Juristische Fakultät

„Rechtliche und ethische Fragen der Sterbehilfe“: Tübinger Symposion vereint Expertise aus Recht, Ethik und Medizin

Das Symposion am 20. Novembers 2025 zum Thema „Rechtliche und ethische Fragen der Sterbehilfe“ stand beispielhaft für den interdisziplinären Charakter des Zertifikatsstudiums „Recht-Ethik-Wirtschaft“. Die Veranstaltung verband die Fachkompetenzen verschiedener Bereiche der Universität und brachte ein breites Spektrum der Expertise zusammen.

Den Auftakt machte Professor Bernd Hecker aus dem Strafrecht. In seinem Vortrag „Selbstbestimmung am Lebensende – Aktuelle Herausforderungen im Recht der Sterbehilfe“ erläuterte er die rechtlichen Grundlagen der Sterbehilfe. Zudem gab er Einblicke in seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht betreffend die Regelung des § 217 StGB.

Daran anknüpfend betrachtete der Medizinethiker Professor Urban Wiesing von der Medizinischen Fakultät zentrale ethische Fragestellungen im Kontext der Sterbehilfe. Unter dem Titel „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid – Überlegungen zur Ethik und zur Gesellschaft“ erörterte er insbesondere, ob und wie künftige gesetzliche Regelungen ausgestaltet werden könnten.

Eine empirische Perspektive ergänzte die Kriminologin Juniorprofessorin Jennifer Grafe. Sie stellte aktuelle Erkenntnisse zur Sterbehilfe im In- und Ausland vor, zeigte wichtige Entwicklungstendenzen auf und betonte den Bedarf an weiterer Forschung in diesem Feld.

Abschließend moderierte unser Verfassungsrechtler Professor Michael Droege die Diskussion des Panels mit dem Publikum. Hier brachten sich auch Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft mit ihren praktischen Erfahrungen ein.

Der Abend unterstrich somit den Wert und die Funktion des Zertifikatsstudiums „Recht-Ethik-Wirtschaft“: Ein fundierter, fachübergreifender Dialog, der wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatten aufgreift. Ermöglicht wird das Zertifikatsstudium durch die Förderung der Walter Sigle Stiftung. Der Vertreter der Stiftung, Herr Dr. Axel Sigle, und dessen Frau Christine Jacobi, Geschäftsführerin der Dieter von Holtzbrinck Stiftung, waren für das Symposion vor Ort.

Zertifikatsfeier 2025

Am 28. Oktober fand in feierlichem Rahmen die Verleihung der Zertifikate an die Absolventinnen und Absolventen des Zertifikatsstudiums Recht–Ethik–Wirtschaft statt.

Zunächst begrüßte der Leiter des Zertifikatsstudiums, Prof. Dr. Thomas, die Absolventinnen und Absolventen sowie alle Studierenden, die derzeit noch auf ihr Zertifikat hinarbeiten. In seiner Ansprache reflektierte er über die Besonderheit des interdisziplinären Studiums, das nicht nur ein breites Wissen an den Schnittstellen von Recht, Ethik und Wirtschaft vermittelt, sondern auch durch Exkursionen und gemeinsame Veranstaltungen Freundschaften über Semester hinweg entstehen lässt. Sein besonderer Dank galt der Walter-Sigle-Stiftung für ihre Unterstützung und Ermöglichung des Zertifikatsstudiums. Anschließend hieß er Prof. Dr. Dr. Wiesing, den Festredner des Abends, willkommen, der einen Vortrag zum Thema „Ethik und Ästhetik“ hielt.

In seinem Vortrag beleuchtete Prof. Dr. Dr. Wiesing die Relevanz und das Zusammenspiel von Ethik und Ästhetik sowie die Probleme, die entstehen, wenn eines der beiden Elemente vernachlässigt oder übergewichtet wird. Die Überlegung, dass neben dem Inhalt einer Aussage und der fachlichen Qualifikation insbesondere im juristischen Kontext auch Rhetorik und Auftreten von Bedeutung sind, geht bereits auf Philosophen der Antike zurück. Das zeitlose Thema bot zugleich einen anregenden Gesprächseinstieg für den anschließenden Empfang.

Nach dem Vortrag wurden die Zertifikate feierlich an die zwölf Absolventinnen und Absolventen überreicht – durch Prof. Dr. Dr. Wiesing sowie die Leiter des Zertifikatsstudiums, Prof. Dr. Laukemann und Prof. Dr. Thomas.

An dieser Stelle nochmals herzlichen Glückwunsch an alle Absolventinnen und Absolventen!

Beim anschließenden Empfang bot sich die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich mit den Lehrenden auszutauschen und die Feier gebührend ausklingen zu lassen.

REW - Tübinger Studierende in Luxemburg 2025

Das Spannungsfeld zwischen Recht, Ethik und Wirtschaft, den Themen des interdisziplinären Studiums, können die Teilnehmenden sogar über die Türen der Universität hinaus kennenlernen. Auch im Jahr 2025 führte REW unter der Leitung von Prof. Dr. Laukemann eine Exkursion nach Luxemburg durch. Ziel der Reise war es, den Studierenden Einblicke in die Arbeit zentraler europäischer Institutionen zu vermitteln und die Verbindung zwischen rechtlichen, ethischen und wirtschaftlichen Fragestellungen in der Praxis greifbar zu machen. Begleitet wurden die zehn Teilnehmenden des Zertifikatsstuddiums von den studentischen Hilfskräften Dorothea Huber und Manuel Merkle. Nach der letztjährigen Exkursion nach Brüssel war dieses Jahr wieder Luxemburg – die „Wiege des vereinten Europa“ an der Reihe.

Erste Station der Studienreise war der EFTA- Gerichtshof (Gerichtshof der Europäischen Freihandelsassoziation). Der Gerichtshof mit Sitz in Luxemburg ist dafür zuständig, die Einhaltung des EWR-Abkommens in den EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen zu überwachen. Er gewährleistet die einheitliche Auslegung und Anwendung des EWR-Rechts im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Unionsrecht.

Im Rahmen einer Führung erhielten die Teilnehmenden nicht nur einen Überblick über Aufgaben und Funktionsweise des Gerichts, sondern auch spannende Einblicke in die künstlerische Gestaltung der Räumlichkeiten und die von den Richterinnen und Richtern ausgewählten Kunstwerke. Anschließend gab Michael-James Clifton, LL.B. (EU), LL.M. (Adv.), aus den Chambers of Judge Bernhard Hammermann, einen vertieften Einblick in die Tätigkeit und Bedeutung des EFTA-Gerichtshofs. Er erläuterte die besondere Rolle des Gerichts im europäischen Mehrebenensystem und seine Relevanz für das Verhältnis zwischen EWR- und EU-Recht.

Im Anschluss besuchte die Gruppe die Deutsche Botschaft in Luxemburg. Dort empfing der stellvertretende Botschafter Roland Seeger die Studierenden zu einem offenen Gespräch über seine berufliche Laufbahn, den Alltag im diplomatischen Dienst und die besondere Rolle der deutschen Vertretung in Luxemburg. Die Studierenden nutzten die Gelegenheit, zahlreiche Fragen zu stellen – etwa zu den Anforderungen an eine diplomatische Karriere, zu aktuellen politischen Themen und zur besonderen Situation Luxemburgs als europäischer Knotenpunkt und Arbeitsort für viele Pendlerinnen und Pendler.

 

Der folgende Morgen begann früh in den ehrwürdigen Hallen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Zu Beginn erhielten die Studierenden durch A. Bongrain, den Rechtsreferenten des kroatischen Richters Rodin, eine Einführung in den Fall, dessen mündliche Verhandlung sie anschließend verfolgen durften. So konnten die Teilnehmenden etwas über europäisches Beihilferecht als Teilbereich des Wettbewerbsrechts lernen. Die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung war für viele ein beeindruckendes Erlebnis, das die praktische Bedeutung europäischer Rechtsfortbildung unmittelbar spürbar machte. Auch die Vielsprachigkeit der Institution war Gegenstand des Staunens. Die Verfahrenssprache war Englisch, die Arbeitssprache des EuGH ist Französisch, doch wurde während der Verhandlung simultan in weitere Sprachen übersetzt.

Am Nachmittag folgte eine Reihe von Fachvorträgen zur Arbeitsweise und Organisation des Gerichtshofs. Themen waren unter anderem der wissenschaftliche Dienst, die Funktionsweise der Kanzleien sowie die vielsprachige Arbeit in den verschiedenen Sprachfassungen des europäischen Rechts, die bereits in der Verhandlung erfahrbar war. Diese Vorträge boten wertvolle Einblicke in den juristischen Alltag und die interdisziplinäre Zusammenarbeit am EuGH.

Im Anschluss stand der Besuch der Europäischen Investitionsbank (EIB) auf dem Programm. Der als Ingenieur ausgebildete, William Sugrue, führte die Gruppe in Struktur und Aufgaben der Institution ein. Die EIB ist die Finanzierungsinstitution der Europäischen Union und spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Projekten in den Bereichen Infrastruktur, Innovation, Umwelt und soziale Entwicklung. In einem lebendigen Gespräch wurde deutlich, wie die EIB ökonomische Effizienz und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden versucht.

 

Den Abschluss der Reise bildete ein kulturelles Programm: Bei einer Stadtführung durch die Luxemburger Innenstadt vermittelte ein Architekt den Teilnehmenden spannende Einblicke in die Stadtentwicklung, Geschichte und Architektur der ehemaligen europäischen Kulturhauptstadt. Zum Ausklang besuchte die Gruppe das MUDAM (= Museum für Moderne Kunst), das mit seiner zeitgenössischen Sammlung und beeindruckenden Architektur einen gelungenen Schlusspunkt der Studienreise setzte.


Die Studienfahrt nach Luxemburg verdeutlichte eindrucksvoll, wie eng Recht, Ethik und Wirtschaft auf europäischer Ebene miteinander verflochten sind. Die Gespräche, Vorträge und inspirierenden Begegnungen boten nicht nur fachliche Vertiefung, sondern stärkten auch den europäischen Gedanken und das Bewusstsein für die Verantwortung künftiger Juristinnen und Juristen für die europäische Idee.

Brüssel-Exkursion Herbst 2024

Zwischen Recht, Ethik und Wirtschaft liegen Spannungsfelder, die in besonderem Maße die europapolitische Dynamik in Brüssel bestimmen. Dies gilt nicht nur in schwierigen wirtschaftlichen- und geopolitischen Zeiten, sondern auch mit Blick auf die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz oder die Ausrichtung der Automobilbranche auf Ziele der Nachhaltigkeit. Der Zertifikatsstudiengang „Recht-Ethik-Wirtschaft“ unternahm vom 24. – 26. Oktober 2024 die nun dritte Studienausfahrt mit 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in die „Hauptstadt Europas“.

Erste Station unserer Brüssel-Exkursion war ein Besuch in der Europäischen Kommission. Der erste Vortrag eines langjährigen Kommissionsmitarbeiters gab Einblick in Themen wie die Rolle der EU-Kommission im europäischen Gesetzgebungsverfahren. Dabei brachte der Vortrag deutlich zum Ausdruck, wie herausfordernd es ist, Ziele wie ökonomische Effizienz, Nachhaltigkeit und politische Anliegen einzelner Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen.

Der zweite Vortrag von Herrn Andreas Prenner behandelte den AI-Act, die Europäische KI-Verordnung. Herr Prenner stellte uns umfänglich die ethischen wie auch rechtlichen Schwierigkeiten der weltweit ersten Regelung von künstlicher Intelligenz dar. Bei einer abschließenden Diskussionsrunde wurde den Teilnehmenden bewusst, die rechtliche Regulierung von KI betrifft alle drei Schnittstellen des Zertifikatsstudiums.

Anschließend erhielt die Gruppe im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) einen Eindruck von der Bedeutung und den Zuständigkeiten von OLAF im Gefüge der europäischen Institutionen. Die Untersuchung und Aufdeckung von transnationalen, wirtschaftlichen Unregelmäßigkeiten durch das Amt bringt immer wieder Verdachtsmeldungen. Es wurde deutlich, dass der „richtige“ Umgang mit Irregularitäten und deren sachgemäße Aufklärung von zentraler Bedeutung für das Funktionieren der europäischen Zusammenarbeit sind. 

Am nächsten Morgen begann das Exkursionsprogramm in der Ständigen Landesvertretung des Landes Baden-Württemberg. Nach einem herzlichen Empfang, führte der Leiter der Vertretung, Florian Hasel, die Gruppe in die Entstehungsgeschichte der Landesvertretung ein und hob ihre Relevanz für die europäische Rechtsetzung und ihren bedeutsamen politischen Einfluss hervor. Den Studierenden wurde aufgezeigt, welchen erheblichen Beitrag das Land Baden-Württemberg trotz Einbindung in das föderale System der Bundesrepublik Deutschland in der Diskussion über die Gestaltung europapolitischer Vorhaben leistet und wie es gebietsspezifischen Bedürfnissen auf europäischer Ebene Geltung verschafft. Der Vortrag mündete in eine rege Diskussion über die aktuelle Entwicklung der Automobilbranche hin zum Elektro-Auto und den Einfluss der EU hierauf. 

Im Anschluss referierte Frau Olivia Manelli, Mitarbeiterin bei Digital Europe, über die Aufgaben des Digital Europe Office in Brüssel und den Stand europäischer Technologien und ihrer Regulierungen. Ein Thema, das in Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit und rasanten KI-Entwicklungen den Nerv der Zeit trifft.

Nach einer Führung im Haus der Europäischen Geschichte schloss der fachliche Teil des Exkursionsprogramm mit einem Besuch bei der internationalen Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell. Die räumliche Nähe zur kartellbehördlichen EU-Kommission machen das europäische Wettbewerbsrecht in den Räumlichkeiten der Kanzlei zu einer greifbaren und gelebten Materie. Die Rechtsberatung in Brüssel stellt die anwaltliche Arbeit vor viele Herausforderungen, insbesondere treffen unterschiedliche Rechtskulturen und Sprachen aufeinander. In einer persönlichen Runde konnten sich die Teilnehmenden des Zertifikatsstudiums mit Anwälten der Kanzlei austauschen. Es zeigte sich, dass es nicht „den“ typischen Werdegang für Juristen gibt, der nach Brüssel führt. Entscheidend sind Neugier und die Bereitschaft, sich auf die dynamische Welt im Herzen Europas einzulassen.  

Am Morgen vor der Abfahrt führte Henrik Nolte, der einige Zeit familiär in Brüssel verbracht hatte und daher unser „Guide“ war, die Teilnehmergruppe durch die Innenstadt und zeigte den Studierenden den Justizpalast, die Notre Dame du Sablon, und nicht zuletzt den Grand Place sowie die Galleries Saint-Hubert.

Die gemeinsamen Tage in Brüssel haben die Zertifikatstudierenden zusammengebracht, ihren Bezug zu Europa gestärkt und einen Einblick in die Problemkreise gegeben, die die EU in rechtlicher, wirtschaftlicher und ethischer Dimension derzeit beschäftigen. Darüber hinaus hat die Exkursion den Teilnehmenden das Leben und die Kultur in Brüssel nähergebracht. Insoweit ging erneut eine Brüssel-Exkursion im Rahmen des Zertifikatsstudiums mit Erfolg zu Ende, die das Ziel erreichte, die Inhalte von Recht-Ethik-Wirtschaft „greifbar“ zu machen. Die Fahrt nach Brüssel wurde wieder ermöglicht durch die großzügige Förderung der Walter Sigle Stiftung. Henrik Nolte, Maria Spinnler und Teresa Schmid gebührt Dank für die Organisation und Betreuung der Exkursion.

Text: Teresa Schmid & Stefan Thomas