Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Agrarwende durch Wertewandel? Einblicke in das Projekt Öko-Valuation

Wie soll die Zukunft der Landwirtschaft aussehen? Und wie die Ernährung der Zukunft? Was muss sich ändern, damit die Landwirtschaft ökologischer werden kann? Und welche Rolle spielen dabei Werte und Normen? Anhand solcher Fragen untersucht das Forschungsprojekt Öko-Valuation ethische Dimensionen einer nachhaltigen Agrarwende.

Wie kann es gelingen, dass die Landwirtschaft eine gute Zukunft hat und zugleich die natürlichen Grundlagen der landwirtschaftlichen Produktion bewahrt bleiben? Auf diese Frage sucht das vom MWK Baden-Württemberg aufgelegte Förderprogramm ‚Ökologischer Landbau‘ Antworten. Im Rahmen dieses Programms führt das IZEW in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für gesellschaftliche Transformation und Landwirtschaft der Universität Hohenheim das Forschungsprojekt Öko-Valuation durch. Unterstützt von der Stuttgarter Agentur Ökonsult untersucht das interdisziplinäre Team in zwei Bio-Musterregionen, welche Rolle Werte und Normen für den Umbau des Agrar- und Ernährungssystems spielen können.

Anlass des Projekts war die gesellschaftliche Kontroverse um die Zukunft der Landwirtschaft in Baden-Württemberg. Grüne Kreuze auf den Feldern und Honigbienen auf Schildern und Transparenten markieren die Pole der hochgradig emotionalen Debatte. Um den leidenschaftlich ausgetragenen Konflikt zu befrieden, wurde immer wieder eine Versachlichung der Debatte gefordert. In der Auseinandersetzung um die Zukunft der Landwirtschaft spielen aber nicht nur Tatsachen, sondern auch Werte und Normen eine Rolle. Letztere können nicht zur Sprache kommen, wenn man die Auseinandersetzung auf die Ebene der Tatsachen beschränkt. Aus diesem Grund sollten im Projekt ausdrücklich ethische Dimensionen des Themas adressiert werden.

Um Werte und Normen zur Sprache bringen zu können, ist es wichtig, eine Moralisierung der Debatte zu vermeiden. Die wechselseitige Anerkennung aller Beteiligten als gleichberechtigte und gleichwertige Gesprächspartner*innen ist Grundbedingung jedes Diskurses. Im Gespräch über eine wünschenswerte Zukunft der Landwirtschaft geht es nicht darum, wer „die Guten“ sind und wer „die Bösen“. Eine solche moralische Diskreditierung ist unzulässig und verhindert Verständigung. Vielmehr geht es darum, die Absichten und Bedürfnisse sowie die Werte und Normen aller Beteiligten zur Sprache zu bringen, sie anzuhören und zu verstehen. Dann erst kann die Diskussion darüber beginnen, welche Werte geteilt werden, wo es Unterschiede gibt, welche Normen anerkennungswürdig sind und welche keine Zustimmung finden.

Um diese Form der Kommunikation zu ermöglichen, wurde im Projekt der Fokus nicht auf die Frage der retrospektiven Verantwortung gelegt (also auf die Frage „Wer ist schuld an der derzeitigen Situation?“), sondern Verantwortung prospektiv verstanden: Wie sieht eine erstrebenswerte Zukunft aus, und wer kann und will welche Verantwortung übernehmen, um sie zu ermöglichen? Pandemiebedingt wurde zunächst ein Verfahren gewählt, das ohne direkten Kontakt möglich war: eine Foto-Aktion zur Zukunft die Landwirtschaft. Aus den eingereichten Bildern wurde eine kleine Ausstellung erstellt, die neben den Fotos auch Kommentare der Fotografierenden und unsere auswertende Interpretation enthielt. Diese bildete das Herzstück für weitere Gesprächsrunden, in denen die Bilder und Texte sich als überaus hilfreicher Einstieg entpuppten. Unterstützt durch eine entsprechende Moderation ermöglichten sie es, auch kontroverse Standpunkte in einer respektvollen und kooperativen Atmosphäre auszutauschen.

Fehlende Wertschätzung erwies sich in den unterschiedlichen Formaten als wesentliches Hemmnis für eine stärker ökologische Ausrichtung des Agrar- und Ernährungssystems. Diese erfordert nicht nur eine höhere Wertschätzung (und Zahlungsbereitschaft) für Lebensmittel, sondern auch mehr Wertschätzung für die Menschen, die sie erzeugen, und für den Boden, der sie hervorbringt.

Die Vorgehensweise und Erfahrungen des Projekts werden am 14. Juli in einem Online-Seminar für Personen aus der Praxis vorgestellt: https://oekovaluation.de/aktuelles/ Anmeldeschluss: 7.7.2023

Uta Eser und Andreas Greiner