01. - 13. Juli 2019
Ein rundum gelungener Auftakt: Mit zwei intensiven Wochen ist Anfang Juli das Tübingen Chapel Hill Law Program gestartet, mit dem die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität und die School of Law der University of North Carolina at Chapel Hill eine – in dieser Form in Deutschland einzigartige – gemeinsame Plattform für den Austausch von Studierenden und Hochschullehrern etablieren. Vorlesungen zum US-amerikanischen Recht, zwei wissenschaftliche Mini-Symposien und Exkursionen zum Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg sowie zur Europäischen Zentralbank nach Frankfurt a.M. und gemeinsame Freizeitaktivitäten haben in beiden Wochen deutsche und amerikanische Studierenden, aber auch die beteiligten Hochschullehrer zusammengeführt und einander kennenlernen lassen. Das Programm soll den akademischen Austausch zwischen Juristen beider Universitäten fördern, die einander seit langem als strategische Partner verbunden sind. Gerade in Zeiten zunehmender politischer Spannungen in den transatlantischen Beziehungen soll auf beiden Seiten das Verständnis für die jeweilige Rechtsordnung und Rechtskultur gefördert werden – unter Studierenden ebenso wie unter den beteiligten Wissenschaftlern.
Der gerade zu Ende gegangene erste Besuch hat neben fünf Studierenden aus Chapel Hill drei renommierte Wissenschaftler der UNC Chapel Hill School of Law nach Tübingen gebracht: Martin Brinkley, Dean der School of Law und Arch T. Allen Distinguished Professor of Law, präsentierte neben einer Einführung in die US-amerikanische Rechtsordnung einen Einführungskurs in das amerikanische Wettbewerbsrecht. John F. Coyle, Reef C. Ivey II Term Professor of Law, fesselte die insgesamt 35 Tübinger Studierenden mit einer Einführung in das amerikanische Gesellschaftsrecht. Im Hörsaal aktiv war schließlich auch Lissa Lamkin Broome, Burton Craige Distinguished Professor of Law und Direktorin des UNC Center for Banking and Finance. Auch die Studierenden aus Chapel Hill beteiligt, die sich mit Referaten und in Gruppendiskussionen rege am Unterricht beteiligten.
„Wir wollten mit dem Programm Augen öffnen und Horizonte erweitern“, sagt Prof. Jens-Hinrich Binder, der das Programm an der Tübinger Juristenfakultät organisiert und betreut: „Unsere Studierenden sollten quasi live und in Farbe erleben, wie international unser Fach sein kann – und wie man aus der Begegnung mit dem Ausland auch das eigene Recht besser verstehen kann.“ Beides ist schon bei diesem Auftakt gelungen – und in beide Richtungen.
Um auch den wissenschaftlichen Austausch zwischen beiden Fakultäten zu stärken und zugleich den Studierenden Einblicke in den transatlantischen akademischen Diskurs zu bieten, war in jeder der beiden Besuchswochen ein wissenschaftliches Mini-Symposium im Großen Senat in der Neuen Aula in das Programm integriert worden.
In der ersten Woche ging es um einen Rückblick auf „10 Years Financial Crisis: A Transatlantic Perspective“. Hier warfen zunächst Prof. Lissa Broome und Binder Rückblicke auf die in den USA und in Europa ergriffenen Ad hoc-Maßnahmen und die seither erlassenen Reformgesetze, mit denen auf beiden Seiten des Atlantiks künftigen Finanzkrisen vorgebeugt und ihre Bewältigung erleichtert werden sollen. Prof. Danny Busch, Radboud University Nijmegen (Niederlande), präsentierte dann einen Überblick über das Legislativprogramm zur Entwicklung einer Europäischen Kapitalmarktunion, mit dem auf die Schwächen der europäischen Bankensysteme und die daraus resultierenden Belastungen für die Finanzierung gerade kleinerer und mittlerer Unternehmen reagiert werden soll.
Das Mini-Symposium in der zweiten Woche widmete sich dann vergleichenden Blicken auf „US and EU Mergers and Takeover Control“. Den Auftakt machte hier Dean Martin Brinkley mit einem Überblicksreferat zu aktuellen Themen und Fällen aus der Praxis der US-Wettbewerbsbehörden, bevor Prof. Stefan Thomas in seinem Referat die in Europa rechtspolitisch stark umstrittene Grundfrage beleuchtete, ob die Kartellbehörden bei der Bewertung von Fusionsfällen auch andere als originär wettbewerbliche Auswirkungen einbeziehen sollten. Rechtsanwalt Dr. Tilman Kuhn, Partner der internationalen Sozietät White & Case, diskutierte abschließend aktuelle Problemfelder und Reformbedarf im europäischen Kartell- und Kartellverfahrensrecht. Im Anschluss an beide Symposien boten Empfänge im Kleinen Senat Gelegenheit zur Diskussion.
Tübingen und Chapel Hill – „the perfect match“: Das gilt nicht nur für die beiden Universitäten (die School of Law an der UC Chapel Hill ist die älteste staatliche Law School in den USA), sondern auch für die beiden Städte, die beide stark durch die jeweilige Universität geprägt und ähnlich groß sind. Die US-amerikanischen Gäste nutzten während ihres Aufenthalts in Tübingen nicht nur das organisierte Begleitprogramm zum Kennenlernen der Region, dessen Höhepunkt neben einer Stadtführung die gemeinsame Stocherkahnfahrt auf dem Neckar war. Rasch entwickelten sich auch persönliche Kontakte zu den deutschen Studierenden, die in gemeinsamen Ausflügen und Aktivitäten am Wochenende mündeten.
Ein erster Besuch aus Tübingen in Chapel Hill ist für das Frühjahr 2020 geplant. In diesem Rahmen werden die Tübinger Professoren Jens-Hinrich Binder, Christine Osterloh-Konrad und Stefan Thomas in Chapel Hill Gastvorlesungen im Europäischen Finanzmarkt-, Wettbewerbs- sowie Steuerrecht anbieten. Sie sollen dabei von 15 Studierenden aus Tübingen begleitet werden, die ein attraktives Programm insbesondere auch mit Besuchen wichtiger Institutionen in Washington DC erwartet.
Für die Tübinger Fakultät ist das Tübingen Chapel Hill Program ein zentraler Baustein in ihrer Internationalisierungsstrategie, mit der die Fakultät bundesweit besonders leistungsfähige, international aufgeschlossene Studierende ansprechen und für Tübingen gewinnen möchte. Die Fakultät und ihre Gäste sind dankbar für eine großzügige Anschubfinanzierung durch die Eberhard-Karls-Universität, die UNC Chapel Hill School of Law und weitere Finanzierungsbeiträge der Tübinger Juristischen Gesellschaft.