der EU. Zusätzlich konnte Thomas Diez uns noch einen Vortrag von Dr. Christina Kaili vom Mediterranean Institute of Gender Studies organisieren, der gut an die Schilderungen der Organisationen des Vortages anknüpfte und hier einen schönen Bogen bot. Wer dachte, wir wären nun schon am Ende des ständig neuen und aufschlussreichen Inputs angelangt, sollte vom Gegenteil überzeugt werden. Nach einer ausgedehnten Mittagspause rundeten wir die offiziellen Treffen an der Universität in Nikosia ab, wo Prof. Zenonas Tziarras und Prof. Nikos Moudouros uns über ihre Forschung zur Rolle der Türkei in Zypern Konflikt berichteten und uns viel Raum für Anschlussfragen ließen, bei denen man deutlich merkte, dass wir eine intensive Woche mit vielen ambivalenten Eindrücken hatten, die in unsere Fragen und Meinungen miteinflossen.
Wo sollte der informelle Teil seinen Abschluss finden? Na, im Stoa tou Dimitri beim Meze-Dinner! Hatten wir dazu gelernt und uns bei den ersten Gängen des Meze mittlerweile etwas zurückgehalten? Ja. Waren wir alle etwas müde von den letzten fünf Tagen Programm und Eindrücken? Ja. Packten wir unsere Koffer und merkten wie viel mehr Wissen wir mitnehmen konnten? Ohne Frage.
Vielen Dank für eine unvergleichlich intensive Woche!
- Text von Maike Berg