Lehrstuhlprofil


„Hier müssen wir von unserer im Glauben gegründeten Hoffnung selbst öffentlich reden; sie nämlich scheint vor allem herausgefordert und unter vielerlei Namen unbewußt gesucht. (…) So wollen wir von der tröstenden und provozierenden Kraft unserer Hoffnung sprechen – vor uns selbst, vor allen und für alle, die mit uns in der Gemeinschaft dieser Kirche leben, aber auch für alle, die sich schwertun mit dieser Kirche, für die Bekümmerten und Enttäuschten, die Verletzten und Verbitterten, für die Suchenden, die sich nicht mit dem drohenden Verdacht der Sinnlosigkeit dieses Lebens abgefunden haben und für die deshalb auch Religion nicht von vornherein als durchschaute Illusion gilt, nicht als ein Restbestand früherer Kultur- und Entwicklungsstufen der Menschheit.“

(Aus dem Beschluss „Unsere Hoffnung. Ein Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit“ der Gemeinsamen Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland, Würzburg 1975.)

Fundamentaltheolog*innen geht es ums Grundsätzliche: Sie fragen danach, welche Gründe dafürsprechen, von der universalen Geltung christlicher Selbst- und Weltdeutung überzeugt zu sein. Zugleich widmen sie sich der kritischen Reflexion konkreter Gehalte christlichen Glaubens und fragen danach, welche Gehalte sich auch heute, unter den Bedingungen spätmoderner und postsäkularer Gesellschaften, sich vor dem Forum der Vernunft als tragfähig und verantwortbar erweisen, und welche Gehalte diese Voraussetzung in ihrer überlieferten Form nicht (mehr) erfüllen können und daher einer Transformation bedürfen. Leitkriterien dieser kritischen Prüfung in Form eines argumentativen Verfahrens sind Kohärenz, Konsistenz und normative Richtigkeit.

Das anvisierte argumentative Verfahren und der fundamentaltheologische Begründungsdiskurs beziehen sich jedoch nicht auf abstrakte Wahrheiten, auf „Glaubenssätze“, die für wahr gehalten werden und die es apologetisch gegen kritische Einwände abzusichern gilt. Die fundamentaltheologische Grundlagenreflexion und „Anstrengung des Begriffs“ bezieht sich vielmehr zum einen auf eine Hoffnung, die Biblisch „Reich Gottes“ bzw. „Leben in Fülle“ genannt wird – eine Hoffnungsbotschaft, die einem jeglichen verletzlichen und verletzbaren, einem jeglichen gefährdeten Leben zugesagt ist, nicht nur den Lebenden, sondern auch den Toten, und die unbeschadet ihrer Universalität in besonderem Maße an die Armen und Entrechteten, die Opfer und Besiegten der Geschichte, die Deklassierten, Diskriminierten und Entwürdigten, adressiert ist. Ein „Leben in Fülle“ zumal, das schon hier und jetzt momenthaft aufscheint und auf diese Weise einen Trost für das Dasein bietet, ohne es auf den Sankt-Nimmerleinstag zu vertrösten.

Zum anderen bezieht sich jene Reflexion nicht allein auf theoretische Überzeugungen, sondern auf eine konkrete Glaubenspraxis, die sich mitten in Geschichte und Gesellschaft vollzieht, und genau darin die oben genannte Hoffnung antizipiert. Glaubensüberzeugung und Glaubenspraxis erweisen sich so als wechselseitig aufeinander bezogen, und das fundamentaltheologische Interesse gilt daher beiden Vollzügen des Glaubens gleichermaßen, ohne Theorie und Praxis, Überzeugung und Handlung, dichotomisch voneinander abzugrenzen, und vor allem ohne die Theorie der Praxis einseitig vor- oder gar überzuordnen. Denn der Ausgangspunkt des fundamentaltheologischen Reflexionsweges ist ja schon eine konkrete Praxis – sei es diejenige, die das Dasein in seiner Lebensführung überhaupt ausübt, sei es diejenige, die in concreto Christinnen und Christen als Nachfolgepraxis Jesu ausüben, und dieser Reflexionsweg führt wiederum zu einer neuen Praxis, steht also in deren Dienst und ist somit alles andere als Selbstzweck.

An diesem Verständnis von Fundamentaltheologie orientiert sich das Forschen und Lehren an unserem Lehrstuhl, und wir laden alle, denen es in der Theologie im genannten Sinn ums Grundsätzliche geht, ein, gemeinsam mit uns am skizzierten Programm einer rationalen Verantwortung des Glaubens zu arbeiten.