Exzellenzstrategie

Joana FF. Simões gibt der jungen Generation eine Stimme. An vorderster Front forscht sie in Birmingham an Themen, die globale Chirurgie betreffen. In diesem Interview gibt sie Einblicke in die weltweite Forschung in Netzwerken, etwa die Arbeit mit dem großen internationalen Forschungsnetzwerk COVIDSurg und weist auf die Herausforderungen hin, die durch die Pandemie noch vor uns liegen.

Interview von Sarah Polzer

Frau Dr. Simões, Sie arbeiten derzeit in Birmingham im Vereinigten Königreich. Birmingham ist auch der zentrale Hauptsitz des COVIDSurg-Netzwerks. Wie sind Sie Teil des Teams geworden und was gefällt Ihnen an der Arbeit?
Ich bin etwa sechs Monate bevor sich COVID-19 zu einer Pandemie entwickelte nach Birmingham gezogen. Es war motivierend, an einem Forschungsprojekt von weltweiter Bedeutung mitzuwirken. Ich persönlich habe ein großes Interesse daran, die besten Daten für COVID-19 Studien zu erheben und zur Verfügung zu stellen. Ich forsche als Teil eines Vollzeit-Promotionsprogramms. Die Teilnahme an COVIDSurg war eine Team Entscheidung. Alle halfen mit, um etwas Sinnvolles zu tun. Die Grundvoraussetzungen für eine globalen Zusammenarbeit sind gut. Häufig mangelt es jedoch, schon an der Umsetzung von Leitlinien in der Medizin und Vergleichbarkeit. Etwa wenn z.B. die Operation A immer durchgeführt wurde und weiterhin den Patienten empfohlen wird, also den Patienten nahegelegt wird, obwohl Operation B jetzt der eigentliche Goldstandard wäre. Natürlich müssen auch die Goldstandards weiter verbessert werden. Unser Ziel ist aber, dass solche Mängel reduziert und die evidenzbasierte medizinische Versorgung gestärkt werden.

Wie würden Sie COVIDSurg in zwei Sätzen zusammenfassen?
Es geht um die Anerkennung des gesamten Netzwerks und nicht um einzelne Namen, die in der Zeitung zu lesen sind. Alle, die daran teilgenommen haben, sind Teil von etwas Größerem.

Wie bewerten Sie persönlich die Arbeit in einem so großen Netzwerk, das rund 15.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt umfasst?
In einem internationalen Netzwerk erhältst du eine Menge Inspiration. Natürlich ist es auch sehr zeitaufwändig, aber du gewinnst wertvolle neue Erkenntnisse. Es gibt auch viele Herausforderungen, wie etwa logistische Probleme. Alles in allem überwiegen jedoch die Vorteile. Forschung an verschiedenen Standorten ist ebenso möglich wie ein Blick auf Länder mit wenig finanziellen Ressourcen. So arbeiten wir Schritt für Schritt für eine gerechte Gesundheitsversorgung.

Wie viel Zeit investieren Sie in die COVIDSurg-Projekte?
Das ist ein Vollzeitjob.

Welchen Ansatz haben Sie gewählt, um die Ziele des Netzwerks erreichen zu können?
Bei uns in Birmingham wurde vor einigen Jahren eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel Forschung in Entwicklungsländern durchzuführen und zu unterstützen finanziert. Dabei war es uns sehr wichtig, dass Vertreterinnen und Vertreter von dort an diesen Studien teilnehmen und sich aktiv einbringen. In Entwicklungsländern richtete COVIDSurg Arbeitsgruppen ein. Es ist wichtig, dass Vertreter von dort an diesen Studien teilnehmen. Was für die Industrieländer gilt, lässt sich nicht unbedingt auf diese Nationen übertragen. Die Forschungsinfrastruktur an Orten, die nicht über entsprechend notwendige Einrichtungen verfügen, wird durch diese Art globaler Forschung verbessert, sodass sie unabhängiger arbeiten können. Eine wichtige Maßnahme ist der Aufbau eines klinischen Forschungsnetzes, auf das zukünftig zurückgegriffen werden kann. Die Laborforschung ist außerdem ein Bereich von großem Interesse. In Europa und auf der ganzen Welt verteilt, gibt es Forschungsnetzwerke, in denen sich auch bereits Studierende engagieren können.

Gibt es Ihrer Meinung nach auch positive Auswirkungen der Pandemie?
Klar, ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung von Forschung und evidenzbasierter Medizin hat sich in der Gesellschaft etabliert und auch der Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen hat sich verbessert. Die Pandemie zeigt uns, wie wichtig medizinische Studien sind. Dadurch, dass wir gelernt haben, Online-Konferenzen optimal zu nutzen und nicht immer quer durch die Welt zu Konferenzen reisen zu müssen, ergeben sich auch Vorteile für die Umwelt. Wir brauchten weniger Flüge, was sich positiv auf das Klima auswirkt. Alles in allem lässt sich sagen, dass viele Leute aktiv anfingen über wissenschaftliche Aspekte und die Bedeutung von Forschung in der Wissenschaft nachzudenken.

Sie bezeichnen die Chirurgie als Ihre große Leidenschaft. War es schon immer Ihr inniger Wunsch, in diesem Bereich zu arbeiten?
Zu Beginn meines Medizinstudiums wollte ich vor allem wissen, wie der Körper funktioniert und biologische Prozesse verstehen lernen. Außerdem macht man etwas Nützliches, und hilft Menschen, die sich in einer schwierigen Lage befinden. Ich wollte mich auf die wesentlichen Dinge im Leben konzentrieren und eine verlässliche Position haben. Am Anfang fühlte ich mich noch nicht besonders zur Churgie hingezogen. Nach und nach habe ich mich für die Vielseitigkeit und Relevanz der Chirurgie immer mehr begeistert. Vor allem liebe ich es, mich neuen Herausforderungen zu stellen. Der Schritt in die Chirurgie hat sich für mich als die richtige Entscheidung erwiesen – Sie ist für mich zu einer Lebensaufgabe geworden.

Wie begegnen Sie den Herausforderungen, von denen Sie sprechen?
Es handelt sich um technische Herausforderungen. Dazu gehören die Neudefinition und Entwicklung von Technologien, um Menschen mit den eigenen Händen zu helfen. Das Schwierigste ist die Verhältnismäßigkeit: Je mehr Menschen du rettest, desto mehr Patienten verlierst du auch.

Die Frage, wer die Schuld an einer misslungenen Operation trägt, betrifft jede Chirurgin und jeden Chirurgen irgendwann in seiner bzw. ihrer Laufbahn. Wie sollte man am besten mit so einer Situation umgehen?
Oh, das ist ein wirklich wichtiges Thema. Du musst dich selbst fragen: "Was hätte ich anders machen können?". In der Chirurgie wird dieses Thema noch oft totgeschwiegen. Chirurginnen und Chirurgen müssen damit oft allein fertig werden. Es besteht die Gefahr, Angst davor zu entwickeln, wieder in eine solche Situation zu geraten und übervorsichtig zu werden, was nicht immer gut ist. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, besteht darin, auf irgendeine Weise kalt zu werden, indem du versuchst, Abstand zu gewinnen und so eine Art emotionale Distanz schaffst. Diese Regeln des Schweigens sollten wir brechen! Teile dein Leid mit Kollegen, Mentoren und Kollegen. Sei mutig und teile deine Erfahrungen mit anderen. Akzeptiere, dass du nicht alles kontrollieren kannst. Die Herausforderung für unsere Generation besteht darin, einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, basierend auf wissenschaftlichen Ergebnissen und Kommunikation.

Was ist Ihr persönlicher Ausgleich zum Arbeitsalltag?
Ich mache viel Yoga, treffe mich mit Freunden und versuche so, einen Ausgleich zur Arbeit zu finden. Ich rate jedem, sich außerhalb des Berufslebens etwas zu suchen, um zur Ruhe zu kommen und sich von den oft anstrengenden Erfahrungen des Arbeitsalltags zu erholen.

Sie sind noch in der Ausbildung - welche Stationen haben Sie bisher durchlaufen?
Ich komme ursprünglich aus Portugal. Dort habe ich mein Medizinstudium abgeschlossen. Dazu gehörte auch ein Jahr Allgemeinmedizin und vier Jahre allgemeine Chirurgie. Darüber hinaus habe ich auch kurze Praktika in Italien, Messina, Sao Tome und Principe absolviert. Seit fast zwei Jahren bin ich jetzt in Birmingham, wo ich meine Doktorarbeit in globaler Chirurgie fertigstelle.

Was sind Ihre Hoffnungen für die Zukunft - und was ist Ihre wichtigste Botschaft an andere?
Es liegt in den Händen jeder und jedes einzelnen. Zusammenarbeit ist der einzige Weg, um Veränderung und Entwicklung bewirken zu können, denn nur wenn wir zusammenarbeiten, können wir wirklich etwas erreichen.