Das UFOPLAN-Vorhaben Upol21
Umweltpolitik im 21. Jahrhundert - Ansätze zur Bewältigung neuartiger Herausforderungen
Förderung: Umweltbundesamt (UBA)
Projektbeginn: 8/2015
Projektleitung: Franziska Wolf (Öko-Institut)
Teilvorhaben am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen und am Öko-Institut Darmstadt:
Mengenproblematik: Wenn individuelle Entscheidungsfreiheit mit der Nachhaltigkeit in Konflikt gerät
Die Institutionalisierung und die Wirksamkeit von Umweltpolitik in Deutschland in den letzten 40 Jahren kann insbesondere bei solchen Problemen als eine Erfolgsgeschichte interpretiert werden, bei denen schädliche Emissionen von Punktquellen (und nicht von diffusen Quellen) ausgingen und wo problematische Stoffe herausgefiltert („end of pipe“) oder substituiert („drop in“) werden konnten. Solche Fälle liegen i.d.R. dann vor, wenn Industrien, nicht individuelle Konsument*innen maßgebliche Problemverursacher sind.
Die Umweltpolitik war bisher allerdings dann nur ungenügend erfolgreich, wenn das jeweilige Problem nicht Resultat eines (verbietbaren) Gefahrenstoffes ist, der im günstigsten Fall technisch substituierbar ist, sondern vielmehr ein Resultat der Häufigkeit einer Praxis oder Nachfragemenge nach Gütern darstellt („Die Menge macht das Gift“). Diese Praktiken und Güter (Fleischkonsum, Fliegen, „Shoppen“ als Freizeitbeschäftigung) sind maßvoll genutzt bzw. ausgeübt kompatibel mit einer fairen Beanspruchung der ökologischen Kapazitäten des Planeten. Jenseits eines „gewissen“ Maßes gehen sie jedoch zulasten anderer. Das Handeln einer (sehr) großen Anzahl von Individuen kann zu ungewollten und (extrem) schädlichen Konsequenzen auf kollektiver Ebene führen („Mengenproblematik“). Die besondere Brisanz dieses Szenarios liegt darin, dass erstens die Gründe für jede der einzelnen Handlungen moralisch unproblematisch sein können und zweitens die Folgen jeder einzelnen Handlung für sich allein betrachtet (beim Entstehen der unerwünschten Konsequenzen kollektiven Handelns) quantitativ eher unbedeutend sind.
Staatliches Eingreifen in diese individuellen Entscheidungen (Fleisch zu essen, zu fliegen, zu „shoppen“ usw.) wird oft mit Verweis auf das freiheitliche Selbstverständnis moderner (liberaler) Staaten als „ungebührliches“ Einmischen in die private Entscheidungsfreiheit gesehen. Entsprechende Forderungen werden mitunter mit dem Ökodiktatur-Vorwurf abgewiesen. Andererseits zeigt sich, dass staatliche Eingriffe in individuelle Entscheidungen nach ihrer Einführung oft schon nach kurzer Zeit gesellschaftlich akzeptiert sind (z. B. Anschnallpflicht, Rauchverbot etc.). Angesichts des Erreichens und Überschreitens planetarer und lokaler Grenzen steht fest, dass ohne eine Veränderung dieser weit über einem global verträglichen Maß liegenden (Konsum-)Praktiken die Ziele der nachhaltigen Entwicklung nicht zu erreichen sein werden.
Das Teilvorhaben am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen und am Öko-Institut Darmstadt bearbeitet die aus der „Mengenproblematik“ entstehenden Herausforderungen für individuelle Autonomie und nachhaltige Entwicklung.