Am 15.12.2018 ist Prof. Dr. Jörn Staecker, Leiter der Abteilung für Archäologie des Mittelalters der Eberhard Karls Universität Tübingen, im Alter von 57 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben. Mit ihm verlieren die Universität Tübingen, die deutsche Archäologie und die europäische Mittelalterkunde einen international anerkannten Forscher und erfahrenen Hochschullehrer.
Jörn Staecker wurde am 27. April 1961 in Buxtehude geboren und wuchs in Südamerika und dem Ruhrgebiet auf, bevor er 1983 ein Studium der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie an der Universität in Kiel aufnahm. Nach Abschluss seines Studiums forschte er von 1990 bis 1994 mit mehreren Stipendien in Uppsala und Lund und promovierte sich in Kiel mit der 1995 erschienenen Abhandlung „Rex regum et dominus dominorum. Die wikingerzeitlichen Kreuz- und Kruzifixanhänger als Ausdruck der Mission in Altdänemark und Schweden“. Seine Dissertation war dabei mehr als eine eindrucksvolle Materialsammlung zu frühchristlichen Glaubenssymbolen in Skandinavien, sondern wies ihn bereits als einen Forscher aus, der die Archäologie des Mittelalters über traditionelle Disziplingrenzen hinaus als eine ganzheitliche historische Wissenschaft verstand und setzte bis heute relevante Impulse für die Erforschung der Christianisierung Skandinaviens.
Jörn Staeckers berufliche Karriere begann bereits 1994 mit der Übernahme der Lehrstuhlvertretung für Mittelalterarchäologie an der Universität Lund, die er von 1998 bis 1999 zudem als gewählter stellvertretender Institutsdirektor mit großem Engagement ausfüllte. Es entstand eine beachtliche Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen, die sein Renommee als Spezialist für die Christianisierung Skandinaviens sowie die Archäologie der Wikinger weit über seinen Tod hinaus prägen werden. Staecker blieb jedoch nicht nur ein Kenner für die Archäologie des europäischen Nordens, seine Begeisterung für neue Fragestellungen und Methoden und seine Offenheit bezüglich scheinbar festgeschriebener Disziplingrenzen trieben ihn als Forscher stets voran. Im Jahr 2001 legte er seine Habilitationsschrift zur Mittelalterarchäologie an der Universität Lund vor, die als eine interdisziplinäre Arbeit an der Grenze zwischen Archäologie, Geschichtswissenschaft und Kunstgeschichte zu verstehen ist: „Dialog mit dem Tod – Die hoch- und spätmittelalterliche Bestattungssitte und Grablege Südskandinaviens.“ Nicht erst mit dieser Arbeit zeigte Staecker das Potential interdisziplinärer Forschung unter Einbezug neuerer Kulturtheorien auf und leistete damit zugleich einen grundlegenden Beitrag zur Entwicklung der Historischen Archäologie.
Im Jahr 2005 folgte der Ruf auf eine Professur für Historische Archäologie am Institut für Archäologie und Osteologie der Gotland University, einer Institution, welcher er bis zuletzt über Koordination diverser Forschungsprojekte verbunden blieb. 2008 wurde er schließlich Lehrstuhlinhaber der Archäologie des Mittelalters am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Eberhard Karls Universität Tübingen. In den 10 Jahren, die Jörn Staecker in Tübingen lehrte und forschte, hat er ebenso effizient wie erfolgreich zahlreiche Forschungsarbeiten und -projekte initiiert wie geleitet und als akademischer Lehrer mehrere Generationen an Nachwuchswissenschaftler*innen ausgebildet. Bereits zu Beginn seiner Zeit in Tübingen übernahm er Verantwortung für Verwaltungsaufgaben, so stand er der Philosophischen Fakultät für einige Zeit als Dekan bzw. als Pro-Dekan vor. Bis zuletzt war er in eine Vielzahl von fachübergreifenden Forschungsprojekte eingebunden, etwa in das GraduiertenKolleg Religiöses Wissen sowie in den Sonderforschungsbereich 1070 RessourcenKulturen.
Jörn Staeckers umfangreiche Publikationen zur Christianisierung Skandinaviens, zu frühchristlichen Bestattungssitten im Norden oder Bild- und Runensteinen sind prägnante Meilensteine für die Forschung zur skandinavischen Wikingerzeit und ebenso wie er sich über Disziplinengrenzen hinweggesetzt hat, so war er in seinen Arbeiten immer ein streitbarer Forscher, der den kritischen Diskurs gesucht hat und keine Schwierigkeiten damit hatte, anzuecken. Als Mensch zeichneten Jörn Staecker seine ausgeprägte Bodenhaftung, seine unangepasste Persönlichkeit und vor allem der offene Umgang mit seinen Schülerinnen und Schülern aus. Ein Blick in das Vorwort seiner Doktorarbeit verrät einiges über den begeisterten Forscher, erfolgreichen Netzwerker und umsorgenden Familienvater. Seine Sicht auf die Dinge, die oft genug einen Wechsel gewohnter Perspektiven voraussetzte, wird künftig nicht nur in der Tübinger Forschung fehlen.
Der Verein zur Förderung der Archäologie des Mittelalters Schloß Hohentübingen und das Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters werden Prof. Dr. Jörn Staecker stets ein ehrendes Gedenken bewahren. Wir trauern um den Mittelpunkt unserer Abteilung. Unsere Anteilnahme gilt seiner Frau und seinen Kindern.
Für den Verein und das Institut
Matthias Toplak, Jörg Widmaier & Tilmann Marstaller