Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes wird die bisherige Regelung zur Vergabe von Studienplätzen, mit der nach Abzug einer Vorabquote nach den besten Abiturnoten (20%), nach Wartezeit (20%) und einer Auswahl durch die Universitäten (60%) eine Platzvergabe erfolgte, verändert werden müssen. In das Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) sollen neben der Abiturnote weitere eignungsbasierte Kriterien bei der Bewerberauswahl einfließen. Aktuell werden entsprechende Auswahlkriterien u.a. zu beruflicher Eignung und Freiwilligendiensten sowie Wettbewerben konsentiert. Die Frage nach der beruflichen Eignung stellt somit einen weiteren Aspekt für eine Studierendenauswahl dar, und das Bestreben, diejenigen Studieninteressenten, die Medizin studieren möchten, hierauf im Vorfeld des Studiums zu selektieren, besteht auch aufgrund des hohen Bewerberaufkommens seit Jahren. Bislang ist es allerdings noch unklar, inwieweit eine Auswahl nach berufspraktischen Vorerfahrungen tatsächlich eine relevante Zusatzqualifikation für die späteren Studierenden darstellt. Bisher wird ein berufspraktischer/beruflicher Vorqualifikationsbonus als Erfolgsfaktor für die berufliche Eignung postuliert. Hintergrund hierfür ist vielfach der Gedanke, dass die Bewerber aufgrund ihrer Vorerfahrungen einen besseren Zugang zu den Studieninhalten und auch der späteren konkreten Berufsausübung haben könnten, da sie mit dem Bereich vorab schon in Kontakt gekommen sind. Somit wird erwartet, dass die Bewerber mit Berufsqualifikation im Studium besser abschneiden können, ihre Berufserfahrungen positiv im Studium und späteren Beruf einbringen können und dass sie genauer als Studienbewerber ohne berufspraktische/berufliche Vorqualifikation darüber informiert sind, was sie im medizinischen Berufsalltag erwartet. Hier soll die beantragte Studie mit folgenden zwei Kernfragen und Unterfragestellungen ansetzen:
1. Lassen sich Hinweise darauf finden, dass Studierende mit berufspraktischer Vorerfahrung aufgrund ihrer Vorerfahrungen besser im Studium abschneiden als Studierende ohne diese Vorerfahrungen
a. Schneiden die Studierenden mit berufspraktischer Vorerfahrung allgemein, in kognitiven, psychosozialen oder praktischen Tätigkeiten besser ab als Studierende ohne berufspraktische Vorerfahrung? Ist der Bonus für den kognitiven Part bei der Studierendenauswahl gerechtfertigt? Oder handelt es sich auch aus Sicht des Individuums lediglich um Effekte eines Self-Enhancements?
b. Bleiben die Vorteile der berufspraktischen Vorerfahrung über das Studium konstant, treten sie nur am Anfang (eher kognitive Herausforderungen) oder nur gegen Ende (eher praktische Herausforderungen) auf?
2. Gibt es Hinweise darauf, dass eine bestimmte berufspraktische Vorerfahrung anhaltende Effekte aufzeigt und diese die spätere ärztliche Spezialisierung (z.B. Chirug/in, Allgemeinmediziner/in) signifikant beeinflusst (e.g. Azizzadeh, McCollum, Miller, Holliday, Shilstone, & Lucci Jr, 2003)?
Dieses Projekt findet in Kooperation mit den Universitäten Heidelberg und Freiburg unter der Leitung von Prof. Dr. Zipfel der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen und Prof. Dr. Kelava des Methodenzentrums der Universität Tübingen statt.
Förderung
Dieses Projekt wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) des Landes Baden-Württemberg („Fonds Erfolgreich Studieren in Baden-Württemberg - FESt-BW – 2. Tranche Förderlinie 4 „Eignung und Auswahl").
Status: Das Projekt lief von 01.01.2019 bis 31.12.2020