Auf der 82 km² großen, semiariden Vulkaninsel Pantelleria in der Straße von Sizilien (Italien) gibt es weder nennenswerte Süßwasservorkommen noch, aufgrund der starken Winderosion, ausreichend tiefgründige, landwirtschaftlich nutzbare Böden. Trotz dieser prekären Ressourcenlage wurde der insulare Naturraum seit phönizisch-punischer Zeit sukzessive erschlossen und in einen Kulturraum transformiert, der vor allem durch eine extensive, flächenschaffende Anlage von Terrassen sowie das konsequente Auffangen und Speichern von Regenwasser in Zisternen geprägt ist. In den verschiedenen Perioden der antiken Geschichte Pantellerias wurden zahlreiche Kleinräume der Insel (Abb. 1 und 2) besiedelt und zum Teil hochgradig dem Lebensraum angepasste Besiedlungs- und Versorgungsstrategien entwickelt oder adaptiert. Ihre Untersuchung erlaubt es, den Umgang mit den Ressourcen, die Erschließung des Hinterlandes der punischen Kolonie sowie den zeitlichen und räumlichen Transfer ruraler Kulturtechniken zu fokussieren. Weitere Fragen schließen an: Wann wurden welche Gebiete der Insel erschlossen? Welche Anbau- und Versorgungsstrategien wurden eingesetzt und wie veränderten sich diese? Welchen Grad an Versorgungssicherheit konnten die eingesetzten Strategien leisten? Wie viele Personen konnten ernährt werden? In welchem Verhältnis steht die verfügbare Wassermenge zum landwirtschaftlich genutzten Boden? Was konnte angebaut, was musste importiert, was konnte exportiert werden?
Von zentraler Bedeutung für die Beantwortung dieser Fragen ist das Verständnis des Naturraumes Pantelleria. In vorliegenden Studien zur Geographie und Biologie der Insel werden vor allem die sehr großen intrainsularen Differenzen betont: So lassen sich auf engstem Raum drei Vegetationszonen voneinander scheiden; es gibt Gunst- und Ungunstregionen, deren landwirtschaftliches Potential ebenso wie der jährliche Niederschlag (zwischen 150 und 900 mm) erheblich variiert (Lux 1991; Gianguzzi 1999; Rühl 2003). Um den erheblichen Bedingungsschwankungen auf methodischer Ebene Rechnung zu tragen, soll ein Modell entwickelt werden, welches die Parameter eines Wasserversorgungssystems, das vom jährlichen Niederschlag abhängig ist, zu fassen und in eine folgerichtige Relation zu bringen vermag. Dabei sind die maßgeblichen Faktoren – kulturell (z. B. Bevölkerungsgröße, Wasserverbrauch), klimatisch (z. B. Niederschlag, Verdunstung) und technisch (z. B. Werkstoffeigenschaften, Speicherkapazitäten) – als quantifizierbare Variablen aufzufassen, die das spezifische Gewicht der einzelnen Faktoren präzise zu bestimmen erlauben. Das Modell orientiert sich an prognostischen Methoden der Entwicklungshilfe und soll ein Raster objektiver Möglichkeiten schaffen, innerhalb dessen die historisch äußerst differente Siedlungsgeschichte Pantellerias kontrastierend erklärbar wird (Gould - Nissen-Petersen 1999; Pacey - Cullios 2006). Als Fallbeispiel eines insularen Siedlungskleinraumes wurde u.a. die Cala Cottone, ein etwa 700 m langes und bis zu 120 m breites Tal mit einer angrenzenden Bucht im Nordosten der Insel, näher untersucht (Abb. 3 und 4):
Die in einer Feldbegehung aufgenommenen antiken Funde und Befunde, die Topographie und die rezente Bebauung des Tales, die Nutzung der Felder sowie die infrastrukturelle Anbindung wurden in einem digitalen Geländemodell dokumentiert (in Zusammenarbeit mit: Martin Grünheid, Fachbereich Vermessung / Geomatik, Fachhochschule Karlsruhe). Das Modell verdeutlicht die antiken wie rezenten, inseltypischen Siedlungsmuster im ländlichen Raum. In Ergänzung dazu konnte damit begonnen werden, die archäozoologischen und archäobotanischen Überreste auf der Akropolisgrabung hinsichtlich ihrer Aussagekraft über das Verhältnis Stadt/Hinterland zu untersuchen. Weiterhin wurden in einer ersten archäometrischen Untersuchungsreihe lokale Rohstoffvorkommen, Produktionsstätten und Bauwerken, lokale und importierte Keramikwaren sowie die z. T. aus Rohstoffen bestehende Ladung eines vor der Küste der Insel gesunkenen Handelsschiffs beprobt und analysiert, um naturwissenschaftlich fundierte Daten über die Integration Pantellerias in die antiken, mediterranen Handelsnetze zu gewinnen (in Zusammenarbeit mit: Prof. Dr.-Ing. Andreas Gerdes, Hochschule Karlsruhe). Ferner werden zur Entwicklung eines modellhaften Bezugspunktes für das Verständnis der Insel in punisch-römischer Zeit, die kulturellen und technischen Praktiken im Umgang mit der knappen Ressource Wasser im Pantelleria der jüngsten Geschichte und Gegenwart untersucht (Abb. 5) (in Zusammenarbeit mit: Dr. Martina Neuburger, Institut für Geographie, Universität Innsbruck).
Literatur
L. Gianguzzi, Vegetazione e bioclimatologia dell’Isola di Pantelleria (Camerino 1999).
A. Lux, Macchia und Wald der Insel Pantelleria (unpubl. Diplomarbeit, Universität Erlangen 1991).
J. Gould - E. Nissen-Petersen, Rainwater Catchment Systems for domestic supply (Warwickshire 1999).
A. Pacey - Adrian Cullis, Rainwater Harvesting. The collection of rainfall and runoff in rural areas 4(London 2006).
J. Rühl, Vascular plant diversità in abadoned vine and caper cultures of Pantelleria island (Sicily) and conclusions for landscape conservation (unpubl. Diplomarbeit, Universität Greifswald 2003).