Forschungsprojekte


Laufende Forschungsprojekte

Prekäres Erscheinen. Ästhetische Verhandlungen in mystischen Texten

Beschreibung

Mittelalterliche Ästhetik ist über weite Strecken als christlich geprägte Ästhetik zu verstehen, die durch spezifische Spannungsfelder und Dynamiken gekennzeichnet ist. Um diese Spannungsfelder herauszuarbeiten, analysiert das Teilprojekt C3 Darstellungsformen göttlichen Erscheinens zwischen Glanz und bloßem Anschein anhand zweier Korpora der mystischen Tradition: der Mechthild von Magdeburg zugeschriebenen Werke Das fließende Licht der Gottheit bzw. Lux divinitatis und der Exercitia spiritualia sowie des Legatus divinae pietatis Gertruds von Helfta bzw. deren deutschsprachigen Rezeptionszeugen.

Dienten in der ersten Förderphase vorrangig Phänomene von Schein, Licht und Glanz als ästhetische Reflexionsfiguren, so werden in der zweiten Förderphase in gleichsam komplementärer Perspektive dezidiert körper- und objekt-, d.h. materialitätsbezogene Darstellungsformen in interdisziplinärem Verbund von Theologie und Lite­raturwissenschaft analysiert. Die Untersuchungen folgen dabei den Leitfragen: Welche materialitätsbezogenen Darstellungsformen begegnen auf Themen-, Motiv- und Metaphernebene? Welche Rolle spielen Synästhesien, welche Trug und Täuschung? Inwiefern differieren deutsche und lateinische Texte in ihrem rhetorischen Inventar? Wann wird eine Darstellung in ihrem rhetorischen ‚Glanz‘ prekär?

Ziel ist es, die materialen Voraussetzungen, aber auch bisher in der Forschung eher marginalisierte Gegendynamiken, Irritationen oder ‚Störungen‘ des In-Erscheinung-Tretens des Göttlichen auf Darstellungsebene in den Blick zu nehmen und im Vergleich deutscher und lateinischer Texte zu analysieren. C3 möchte von hier aus im Rahmen des SFB aufzeigen, wie gerade der religiöse Anspruch der Texte in Aushandlung mit den Eigenlogiken der Gestaltung und materialitätsbezogenen Imaginationen zu einer außerordentlichen ästhetischen Produktivität führt.

Projektleitung

Prof. Dr. Saskia Wendel / Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter

Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen

Angelika Frescher-Molitor
Markus Pelzmann

Projektförderung: Teilprojekt C3 des DFG-SFB „Andere Ästhetik“ (SFB 1391) // Laufzeit: 2023–2027 (2. Förderphase)

Abgeschlossene Forschungsprojekte

Ist „glauben“ ein universales Vermögen? Zur Möglichkeit des Glaubensvollzugs bei von Geburt an starker kognitiver Beeinträchtigung

Beschreibung

Mit Blick auf die Struktur religiöser Überzeugungen lässt sich eine Unterscheidung von Glaubensakt (fides qua creditur; faith) und Glaubensinhalt (fides quae creditur; belief) aufzeigen, eine konstitutive Doppelstruktur, die sich in der Debatte zur Epistemologie religiösen Glaubens weitestgehend durchgesetzt hat. In der gegenwärtigen Fundamentaltheologie und Religionsphilosophie werden auf dieser Unterscheidung aufbauend primär Möglichkeitsbedingungen der vernünftigen Vertretbarkeit von Glaubensinhalten thematisiert. Eine solche Fokussierung auf die Rationalität von Glaubensinhalten (belief) vernachlässigt jedoch Fragen nach der Bedeutung der affektiven Dimension von Glauben (faith) und lässt Fragen nach dem "davor", also nach den Möglichkeitsbedingungen des Glaubens außer Acht. Die fundamentale Relevanz und Brisanz dieser Reflexionen über die Bedeutung von faith zeigt sich aber insbesondere dann, wenn man sich auf Personen mit von Geburt an starken kognitiven Beeinträchtigungen konzentriert. So könnte der primär an belief orientierte Versuch der Bestimmung des Glaubens als rationaler Vollzug bewussten Lebens all jene Personen ausschließen, die kognitiv dazu nicht in der Lage sind, was u.a. den Universalitätsanspruch religiöser Überzeugungen, als prinzipiell von allen verstehbar und zustimmungsfähig, diminuieren würde. Zudem würde Personen mit von Geburt an starken kognitiven Beeinträchtigungen eine vollumfängliche religiöse Überzeugung und somit letztlich auch der Status, in selbstbestimmter Freiheit und Verantwortung Subjekte des Glaubens sein zu können, abgesprochen, und sie auf bloße Objekte der Glaubenspraxis und deren verschiedener Vollzüge, wie etwa der Diakonie, der Bildungsarbeit, der Pastoral oder des sakramentalen Handelns, reduziert. Das zieht darüber hinaus anthropologische Probleme mit sich etwa im Blick auf die Überzeugung der gleichen Würde aller Personen, unbeschadet ihrer kognitiven Vermögen.Das hier anvisierte Forschungsprojekt möchte also eine doppelte Lücke schließen: diejenige der Reflexion über die Bedeutung von faith in der analysis fidei und diejenige der Frage danach, inwiefern Personen mit von Geburt an starken kognitiven Beeinträchtigungen in der Lage sind, zu glauben, und so Subjekte des Glaubens zu sein. Die Reflexion über die Möglichkeitsbedingungen von Glauben bei Personen mit von Geburt an starken kognitiven Beeinträchtigungen bezieht sich dabei nicht auf ein Sonder- bzw. randständiges Thema, sondern führt mitten hinein in theologische Grundsatzfragen mit theoretischer und praktischer Konsequenz. Dabei verfolgt das Projekt nicht nur wissenschaftliche, sondern auch gesellschaftspolitische Ziele, da es Probleme von Diskriminierung und Exklusion thematisiert und nach Möglichkeiten danach sucht, diskriminierende und exkludierende Perspektiven und Praktiken – hier im Feld religiöser Lebensdeutung – abzuwehren und Partizipationsmöglichkeiten bzw. tatsächlich gelebte Inklusion zu reflektieren und zu begründen.

Projektleitung

Prof. Dr. Saskia Wendel

Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen

Dr. Caroline Helmus
Barbara Engelmann (bis 2022)

Projektförderung: DFG (412761087) // Laufzeit: 2019–2023 

„Leib Christi“ – Gendersensible Rekonstruktion einer theologischen Metapher

Beschreibung und zentrale Ergebnisse

Das Projekt konzentrierte sich auf die Frage nach der Möglichkeit der Rekonstruktion der Leib-Christi-Metapher, v.a. unter gendertheoretischen Gesichtspunkten. Hierzu wurden insbesondere kosmologische Christologien bzw. Leib-Christi-Konzeptionen sowie panentheistische Christologien analysiert. Allerdings erscheinen diese Konzeptionen zur Rekonstruktion der Metapher wenig tragfähig, da meist eine unbegründete Extrapolierung der Metapher von der Bezeichnung des individuellen Körpers Jesu hin zur Deutung des Universums als göttliche Inkarnation vorgenommen und mit ihr die gesamte Problematik der Geschlechtskonstruktion des Christuskörpers unterlaufen wurde, ohne diese aber wirklich zu lösen. Hinzu kommen grundlegende Probleme kosmologischer wie panentheistischer Christologien überhaupt (z. B. Superiorismus der Deutung des Universums als kosmischer Leib Christi, Auflösung der spezifischen Differenz des Inkarnationsbegriffs). Es erscheint daher sinnvoll, den Ausdruck „Leib Christi“ auf seine Funktion als Zeichen des individuellen Körpers Jesu zu beschränken und in diesem Zusammenhang auch die sozialen Konstruktionen jenes Körpers, zu denen auch Geschlechterkonstruktionen gehören, zu analysieren und zu kritisieren sowie neue, „gendersensible“ Bilder und Deutungen des „Leibes Christi“ zu entwerfen, die diesem seine Funktion als Legitimationsbasis kirchlicher wie gesellschaftlicher Exklusionsstrategien und Regulierungsversuchen konkreter Körperpraxen im Feld von Begehren und Sexualität nehmen.

Projektbezogene Publikationen
  • Saskia Wendel: Jesus war ein Mann… – na und? Ein funktionales und nicht-sexualisiertes Amtsverständnis in anthropologischer Hinsicht, in: Margit Eckholt u.a. (Hg.): Frauen in kirchlichen Ämtern. Reformbewegungen in der Ökumene, Freiburg i. Br. 2018, 330–341.
  • Aurica Jax/Saskia Wendel (ed.): Envisioning The Cosmic Body Of Christ. Embodiment, Plurality and Incarnation. Abingdon 2019.
  • Saskia Wendel: Embodied Conscious Life. The Idea of an Incarnated God and the Precarious Metaphor of the Cosmic Body of Christ. In: Jax/Wendel (ed.): Envisioning the Cosmic Body of Christ, 93–100.
  • Aurica Jax: „And wisdom became matter“. Materialist explorations of the Cosmic Body of Christ, in: Jax/Wendel (ed.): Envisioning the Cosmic Body of Christ, 7–20.
Projektleitung

Prof. Dr. Saskia Wendel

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Dr. Aurica Jax

Projektförderung: DFG (236859045) // Laufzeit: 2017–2019 

 

Freiheit als theologische Schlüsselkategorie. Eine Auseinandersetzung mit Libertarismus, Determinismus und Kompatibilismus

Beschreibung und zentrale Ergebnisse

Das DFG-Projekt "Freiheit als theologische Schlüsselkategorie. Eine Auseinandersetzung mit Libertarismus, Kompatibilismus und Determinismus" hat sich von 2016-2019 in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Systematische Theologie der Universität Paderborn mit der Frage nach dem Gebrauch theologischer Freiheitsbegriffe im Spiegel der im Hintergrund wirksamen philosophischen Debatten befasst. Auf zwei projektspezifischen Fachtagungen haben international renommierte Wissenschaftler*innen aus Philosophie und Theologie der Freiheit gegenwärtige Konzepte diskutiert und so neue Denkanstöße für die Konzeption theologischer Freiheitsbegriffe gegeben. Dabei haben sich als zentrale Ergebnisse erwiesen:

  • Freiheitstheorien sollten weniger an der Frage nach metaphysischer Kompatibilität als an der konkreten Erfahrung ansetzen, um induktiv zu einem verantwortbaren Begriff von Freiheit zu gelangen.
  • Die Pluralität der Freiheitssemantik stellt vor diesem Hintergrund kein epistemisches Problem, sondern einen genuinen Mehrwert dar, der verschiedene Sinnebenen in unterschiedlichen Gebrauchskontexten geltend machen kann.
  • Philosophie und Theologie arbeiten oft auf verschiedenen semantischen Ebenen an ähnlichen anthropologischen Problemen. Wechselseitige produktive Diskursanreicherungen sind in diesem Sinne möglich.
  • Konkret lässt sich im Bereich der theologischen Anthropologie eine breite Anschlussfähigkeit an liberianische Freiheitskonzepte feststellen, die allerdings im Bereich der dogmatischen Theologie nicht selten problemerzeugend sind. In diesem Sinne erweist sich die Analyse von Freiheit als Eigenschaft Gottes als Desiderat des Forschungsprojekts.
Publizierte Projektdokumentation

Klaus von Stosch/Saskia Wendel/Martin Brel/Aaron Langenfeld (Hg.), Streit um die Freiheit. Philosophische und theologische Perspektiven, Paderborn u. a. 2019. 

Projektleitung

Prof. Dr. Saskia Wendel
Prof. Dr. Klaus von Stosch

Wissenschaftliche Mitarbeiter

DDr. Martin Breul
Dr. Aaron Langenfeld

Projektförderung: DFG (280557507) // Laufzeit: 2015–2018

 

„Leib Christi“ – Gendertheoretische Dekonstruktion eines zentralen theologischen Begriffs

Beschreibung und zentrale Ergebnisse

Der „Leib-Christi“-Begriff ist in seiner Relevanz für Christologie, Ekklesiologie und Sakramententheologie ein Schlüsselbegriff theologischer Reflexion. Zugleich besitzt er bezüglich der konkreten kirchlichen Praxis eine legitimierende Funktion im Blick insbesondere auf das Amts- und Kirchenverständnis. Das Projekt verfolgte eine doppelte Perspektive: Zum einen erfolgte eine kritische Relecture der Genese, der Bestimmung und der Funktion dieses Begriffs an ausgewählten theologischen Konzeptionen der Theologie des 20. Jahrhunderts aus gendertheoretischer Perspektive, womit eine systematisch-theologische Leerstelle gefüllt wurde. Dabei standen die Fragen nach den prägenden Körperbildern und kulturell bzw. gesellschaftlich bedingten Konstruktionen von „gender“  in bestimmten theologischen Reflexionen zum Leib Christi im Zentrum der Analyse. Des Weiteren wurde die legitimierende Funktion dieser Konstruktionen mit Blick auf konkrete kirchliche wie gesellschaftliche Praxen untersucht. Deshalb erfolgte im Projekt auch eine Konzentration auf die christologische und ekklesiologische Bedeutung des Begriffs, die sakramententheologische Dimension wurde vorrangig in Bezug auf die Sakramentalität der Kirche als Leib Christi thematisiert.

Zum anderen wurde auf der Basis dieser kritischen Relecture des Leib-Christi-Begriffs ein Modell einer „gendersensiblen“ Theologie des Leibes Christi entwickelt, das theologisch-anthropologische Reflexionen zur Bedeutung von Leib und Körper aufgreift, in denen subjektivitäts- und freiheitstheoretische Konzeptionen theologischer Anthropologie aus dem Kontext erstphilosophisch orientierter systematischen Theologien mit phänomenologischen Überlegungen zu Leib und Körper verknüpft werden. Diese neu formulierte Theologie des Leibes Christi, die sowohl christologisch als auch ekklesiologisch relevant ist, wurde auch im Blick auf konkrete Felder der kirchlichen Praxis formuliert, insbesondere in ihrer Bedeutung für das Amtsverständnis.

Projektbezogene Publikationen
  • Saskia Wendel/Aurica Nutt (Hrsg.): Reading the Body of Christ. Eine geschlechtertheologische Relecture, Paderborn 2016.
  • Saskia Wendel: Auf den Leib Christi geschrieben, in: Wendel/Nutt (Hg.): Reading the Body of Christ, 13–28.
  • Aurica Nutt: „Wo Christus als Gekreuzigter einen geschichtlichen Leib hat“. Zum Leib Christi-Motiv bei Ignacio Ellacuría und Jon Sobrino, in: Wendel/Nutt (Hg.): Reading the Body of Christ, 85–102.
  • Aurica Nutt: Das „Leib Christi“-Verständnis Hans Urs von Balthasars. Eine geschlechtersensible Analyse seiner Christologie und Ekklesiologie, in: ThQ 197 (2017), 133–154.
  • Matthias Remenyi/Saskia Wendel (Hg.): Die Kirche als Leib Christi. Geltung und Grenze einer umstrittenen Metapher (QD 288), Freiburg i. Br. 2017.
  • Saskia Wendel: Leib Christi – Grenzen und Chancen einer ekklesiologischen Metapher, in: Remenyi/Wendel (Hg.): Die Kirche als Leib Christi, 295–313.
  • Aurica Nutt: „A bundle of flesh just as we are“. Geschlechtersensible Analysen zur Leib Christi-Metaphorik, in: Remenyi/Wendel (Hg.): Die Kirche als Leib Christi, 314–331.
Projektleitung

Prof. Dr. Saskia Wendel

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Dr. Aurica Jax (geb. Nutt)

Wissenschaftliche Hilfskraft

Miriam Leidinger

Projektförderung: DFG (236859045) // Laufzeit: 2013–2016