Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

„Das Hinterland Haithabus“? – Archäologie des ländlichen Raums in der Gemeinde Kosel, Kr. Rendsburg-Eckernförde

Valerie Palmowski und Tobias Schade

Nahe der heutigen Gemeinde Kosel, Kr. Rendsburg-Eckernförde in Schleswig-Holstein, unweit des Ostseefjords Schlei und des wikingerzeitlichen Fernhandelszentrums Haithabu, wurden in den 1970–1990er Jahren mehrere frühmittelalterliche Fundplätze entdeckt und im Laufe der letzten Jahrzehnte bearbeitet sowie publiziert (u.a. DFG gefördertes Projekt ,Frühgeschichtliche und mittelalterliche Besiedlung von Angeln und Schwansen‘, Prof. Dr. Müller-Wille).

Ein besonderes Beispiel stellen die (Be)funde aus Kosel-Ost und Kosel-West auf der Halbinsel Schwansen dar. Hier wurde ein wikingerzeitlicher Fundplatzkomplex mit zwei Siedlungen des 9./10.–12. Jahrhunderts und einem Gräberfeld entdeckt. Zudem konnte eine Platzkontinuität von der Völkerwanderungszeit (Masterarbeit in Vorbereitung) bis in die Moderne nachgewiesen werden.

Die Wiederaufnahme der Arbeiten und Forschungen am Fundplatzkomplex im Rahmen der Dissertation von V. Palmowski führte unter Berücksichtigung von Vorarbeiten, durchgeführt von T. Schade, zu neuen Impulsen und Fragestellungen im Hinblick auf den ländlichen Raum im Umfeld von Haithabu/Schleswig:

Wie sah die wikingerzeitliche Siedlungslandschaft in Schwansen aus? Wie dicht war Schwansen erschlossen – und ab wann?
Sind die bekannten Siedlungen von Kosel Ausnahmen oder nur die Spitze des Eisbergs?
Wie sind ‚fremde‘ Elemente in den wikingerzeitlichen Siedlungen zu erklären (z.B. slawische Keramik)? Sind diese Elemente überhaupt ‚fremd‘?
Wie interagierten Menschen und Umwelt in der Wikingerzeit? Wie prägten die Menschen die Landschaft? Wie nutzen sie diese?
Wie war die Interaktion zwischen (proto-)urbanem Raum und ländlichem Raum? Waren die ländlichen Siedlungen reine ‚Zulieferer‘ oder waren sie eigenständige Akteure?
Was ist eine ‚typische‘ wikingerzeitliche Siedlung? Was gibt es für Referenzen und wie lässt sich die Quellenbasis kosten- und zeiteffizient erhöhen?
In Vorbereitung für ein Forschungsprojekt konnten auf Basis von intensiven Recherchearbeiten in Kooperation mit dem ALSH (Schleswig) und den Ergebnissen eines ehrenamtlich tätigen Metalldetektorgängers der Detektorgruppe des ALSH neue, für das Forschungsvorhaben relevante Flächen eingegrenzt werden.

Durch ein Projekt der Abteilung für Archäologie des Mittelalters (Tübingen) sowie des SFB 1070 RessourcenKulturen konnte vom 09.–12. März 2020 an einem dieser siedlungsverdächtigen Plätze, dicht an der Schlei gelegen, eine großflächige geophysikalische Prospektion in Kooperation mit dem NIhK (Wilhelmshaven) durchgeführt werden. Dabei wurden ca. 15 ha Ackerfläche prospektiert. Die Ergebnisse der Geomagnetik lassen darauf schließen, dass es sich um einen Landeplatz oder ein Siedlungsareal handelt, auf dem sich mutmaßliche Grubenhäuser und viele weitere anthropogene Strukturen abzeichnen.

Nach Ausweis der Oberflächenfunde handelt es sich sehr wahrscheinlich um ein diachron genutztes Areal. Die als Grubenhäuser angesprochenen Strukturen deuten auch auf eine Nutzung im Frühmittelalter hin.

Einzelne dieser Anomalien zu beproben, ihre Ansprache zu klären, sie zu datieren, und eine räumliche sowie zeitliche Dynamik zu erfassen, sind weitere Ziele des Vorhabens. Das Projekt zielte allerdings nicht nur darauf ab, Ergebnisse zu generieren, sondern diese auch in Raum und Zeit zu kontextualisieren und der Bevölkerung vor Ort zu vermitteln. Schon früh wurde daher die Gemeinde in die Kommunikation miteinbezogen und interessierte Bürger und Bürgerinnen in einem Abendvortrag über vergangene Forschungen und Ergebnisse sowie neue Fragestellungen und archäologische Methoden, Probleme und Tätigkeiten informiert.

Video Geomagnetische Prospektion

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Beteiligte Institutionen:

Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH)
Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung (NIhK)
Gemeinde Kosel
Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Eberhard Karls Universität Tübingen
SFB 1070 RessourcenKulturen, Eberhard Karls Universität Tübingen


Publikationsliste:

T. Schade, Herrschaft und Kontrolle im ländlichen Raum der Wikingerzeit. Überlegungen zu Altdänemark und der Schleiregion. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 48, 2020 (in Vorbereitung).
T. Schade, Mehr als Seefahrt. Die ländliche Welt der Wikinger. In: J. Staecker/M. S. Toplak (Hrsg.), Die Wikinger. Entdecker und Eroberer (Berlin 2019) 72–82.
T. Schade, Die wikingerzeitliche Siedlung von Kosel-Ost (LA 198). Ein ländlicher Fundplatz im Kontext der altdänischen Siedlungslandschaft des 10. Jahrhunderts. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 322 (Bonn 2018).
T. Schade, In Schwansen nichts Neues? Zum Stand der wikingerzeitlichen Forschung in der Landschaft Schwansen. Jahrbuch Heimatgemeinschaft Eckernförde 2017, 179–194.
V. Palmowski, Kosel, neue Informationen zu einem altbekannten wikingerzeitlichen Bestattungsort. Bioarchäologische Analysen der menschlichen Skelettreste aus „Kosel-Ost“. Arkæologi i Slesvig/Archäologie in Schleswig 18, 2020 (im Druck).
V. Palmowski, Life and Death within the Network of the Viking Age World. Dissertation Universität Tübingen (in Vorbereitung). 

Presse: 

https://kosel.sh/de/unsere-vier-schleidoerfer/artikel/neue_archaeologische_forschungen_in_kosel/
https://kosel.sh/de/unsere-vier-schleidoerfer/artikel/den_wikingern_in_kosel_auf_der_spur/
https://www.shz.de/lokales/eckernfoerder-zeitung/neue-archaeologische-forschungen-in-kosel-id24146017.html
https://www.shz.de/lokales/eckernfoerder-zeitung/den-wikingern-in-kosel-auf-der-spur-id24327742.html